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Ausgabe:

1982

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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Es schließen sich „Aktuelle Fragen der Sozialpolitik" an. Die Notwendigkeit
partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit anderen Verbänden
der freien Wohlfahrtspflege wird unterstrichen. Vergleiche
der Rechtsstrukturen werden angestellt und immer wieder auf solidarische
Zusammenarbeit in „Idee und Entwicklung" abgehoben.
Ein besonders wertvoller Beitrag wie: „Das Recht auf Altwerden in
der Kirche - der Ruhestand als Chance und Aufgabe" rundet mit seiner
seelsorglichen Qualität diesen in bestechender Geschlossenheit
zur Darstellung gebrachten Sachbereich der Diakonie ab.

Der neueste Band, Bd. IV, steht unter dem Generalthema: „Gesellschaft
als Wirkungsfeld der Diakonie". Wenn auch in den vorangegangenen
Publikationen schon immer wieder die gesellschaftliche
Dimension der Diakonie angesprochen wurde, so wird doch in diesem
Sammelband die gesellschaftliche Relation besonders extensiv
und intensiv zur Sprache gebracht. Nach bewährtem Muster werden
3 Komplexe vorgestellt: 1. Diakonie als Handlungsraum der Kirche,
2. Diakonie in Staat und Gesellschaft, 3. Kirche in der Welt der Diakonie
im Vollzug.

Diese 3 großen Abschnitte werden jeweils durch einen Leitartikel
eingeleitet, der die theologische Fundierung für die nachfolgenden
Einzeldarstellungen geben soll.

So ist für den 1. Abschnitt die Überlegung als Ausgangspunkt gewählt
: „Die Verbindlichkeit des Wichernschen Ansatzes". 3 Ansatzpunkte
, die für die Diakonie Wicherns bestimmend waren, werden
herausgestellt und damit ihre heutige Verbindlichkeit gefordert: 1.
„Wichern hat der evangelischen Kirche in einer neuen und bis dahin
unerhörten Weise die sozialpädagogische Arbeit auferlegt, 'die sie
vornehmlich an den Randgruppen zu erfüllen hat" (21-23). 2. „Die
Verbindlichkeit des Ansatzes im Denken und Wirken Wicherns besteht
zweitens in der Reform des Strafvollzugssystems und der Rehabilitation
der Strafgefangenen." 3. „Das dritte Gebiet... betrifft die
Fülle der sozialen Hilfe für eine entwurzelte, mobilisierte und in der
Umschichtung begriffenen Bevölkerung." Diese drei Aufgaben sind,
in modifizierter Form, jeder Generation, auch uns heute, gestellt.

Den 2. Teil eröffnet der Aufsatz: „Diakonie in Staat und Gesellschaft
". Die folgenden Ausführungen sind vorwiegend auf die gesellschaftlichen
Strukturen der Bundesrepublik bezogen und bedürfen
der Ergänzung, wie sie im Beitrag: „Kirchliches Handeln in der Gesellschaft
" geleistet wird, in dem Berichte aus der Diakonie in einigen
sozialistischen Ländern, insbesondere der DDR, vorgelegt werden.

Einleitend für den 3. Teil werden Gedanken über „Diakonisches
Lernen in der Kirche" entfaltet. Eine reformatorische Kirche ist „bis
zum Jüngsten Tag eine Lerngemeinschaft - angewiesen auf die
Geistesgegenwart Gottes" (215). In vier „Fachgebieten" macht der
Vf. den Lernprozeß deutlich, der in den letzten Jahrzehnten auf allen
Gebieten des kirchlichen Lebens sich vollzogen hat.

Da wird zunächst das „Fach Theologie" angesprochen. Es werden
falsche Alternativen in ihrem unfruchtbaren „Entweder-Oder" entlarvt
, wie z. B. „Heil oder Wohl", „Bete oder arbeite", .jenseitsbezogene
oder diesseitsorientierte Nachfolge", „Mission oder Diakonie
", ,,Gruppendynamik oder Spiritualität?"

Im „Fach Gesellschaft" wird auf neue Programme aufmerksam gemacht
: „Neue Arbeit" (Die Not der Arbeitslosen), „Nachtschichtarbeit
", „Denkschriften" als Ausdruck gesellschaftlicher Diakonie,
„Probleme der Nichtseßhaften, der Strafentlassenen und Obdachlosen
und der Suchtkranken". Diese „weitlaufende" und weltoffene
Diakonie wird mit dem Bild einer „annehmenden Gesellschaft" eindrucksvoll
beschrieben.

Die einzelnen Beiträge können in dieser Rezension nicht genügend
gewürdigt werden. Nur einige sollen stellvertretend für viele benannt
werden, um einen Eindruck von der konkreten Entfaltung des Generalthemas
zu geben. Da sind zu nennen die Beiträge „Zur Beurteilung
aktueller Menschenbilder im diakonischen Raum", „Innere Mission
und religiöser Sozialismus", „Dienstgemeinschaft". Auf ähnlicher
Linie liegen die Themen: „Pionierfunktion der Diakonie" und „Die

Zukunft der Diakonie". Es wird sehr anschaulich „Aus den Anfängen
des Hilfswerks" berichtet. Zuletzt wird der Blick wieder für den gesamtkirchlichen
Zusammenhang freigelegt: „Diakoriische Funktion
des Gottesdienstes".

Diese Auswahl, wie auch in der Besprechung der vorhergehenden
Bände, erfolgte nicht unter Maßstäben qualitativer Bewertung, vielmehr
sollte ein Eindruck von der Vielfalt der Aktivitäten erweckt und
ein Anreiz zur Lektüre vermittelt werden. Besonders positiv ist die
Aktualität der Fragestellung und der Versuch einer kirchlich-theologischen
Integration der Diakonie hervorzuheben. Die Beiträge'
unterstreichen die Feststellung: Diakonie ist eine kirchliche Angelegenheit
.

Die Gesamtbeurteilung der vier Publikationen kann durchaus
positiv sein. Ihr informatorischer Gehalt ist unentbehrlich für Theologie
und Kirche, ihre theologische Fundierung konsequent und ihre
programmatische und prognostische Intention hilfreich.

Dieses Handbuch bietet nicht nur, wie im Klappentext vermerkt,
„Orientierungshilfe und Praxisanleitung", es ist eine Rechenschaftslegung
unter dem Evangelium, das nach der Christusqualität und
Christushoffnung unserer Liebe fragt. Diakonie will so zur Besinnung
kommen und vor einer praktizistischen Allerweltsgeschäftigkeit bewahrt
werden.

Für alle Bände stehen jeweils zahlreiche Autoren zur Verfügung.
Sie kommen vorwiegend aus der diakonischen Praxis oder aus leitender
diakonischer Verantwortung. Diese konkrete Einbindung in die
diakonische Arbeit gibt ihren Aussagen Farbe, Dichte, Anschaulichkeit
, Sachkenntnis. Erfreulicherweise kommt es nicht zu unkritischen
Lageberichten oder propagandagefärbten Erfolgsmeldungen. Man
spürt die Ernsthaftigkeit der reflektierenden Erörterungen über einen
Gegenstand der Liebe.

Schwächen dieser Editionen liegen in der fast unübersichtlichen
Zahl der Autoren (266) und der nicht immer abgestimmten Fächerung
der Beiträge.

Unausgeglichen ist auch eine gewisse Spannung zwischen dem Anspruch
eines Fachbuches und dem Charakter einer Festschrift. Gewiß
verdienen die durch Jubiläen ausgezeichneten Persönlichkeiten eine
repräsentative Ehrung, aber könnte diese nicht auch auf andere Weise
geschehen? Diese Männer der Diakonie würden es wohl verstehen,
wenn aus Gründen der Versachlichung die personalen und personellen
Bezüge aufgegeben würden.

Für die Zukunft wäre diesem verdienstvollen Unternehmen der
Publikationen über Diakonie eine noch strengere Konzentration
sowie noch geschlossenere Thematik zu wünschen, damit aus einer
gewissen Zerfaserung eine eindrucksvolle Einheit der Darstellung gewonnen
werden könnte.

Diese Einwände und Vorschläge erhalten ihr Gewicht nur im Rahmen
einer umfassenden Zustimmung und uneingeschränkten Empfehlung
.

Die vier vorgelegten Bücher dienen der theologisch bestimmten
Selbstbesinnung der Diakonie, der Information über Diakonie und
der Anfragen der Diakonie an Kirche und Gesellschaft. Sie sollten
bereitwillig aufgenommen werden.

Markkleeberg Heinz Wagner

Albert, Jürgen: Diakonik: Randfach mit zentralen Anliegen
(DtPfrB181, 1981 S. 110-112).

-: Heilstechnik oder Diakonie: Warum Diakonie so populär ist (Diakonie
6, 1980 S. 265-268).

Bach, Ulrich: Das annehmen, was Gott will. Die Vision vom
„Patienten-Kollektiv" Kirche (LM 20,1981 S. 124-127).

Krusche, Werner: Stellungnahme des Bischofskonvents zur Mutter-
hausdiakonie (Diakonie 6, 1980 S. 104-109).

Neubauer, Reinhard: Gesamtkirche und Einzelgemeinde, Anspruch
und Realität diakonischer Möglichkeiten (Diakonie 6, 1980
S. 269-175).