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Ausgabe:

1982

Spalte:

921-923

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Karl Barth 1982

Rezensent:

Ritschl, Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 12

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schaft nicht der notwendige (und auch im Eschaton bleibende: Apk hörbar wird: die erkenntnistheoretische Schwierigkeit, die Barths

4,9-11) Hintergrund von Lob und Dank der Geschöpfe? Besteht Sicht von Weltwirklichkeit (auch menschlicher Natur und Entwick-

daher die Aufgabe nicht darin, Herrschaft und (allgemeine) Vater- iung) bereitet. In seinem großen Beitrag folgt dann unter dem Titel

schaft Gottes mit der Gemeinschaft in Gott zusammenzudenken? „Barth on the Centre of Theology" eine kritische Diskussion von

Gerade solches Miteinander dürfte auch für die Gestaltung und die Barths Ablehnung der Suche nach dem „Wesen des Christentums",

nicht zu vermeidenden Herrschaftsstrukturen jeder Gemeinschaft von Präsentiert nicht Barth mit der Christologie eben eine Neufassung

Menschen entscheidend sein. dieser alten Frage? Und wenn dies so ist, zeigt dann dieses Zentrum,

4. Die im Anschluß an Joachim von Fiore angenommenen Unter- dieses „Wesen" des Ganzen, genügend methodische Offenheit? Sykes,
Scheidungen im Schlußkapitel zwischen dem Reich des Sohnes und der gründliche Kenner von Theologie und Exegese des 19. und 20.
dem Reich des Geistes, zwischen Kindschaft und Freundschaft als Jahrhunderts, beklagt bei aller Zustimmung und Lernbereitschaft
unterschiedlichen Formen menschlicher Freiheit vor Gott können gegenüber Barth die methodische Engführung, ja das Ausblenden der
kaum überzeugen. Wieso kann das Reich des Geistes nicht mit dem Vielfalt neutestamentlicher Ermöglichungen zur Entfaltung theolo-
Reich des Sohnes (und damit mit dessen „Christförmigkeit", ins- gischer Systeme. Wird Barth hier doch als Konstrukteur eines mit
besondere seiner Kreuzesgestalt, 228) identifiziert werden (229)? Notwendigkeit sich darstellenden Systems interpretiert? Sykes erwägt
Wieso will Gott im Reich des Geistes „Kühnheit und ... Vertrauen diese Möglichkeit und vermutet in Karl Barths einseitig auf die Pre-
der Freunde" teilgebendes und teilnehmendes Sprechen in der Frei- digt bezogener kirchlicher Tradition ihren inneren Grund, denn ihr
heit der Liebe" aber nicht mehr die „Dankbarkeit der Kinder" und fehle das einen echten Pluralismus vermittelnde liturgische Leben,
das Gebet als Drängen des Kindes" haben? (238) Was auf den ersten David Fords Beitrag über Barths Bibelauslegung bestätigt und verBlick
als das Ergebnis allzu starker trinitarischer Systematisierung tieft, was R. Smend schon 1966 bei Barth „nachkritische Schriftausauszusehen
scheint, ist offenbar nicht ganz der alten joachimitischen legung" genannt hatte. Ford ist in jahrelanger Arbeit an primären und
Gefahr gegen die seit jeher katholische und-evangelische Theologie sekundären Quellen und im Kontakt mit Literaturwissenschaftlern zu
sich mit Recht wandten, entgangen: nämlich das Reich des Geistes als einem der besten Kenner der inneren Logik Barthscher Bibelaus-
geschichtlich-voreschatologische Möglichkeit in seinem Wesen von legung geworden. Er sieht in Hans Freis (und auch James Barrs) Be-
der Gestalt Christi und seines Reiches zu lösen. Gerade in der bleiben- griff der „story" und „real.st.c narrat.ve" das eigentlich struktur-
den Einbindung des Geistes in die Christusbeziehung liegt aber auch prägende und erkenntnisleitende Element in Barths Theologie. In
das sachliche Recht des abendländischen „f.lioque", und es ist M. der trotz aller theologischen Raffinesse und dogmatischen Reflexion
daher ausdrücklich zuzustimmen, daß ein Verzicht auf diesen Zusatz letztlich doch einfach erzahlbaren Aufeinanderfolge der Heilsereig-
im Bekenntnis nur zusammen mit einer sorgfältigen theologischen nisse (wobe. an diesem Wort nichts hangt), besonders der Kreuzigung
Interpretation legitim sein kann. und Auferweckung Jesu, hegt die Klammer für das Ganze und

Daß ein Buch neben vielen Einsichten, die es vermittelt, auch zu zugleich der Anlaß für berechtigtes Vermissen wesentlicher Themen

kritischem Weiterdenken herausfordert, ist von jeher als Zeichen be- ■ Barths Theologie.

sonderer Qualität angesehen worden. Dafür und daß Jürgen Molt- R H. Roberts' Analysen Barths Zeitverständnis führt zu sehr
mann uns mit diesem Werk neue Zugänge zu der alten Lehre von der kritischen Gesamturteilen, die man trotz der gelehrten Darbietung
Dreieinigkeit Gottes erschlossen hat. sei ihm ein ehrlicher Dank nicht auf allen Strecken als unvoreingenommen und der Entwicklung
gesagt Barths in dieser Thematik Rechnung tragend empfindet. Freilich verknüpfte
Barth Zeit und Ewigkeit nach der Analogie der hypostati-
Leipzig ulnch Kuhn sehen Union von Mensch und Gott, aber führte dies auch beim späteren
Barth wirklich zu einer Repression von Zeit und Menschlichkeit.
.... zu einer Verneinung der Realität und Weltlichkeit, zu theologischem
Sykes, S. W. [Ed.]: Karl B.rth - Studie* of his ThcoloR.«.! Methods. Totaljtansmus wje Roberts immer wiedcr ^ mocme, Roberts
Oxford: Clarendon 1979. IX, 204 S. 8' Lw. £ 10.-. „g, _ ^ mz anders a)s Ford _ doch noch außertheologische Be-
Die sechs Essays der vier befreundeten Autoren - anglikanische gründungszusammenhänge geltend machen, will also nicht in Barths
Theologen der jüngeren oder mittleren Generation in England - las- eigene Methode h.neinschlupfen. Dadurch wird sein Essay Interessen
an handwerklicher Präzision, dogmengeschichtlicher Expertise, sant. aber auch verwundbar.

Kenntnis der deutschen Sprache und Theologie sowie an dogma- Anspruchsvoll .stauch R. D. Wilhams Beitrag über Barths Trini-
tischem Scharfsinn nichts zu wünschen übrig. Das ist aus doppeltem tätslehre. Er unterscheidet - woh zu Recht - eine frühe „revelatio-
Orund erfreulich und erstaunlich. Zum einen ist Karl Barths Theolo- nale" und eine spatere „relational Ausformung der Trinitätslehre.
* zu seinen Lebzeiten im englischen Sprachbereich nur langsam und In beiden sieht er - entgegen Barths ntention - starke Spuren Hegelvielfach
auch in verzerrter Form rezipiert worden. Barth hatte nicht - scher Modelle und überhaupt ein Überwiegen kommumkatonscher
wie Brunner - einen guten Übersetzer, und seine frühen Bücher, ein- Interessen, knt.sjertjaber erstaunlicherweise nicht den damit zusam-
•OhUefiUd, KD l/l, der als einziger Band in schwer lesbarer Über- menhängenden M°dal»mus der Barthschen Trinitätslehre. Er gibt
*tzung vorlag, verwirrten britische und amerikanische Leser in ihrer der späteren Barthschen Lehre größere C hancen für die Lösung blei-
allgemeinen Unkenntnis der deutschen theologischen Situation nach bender Probleme, auch für die be, Barth zunächst vernachlässigte
1918. (Inzwischen ist freilich durch das große Übersetzungswerk von Lehre vom Heiligen GeisL (Ford vermutet im Schlußwort, dies wäre
Bromiley und Torrance der e.ne Nach.e.l wieder aufgehoben). Zum im ungeschriebenen Band V der Kirchl. Dogmat.k vielleicht zum
andern aber is, es erstaunlich, daß gerade anglikanische Theologen Ausdruck gekommenJ Williams nterpretation wirft auch ein Licht
^ne so ernsthafte Barth-Interpretation vorlegen, denn bislang hatten ^J^^^^J^^^ der andcrcn Bc'tr^
die Schotten sowie die Presby.enaner in Amerika (und Austra- nach Barths Real, atsbegriff nach dem ^glichen ,mp ,z„en Idealismen
/Neuseeland) ein konfessionell sozusagen natürlich gegebenes mus oder gar Ideolog.egehalt. kurz, nach der Tragfähigkeit oder min-

Mnn ■ r „ konlc*sloncl1 s Rar1hscn,r Theologie destens der ernsthaften Verwendbarkeit Barthscher Theologie Tür die

Monopol aul Rezeption und Interpretation Barthstncr i ncoiogic. 6 "™

Die hier vorgelegten Aufsätze sind im alten Haus neben der Käthe- Zukunlt.

Orale von Durham das Stephen Sykes bewohn,, verlesen und heiß dis- Die Lieratur über Karl Barth ,s, ,n Europa und ,n Amerika wieder

worden (w e so manche Referate von Studenten und ,n- und -m Wachsen begriffen. Durch den „sensus p.enior". den Barth da-

«usländischen Gästen). S. W. Sykes selbst beginn, mit einer wohl- durch erhalt, wird seine Theologie rezipiert werden Das von S. W.

dokumentierten Analyse der englisch-sprachigen Barth-Rezep,ion. Sykes herausgegebene Buch n.imt hier eine wichtige Stel.ung ein:

aus der schon ein Grundton der kritischen Anfragen dieser Sammlung hier sprechen nicht nur englisch-sprachige, sondern anglikanische