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Ausgabe: | 1982 |
Spalte: | 910-911 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Autor/Hrsg.: | Besier, Gerhard |
Titel/Untertitel: | Preussische Kirchenpolitik in der Bismarckaera 1982 |
Rezensent: | Hammer, Karl |
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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 12
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geht es sowohl um die im Protestantismus der Weimarer Republik be- mus-Verständnisses bei Emil Fuchs und seiner späten Absage an Nau-
stimmenden Kräfte der Beharrung wie um die sich im Zeichen des mann im Zeichen eines volksverbundenen DemokratiebegrifTs und
Aufbruchs formierende Minderheit. dem bewußten Festhalten an einer human akzentuierten biblischen
Kurt Nowak führt eingangs in die objektive und subjektive Situa- Motivation. Letztere betont ebenfalls Hans Moritz, der unter Rück-
tion der deutschen evangelischen Christen nach der Novemberrevolu- griff auf Fuchs' Autobiographie und frühe Schriften auch die Rezeption
1918 ein und entwirft sodann mit wissenschaftlicher Akribie ein tion des von Kant her verstandenen Schleiermacher durch Fuchs
farbiges Bild der Haltung der in der Weimarer Nationalversammlung beleuchtet.
vertretenen evangelischen Theologen. Dabei werden besonders die Der einzige Beitrag, der die Weimarer Zeit hinter sich läßt, stammt
starken Aktivitäten von Traub und Mumm einerseits, Naumann von Günter Wirt h. Er weist auf interessante politische Aktivitäten
andererseits analysiert, wobei neben beträchtlichen Unterschieden von Pfarrern und Theologen in der SBZ 1945-48 hin und zeigt, daß
auch die letztlich entscheidende gemeinsame Abgrenzung gegen die diese in der folgenden Phase von den sog. „Friedenspfarrern" aufge-
politische Linke hervortritt. Naumanns Bedeutung für die Sicherung griffen wurden, die damit Anregungen der Linie Stuttgart-Darmstadt,
überkommener kirchlicher Rechte in einem zuvor nicht erhofften die Wirth der Linie Treysa-Eisenach entgegenstellt, aufgriffen und
Ausmaß wird erkennbar. Die verhängnisvollen Irrtümer und Fehlent- weiterführten.
Scheidungen der konservativen protestantischen Mehrheit verdeut- Rostock Gert Wendelborn
licht BerntSatlow anhand einer Analyse der Jahrgänge 1919-21 des
Kirchlichen Jahrbuches, läßt aber auch ^^7^^^^"^ ßesier, Gerhard: Preußische Kirchenpolitik in der Bismarckära Die
Bemühen des Rostocker Neutestamentiers Fncdnch Buchsel und des ^ ^ ^ Evange,ischPcr Kjrche um eine n™™n°«
Münsteraner Kirchenjuristen Friedrich Koch um ein Wanrnenmen ^ kirchlichcn Verhältnisse Preußens zwischen 1866 und 1872
der neuen geschichtlichen Möglichkeiten durch die Kirche deutlich Mit ejnem Vorwort von K. Scholder. Berlin-New York: de Gruyter
werden. Walter Feurich zeigt, daß nach der Novemberrevolution in 1980 XIII, 608 S. gr. 8" = Veröffentlichungen der Historischen
der sächsischen Landeskirche die konservativen Kräfte zunächst in Kommission zu Berlin, 49. Lw. DM 176,-.
die Defensive gedrängt waren. Da die Sächsische Evangelisch-Soziale
Vereinigung und die sächsische Landesgruppe der Kirchlich-Sozialen Ist das, rechtzeitig zum „Preußen-Jahr" und zur Flut ost-westlicher
Konferenz geleitet von Johannes Herz und Alfred Jeremias, jedoch Historiker-Publikationen erschienen, nun auch der Beitrag des Kir-
die ,hnen anfangs gegebene Chance, einen wirklichen kirchlichen chenhistonkers? Nun, die bereits 1976 vom Tübinger Fachbereich für
Neuanfang anzustreben nicht nutzten, sondern sich von kirchenlei- ev. Theologie angenommene und unter der Ägide von Klaus Scholder
tenden Interessen bestimmen ließen und die Verteidigung klerikaler entstandene Dissertation ist frei von solchen Spekulationen. Dennoch
Anliegen zum Leitmotiv ihres Handelns machten, kam es an Stelle gibt sie gegenwartig die m. W. einzige adäquate und nötige Ergän-
eines Neuanfangs zu einer der Rechten dienenden „Überleitung". zung jener säkularen Literatur„schwemme" und -nostalgie zum
Scharfsinnig ist auch Hans-Jürgen Gabriels Polemik gegen Fried- Thema „Preußen", die den ehedem durchaus wesentlichen kirch-
rich Gogartens Position in den Zwanzigerjahren. Gabriel legt Wert auf liehen Bereich mehr oder weniger ignoriert, als hätte es ihn gar nicht
die Feststellung, daß die „dialektisch"-theologischen Aussagen bei gegeben - ebenso wie d.e Literatur zum Thema Kolonialismus die
Barth im politischen Kontext eines Sozialreformismus, bei Gogarten Missionsarbeit gewöhnlich mit Schweigen übergeht,
aber in dem des Jungkonservatismus standen und dadurch eine dispa- Andererseits ist frei ich zu fragen, ob der Vf. nicht gelegentlich in
rate gesellschaftliche Funktion erhielten. Er zeigt, daß Gogarten schon den umgekehrten Fehler verfallt, indem er etwa einen so weitreichen-
am Vorabend des 1. Weltkrieges Arthur Bonus und Eugen Diederichs den Schluß zieht wie den: „Als ,m Oktober 1858 Wilhelm I. für seinen
nahestand und seit 1929 präfaschistische Bestrebungen der Jung- in geistige Umnachtung gefallenen Bruder die Regentschaft über-
----y----.......—- her Demokratie nahm, hatte keine Institution in Preußen so unverändert die po
konservativen in dezidierter Ablehnung von bürger ic e ^ ^ tischen Erschütterungen der vergangenen 18 Jahre überstanden wie
und Sozialismus kräftig auch literarisch unterstutzte. mjo^alsozja die preußische Landeskirche" (S. 37), ohne doch auf vergleichbare
Nachweis, daß Gogartens zeitweise Zuwendung zum a »«-j ,nstitutjonen überhaupt irgendwo einzugehen,
lismus bei bestimmten Vorbehalten folgerichtiges rge ^ ^ pott Interesse, das den gegenwärtigen literarischen und
schon in den Zwanzigerjahren eingenommenen Stan ^"^^^ musealen Präsentationen des alten Preußen entgegengebracht wird,
voll gelungen sein, zumal er die z.T. nicht unbetrac t '^".^.^ auf überträgt sich beim historisch orientierten Theologen fast automa-
bungen seines Denkens nicht übersieht, sondern sie einer tiscn auf ejn Buch wie dieses, das die Jahrhundertdiskussion „um eine
hellt. Als besonders verhängnisvoll erwies sich die e^ <£^Thmm Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse Preußens" im 19. Jh. schon
antiaufklärcrischen Grundgesinnung mit der 'nimer i sordnung jm Titel trägt, diese allerdings in den Hauptteilen in die sechs Jahre
Forderung nach einem starken Staat als einer Sc op ung^ ^ ^ zwischen 1866 und 1872 hineinzwängt. Das ist wohl Dissertationsunter
nachträglicher Einbeziehung des Volkstumsge^ Sti, ejn Thema zeitlich möglichst abzugrenzen und dennoch einen
einer um den Entschcidungsgcdankcn kreisenden, e z i dicken Wälzer vorzulegen, der über die zeitliche Abgrenzung weit
zistischen Geschichtsschau, b den Aufsätze hinausgreift. Aber die betreffenden Autoren sind dann gewöhnlich in
Was die Kräfte des Aufbruchs betrifft, so sind die ei ejgenen Gefahr, zu weitreichende Konsequenzen aus dem gesammelten
von Herbert Trebs von besonderer Bedeutung. In mch. Aktenmaterial zu ziehen.
vorbildlichen Präzision in gesellschaftswissenschalt ic Briwi F)ügels Gerhard Besier tat darum gut daran, vor seine drei Hauptteile, in
keit zeigt er das Vorwärtsweisende an der Haltung des in denen die Jahre ig66_72 (1) aus der Diskussion um die preußische
der „religiösen Sozialisten" auf, ohne ihre Grenzen zu^ ^ Union, (2) um die Fortbildung der preußischen Synodalverfassung
Während ihr rechter Flügel den Sozialismus theologisiercn ^ ^ ^ ^ Kirchenpolitik der preußischen Staatsrcgicrung betrachtet
dabei über einen vagen kleinbürgerlichen Sozia,l-*m."s °^ csses werden, noch einen, etwas kurz geratenen „Rückblick auf die
hinauskam, wurde der linke Flügel im Zuge seines ^J^f'^^ war Entwicklung der preußischen Landeskirche von den Stein/Harden-
zu einem Bündnispartner sozialistischer politischer raberg-schen Reformen (1807) bis zum preußisch-österreichischen
es eine subjektive Täuschung, wenn sein: Reprasentan^e^^^ ^ (rf,, (1866)" (S. 8^*2) zu schieben. Ob dieser dem gewichtigen
als Sozialisten verstanden, aber sie waren chn aufdie Thema der Einführung der Union und dem Agendenstreit, dem fol-
als erste in der Kirche den politischen Horizont in to« genden Umbruch unter dem „Romantiker" Friedrich Wilhelm IV.
sozialistische Perspektive überschritten und dabei IC^".f prozeß und der wiederum neuen Ära unter Wilhelm 1. gerecht wird - was
rting der Kirche nicht aus dem Auge verloren. Den ei . dj DiskUSsionen auch in den folgenden Jahrzehnten noch weitgehend
dieser Christen erhell. Trebs auch anhand der Genese des Impena.is