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Ausgabe:

1982

Spalte:

71

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Jacob, Günter

Titel/Untertitel:

Lob des Lebens 1982

Rezensent:

Lahr, Horst

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71

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

72

wenn Paulus sagt: Wir predigen nicht uns selbst, sondern Christus
Jesus (2Kor4,5).

Auf jeden Fall ist diese Untersuchung eine wesentliche Bereicherung
unserer Erkenntnisse über den Predigthörer und die Interaktion
zwischen Prediger und Hörer, vielleicht auch über die neuralgischen
Punkte derzeitiger Theorie. Ein Gesamturteil ist erst nach Band III
möglich.

Königswinter Henning Schröer

Jacob, Günter: Lob des Lebens. Predigten. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1979. 116 S. 8'. Lw. M 6,20; Ausland 9,-.

Die Predigten sprechen unmittelbar an. Man liest nicht nur. Man
hört. Das wird auch für diejenigen gelten, die vielleicht den Eindruck
haben, es sei an sprachlicher Aktualisierung etwas zu viel getan.

Die meisten der insgesamt 19 Predigten wurden in den Samariteranstalten
von Fürstenwalde und in der benachbarten Gemeinde von
Bad Saarow gehalten. Dort konnte, ähnlich wie in vielen anderen Gemeinden
, vorausgesetzt werden, daß jedenfalls ein Teil der Texte
(z. B. Matth. 11,28) den Hörern seit langem bekannt war - oder gar
allzu bekannt. Vf. hat darin die Herausforderung gesehen, gerade
auch in solchen Gemeinden die Texte neu aufzuschließen. Er macht
mit deren ursprünglichem Sitz im Leben bekannt. Er widersteht der
Gefahr, die Ursituationen einfach auf unsere heutigen zu übertragen.
Er erzählt so nach, daß der Hörer merkt, warum es sich auch für ihn
heute lohnt, sich diesen biblischen Zeugnissen anzuvertrauen. Besonders
eindrücklich ist mir das bei den alttestamentlichen Texten
geworden (sie machen die gute Hälfte aus).

Der Titel des Buches nimmt die Überschrift einer Predigt über
Jes. 38,9-13.17-20 (S. 79-84) auf. Wie in ihr an Hiskias Gebet der
ganze Ernst des Todes und die Fülle des von Gott neugeschenkten
Lebens angezeigt werden, so bewegen sich auch die anderen Predigten
im Kampffeld zwischen Gottes Verheißungen, Trauen auf sie und
gottwidriger Resignation. Die klein gewordene Gemeinde wird durch
Hinweise auf die vielen Möglichkeiten, die Gott gerade ihr schenkt,
ermutigt (so bis zu der aus Anlaß des 200. Geburtstages von J. E.
Goßner gehaltenen Predigt über Apg. 28,30-31, S. 107-113: „Zeugnis
in Freimut").

Die Anordnung in dem Buch folgt dem Kirchenjahr. Zur Predigtarbeit
nach der inzwischen eingeführten neuen Perikopenordnung
weise ich hin auf: S. 7-12 = Jes. 9,1-6 „Befreit zur Freude" (je(zt
Christvesper, Reihe IV); S. 13-17 = Psalm 121 „Behütung auf dem
Weg" (Altjahrsabend); S. 24-28 = Jes. 55,6-11 „Ermutigung für
Resignierte" (Sexagesimae, jetzt Reihe V); S. 29-34 = Jes. 50,4-9a
„Der Gottesknecht vor dem Tribunal" (jetzt Palmsonntag, Reihe
IV); S. 35-40 = Joh. 20,11-18 „Maria aus Magdala wird zu einem
neuen Leben befreit" (jetzt Ostersonntag, Reihe V); S. 41-45 =
Joh. 21,1-14 „Zwei Fischzüge" (Quasimodogeniti, Reihe III);
S. 46-51 = Joh. 21,15-19 „Die Gnade eines neuen Anfangs" (Miseri-
cordias Domini, jetzt Reihe V); S. 52-56 = Psalm 23 „Geleit durch
finstere Täler" (Psalm zu Mis. Dom.); S. 68-72 = 2. Sam.
12,1-10.13-14 „Gnade für David" (11. Stg. n. Trin., jetzt Reihe VI);
S. 73-78 = Luk. 7,36-50 „Zwischenfall bei einem Festessen" (jetzt
Reihe V zum gleichen Stg.); S. 96-100 = Luk. 18,1-8 „Allein den
Betern kann es noch gelingen" (Drittletzter Stg., jetzt Reihe V).

Ich sehe in den Predigten, die Günter Jacob „auch im
Ruhestand ... in den letzten Jahren mit einer gewissen Regelmäßigkeit
" halten konnte (Vorwort), eine Weiterführung seines leitenden
Dienstes an der Basis - „Basis" im Doppelsinn von Gemeinde und
Kirche auf deren tragendem Grund: dem neuschaffenden Evangelium
Gottes in Christus.

Potsdam Horst Lahr

Otto, Gert: Rhetorisch predigen. Wahrheit als Mitteilung: Beispiele
zur Predigtpraxis. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
1981. 139 S. 8 Kart. DM 19,80.

Predigten sind zwar zum Hören bestimmt,, aber Ottos Predigten fesseln
auch den Leser. Sie sind kommunikativ, interessant, unkonventionell
, und regen deshalb auch den an, der theologisch anders denkt
als Otto. Den 24 nach dem Kirchenjahr geordneten Predigten stellt
der Vf. fünf Thesen zur homiletischen Diskussion voran, die auf
Rückfragen zu seinem Buch „Predigt als Rede" (1976) eingehen. Der
katholische Homiletiker Ottmar Fuchs nimmt kritisch „Zu Gert
Ottos Predigtverständnis" Stellung (S. 109-140). Er sieht bei Otto die
Gefahr einer Entpersonalisierung Gottes und daraus folgend der
Moralisierung und Vergesetzlichung der christlichen Botschaft. Eindrücklich
erinnert der katholische Theologe an die Bedeutung der
Gnade! Ottos Grundthese, daß Wahrheit nicht zu haben ist ohne den
Prozeß der Wahrheitsfindung und der Mitteilung von Wahrheit
modifiziert Fuchs durch den Hinweis auf die „unableitbare Vorgegebenheit
" des Indikativs der Liebe Gottes vor dem Imperativ
menschlicher Liebe. Otto ist dafür zu danken, daß er nicht nur seine
Theorie überprüfbar macht, sondern sie auch einer theologisch fundierten
Kritik aussetzt. e. w.

Praktische Theologie:
Seelsorge/Psychologie

Scharfenberg, Joachim [Hrsg.]: Freiheit und Methode. Wege christlicher
Einzelseelsorge. Hrsg. u. eingel. von Joachim Scharfenberg.
Wien - Freiburg - Basel: Herder. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1979. 153 S. gr.8* = Sehen - Verstehen - Helfen. Pastoralanthropologische
Reihe, 1. Kart. DM 19,80.

Der Band enthält recht unterschiedliche Beiträge von acht Autoren
. Da eine gemeinsame Konzeption hier nicht vorliegt und die Aufsätze
auch unter anderem Titel oder einzeln in entsprechenden Zeitschriften
hätten erscheinen können, kann gefragt werden, ob es eine
glückliche Lösung war, die neue pastoral-anthropologische Reihe so
pluralistisch und wenig programmatisch zu eröffnen. Begrüßenswert
ist es aber, daß die Kooperation der beiden renommierten Verlage
sich auch in der Zusammensetzung der Autoren interkonfessionell
widerspiegelt.

Der am Anfang stehende Beitrag von K. Gastgeber über „Das
Methodenproblem in der katholischen Seelsorge" enttäuscht den
Leser allerdings etwas, weil er in seiner Kürze (6 S.) lückenhaft und
teilweise sogar fehlerhaft wirkt. Kann man z. B. pauschal sagen, „daß
die naturwissenschaftlich ausgerichteten Forscher S. Freud, A. Adler
und C. G. Jung mehr von der krankmachenden Wirkung der Religion
ausgingen" oder daß „zunächst die Aufnahme der Tiefenpsychologie
bei den katholischen Seelsorgern sehr gering" war? (S. 13). Man erfährt
nichts von dem sog. Wiener Kreis um Caruso, Daim und Niedermeyer
, von den katholischen Gesprächspartnern C. G. Jungs (V.
White, R. Hostie, G. Frei u. a.) oder von der Zusammenarbeit mit
katholischen Seelsorgern in der Stuttgarter Arbeitsgemeinschaft
„Arzt und Seelsorger" und ihren Veröffentlichungen. Wenn „Psychologie
der Religion" (Zürich 1940) als Jungs Hauptwerk bezeichnet
und dazu der Titel noch falsch zitiert wird, mißtraut man leicht auch
den anderen Angaben.

Wesentlich solider erscheint dagegen der Überblick über „Das
Methodenproblem in der evangelischen Seelsorge" von V. Läpple,
obgleich der Vf. seinen Versuch, das Riesman'sche Schema von dem
Nacheinander der „traditionsgeleiteten, innen- und außengeleiteten"
Gesellschaft als Rahmen für die geschichtliche Entwicklung der Seelsorgelehre
zu verwenden, selber als nicht ganz unproblematisch ansieht
. - Zum Verhältnis von „Phantasie und Realität in der seelsor-