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Ausgabe:

1982

Spalte:

855-857

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Archiv für Liturgiewissenschaft, Band XX/XXI 1982

Rezensent:

Beckmann, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 11

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Im Abschnitt C: Vertiefung und Strukturierung (S. 151-220), zeigt
Vf. anhand späterer Arbeiten, wie A. auf der Grundlage seiner eucha-
ristischen Ekklesiologie weitere Fragenkreise entfaltete: das Verhältnis
von Einheit und Vielheit der Kirche, ihre innere Struktur, das
Phänomen des Konzils und die Lehre von den Sakramenten. Die Vielheit
von Verkörperungen des Wesens der Kirche führt A. zur Annahme
unterschiedlichen Autoritätsverständnisses. Dabei ist auch ein
Primat der Liebe und des Zeugnisses nicht auszuschließen, wohl aber
ein Primat der Macht oder Ehre. Ausgehend von der grundlegenden
Gleichheit aller Glieder und deren Verschiedenheit nach Gabe und
Dienst erweist sich für A. das hierarchische als besondere Form des
allgemeinen Priestertums, als Fortsetzung des apostolischen Charisma
, dessen Aufgabe im ergon diakonias, insbesondere im Vollzug
der Eucharistie besteht. Der Unterschied ist nicht ontologisch, sondern
funktional. Dabei verdankt A. wesentliche Anstöße den Werken
S. Bulgakovs, aber auch A. v. Harnacks und R. Sohms.

Im Abschnitt D: Ansätze einer kritischen Würdigung (S. 221 bis
252), kommt Vf. zu dem Ergebnis, daß sich A.s Ekklesiologie zwar
als Weiterführung „neurussischer" theologischer Traditionen erweist,
zugleich aber an die im deutschen Protestantismus des 19. und 20. Jh.
geführte Debatte um den sog. „Frühkatholizismus" anknüpft. Nicht
nur das II. Vaticanum hat auf den eucharistischen Ansatz der Ekklesiologie
zurückgegriffen. A.s Ekklesiologie könnte Ergänzungen zur
traditionellen Ekklesiologie fast aller Kirchen leisten, sei jedoch auch
selbst ergänzungsbedürftig.

Vf. weiß, daß er partielle Ergebnisse erzielte und entscheidende
Fragen noch ihrer Beantwortung harren. Seine Arbeit hat Grundlagen
geschaffen, die zum kritischen Mit- und Weiterdenken anregen.

Berlin Hans-Dieter Döpmann

Praktische Theologie:
Liturgiewissenschaft

Archiv für Liturgiewissenschaft. Band XX/XXI 1978/1979, hrsg.
von A.A. Häussling. Regensburg: Pustet 1979. 440 S. gr. 8". Lw.
DM 136,-.

Der neue Band des Archivs hat einen neuen Herausgeber. Der langjährige
bisherige Herausgeber, E. v. Severus, hat sich in die „Mitarbeit
" zurückgezogen, und sein Nachfolger heißt Angelus A. Häussling
OSB. Er ist den Lesern des Archivs kein Unbekannter. Auch in
dem ersten Band, der von ihm herausgegeben wird, erscheint er nicht
nur als Bearbeiter eines Abschnittes der Literaturberichte, sondern
auch mit einem Aufsatz.

Der erste Hauptteil, die Aufsätze, enthält insgesamt (neben zwei
Miszellen) fünf beachtenswerte Darbietungen aus den weiten Bereichen
der Liturgiewissenschaft.

Am Anfang steht ein Aufsatz (dem ein Vortrag zugrunde liegt) von
Fairyvon Lilienfeld, der sich mit den Segenshandlungen der Ostkirche
befaßt, und zwar unter dem Thema: Eulogia und eulogein im
gottesdienstlichen Handeln der orthodoxen Kirchen. Ausgehend von
den Schwierigkeiten des Themas „Segen" in der Ostkirche, bringt sie
eine ausführliche Darstellung des „Segens" in der orthodoxen Eucharistiefeier
und im Stundengebet. Danach geht sie zu den Scgenshand-
lungcn im „Hagiasmatarion" sowie im großen Euchologion über.
Hier zeigt sich die überaus große Fülle der Scgenshandlungcn in der
Ostkirche. Es gibt aus den Bereichen des menschlichen Lebens eigentlich
nichts, was nicht zum Gegenstand einer Segnung gemacht wird.
In der Tat, diese Kirche versteht sich besonders als eine „segnende
Kirche". Ihr Auftrag ist es, die ganze Breite der Lebensverhältnisse
unter den Segen Gottes zu bringen und den Menschen dadurch Trost
und Kraft zu spenden. Im Schlußteil bringt die Vfh. noch beispielsweise
zwei besonders wichtige Segcnshandlungen: die Segnung der
Brote und die „Große Wasserweihe" am Epiphaniasfest.

Der folgende Aufsatz (Antrittsvorlesung) von Arnold Angenendt
behandelt ein interessantes kirchenhistorisches Thema: Religiosität
und Theologie. Ein spannungsreiches Verhältnis im Mittelalter. Er
handelt von der früheren Zeit des Mittelalters zwischen dem 9. und
12. Jh., die sich sowohl von der vorhergehenden Spätantike wie auch
dem hohen Mittelalter der Scholastik erheblich unterscheidet. Die
Theologie scheint „verdunkelt", die „Religiosität" beherrschend,
aber nun gerade von Gefühlen, Gedanken und Inhalten durchzogen,
die allerlei Fragwürdiges enthalten. Der Vf. zeigt dies an der „Allmacht
des Numinosen", dem Gottesbild, der Vorstellung vom Teufel
wie vom Menschen. Besonders wichtig ist der „asketische Gottesmann
" in dieser Zeit für Verdienste und Heilsmittlerschaft, für Sakra-
mentsspendung und Priestertum. Die „Volksfrömmigkeit" dieses Zeitalters
erscheint als ein wenig geläutertes Christentum. Es fehlt an theologischer
Arbeit und deren Einflüsse auf das christliche Leben im Alltag.
Der sehr eindrucksvolle Artikel schließt mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit
, dieses Zeitalter auch liturgiegeschichtlich gründlicher als
bisher zu bearbeiten. Die Erforschung der Zeit zwischen Gregor (t 604)
und Anselm (t 1109) bedarf der gründlichen Erschließung.

Der dritte Aufsatz ist von Karl Josef Benz und handelt von dem
Straßburger Adventsstreit von 1038 unter dem Thema: Kaiser Konrad
II. (1024-1039) als kirchlicher Herrscher. Mit großer Sorgfalt
werden die Quellen dieses interessanten Vorgangs erläutert und die
Folgerungen daraus gezogen. Der Adventsstreit ging um die Frage, ob
der 4. Advent auf den 24. Dezember, falls Weihnachten auf einen
Montag fällt, gelegt werden muß oder schon einen Sonntag vorher zu
begehen ist. Kaiser Konrad stößt auf die Straßburgcr Sitte, daß der
1. Advent schon am 26. November gefeiert wurde, während er der
Ansicht war, der I. Advent müsse in diesem Fall erst am 3. Dezember
begangen werden. Ergreift persönlich ein, beruft im Kloster Limburg
(a. d. Haardt) eine Synode der Region und läßt im Interesse der Einheit
der Liturgie und der Kirchenjahrsfeier im Deutschen Reich dort
beschließen, daß überall mit den Adventssonntagen einheitlich zu
verfahren ist: Fällt Weihnachten auf einen Montag, so beginnt die
Adventszeit mit dem 3. Dezember (I. Advent). Beachtlich ist für den
Vf. das Interesse des Kaisers Konrad für die Einheit der Liturgie in
seinem Reich. Sein Eingriff zeigt, daß er, wie auch andere Kaiser, sieh
als „kirchlicher Herrscher" gefühlt hat.

Ein sehr wichtiges theologisch-liturgisches Thema erörtert nun der
Herausgeber A. Häussling: Normen der Häufigkeit liturgischer
Feiern. Dies Thema ist heute wieder aktuell, wo man in der Christenheit
vor der Frage steht, was es überhaupt mit der Forderung nach
häufigerem regelmäßigem Gottesdienstbesuch ist. Gibt es überhaupt
„Normen" für die Häufigkeit der Eucharistiefeier oder von sonstigen
Gottesdiensten? Bestimmt hier nicht nahezu selbstverständlich die
Tradition? Hat man sich über die „rechte Ordnung" der Gottesdienste
in bezug auf ihre Häufigkeit (täglich, sonntäglich, festtäglich usw.)
Gedanken gemacht? Unser Vf. unternimmt es, hierüber pastoraltheologisch
und liturgisch zu handeln. Er erörtert den Grundvorgang der
Liturgie (Anamnese Christi) und unterscheidet für die Frage der Häufigkeitsnorm
Eucharistie und Stundengebet. Er sieht das Regulativ
nicht in „Motiv und Motivierung", sondern im „Anlaß". So kommt
er zu drei Häufigkeitsnormen: Situationsändcrnde Anlässe im Lebensbereich
der Orts- (Personal-) kirchc, Verminderung der Häufigkeit
und der steigenden liturgischen Wertigkeit des Gottesdiensttyps,
UnStatthaftigkeit des Gottesdienstes, wenn die Proportionalität der
Grundakte kirchlicher Selbstvcrwirklichung nicht gewahrt bleibt
(wenn die Liturgie nicht mehrGlaubcnszeugnisscin kann).

Der letzte Aufsatz handelt von einem Geschehen in der Schweiz
während des letzten Jahrzehnts: „Volkswidcrstand gegen die Abschaffung
religiöser Feiertage in der Schweiz" von Walter Heim
SMB. Es geht um den Kampf in zahlreichen Kantonen um die Frage,
ob und welche kirchlichen Feiertage der Tradition entbehrlich sind,
vor allem auch deswegen, weil sie praktisch nicht mehr „kirchlich"
gefeiert werden, sondern „weltlich". Die Darstellung zeigt die Fülle
der Gegensätze und Ideen bei der in den Kantonen üblichen Abstim-