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Ausgabe:

1982

Spalte:

845-846

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Giovanna della Croce, Gerhard Tersteegen 1982

Rezensent:

Jaspert, Bernd

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Seite 1

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845

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 11

846

d. h. mit den nach katholischer Auffassung wichtigsten Stellen für eine
biblische Begründung der Notwendigkeit des Sündenbekenntnisses
und der besonderen Absolutionsvollmacht der Bischöfe und Priester,
anerkennt das Beichten vor dem Priester als sehr alte Sitte und bietet
bei den Ausführungen über die Beichte zur Versöhnung mit der
Kirche, über die kirchliche .iurisdictio' und über die Kirche als Ort
der Sündenvergebung Gesichtspunkte, die in der katholischen Lehre
über das sakramentale Bußverfahren eine Rolle spielen (ekklesio-
logischer Aspekt der Sünde und der Sündenvergebung, richterliches
Tun der Kirche, nicht nur kirchlich-irdische Bedeutung der Rekonzi-
liation)"(46f).

3. Hinsichtlich der Buße stellt Schützeichel in seiner spezifisch theologiegeschichtlichen
Studie über das Tridentinum fest, daß in den
Konzilscanones Calvin (als theologischer Gegner) „nie ausdrücklich
genannt" wird. (74) Dieses war ein Symptom im Rahmen der päpstlichen
Anweisung, daß „nicht die Personen der Reformatoren ...,
sondern nur Elemente ihrer Lehre" verurteilt werden sollten. Dieses
erachtet Schützeichel für erleichternd im Rahmen des gegenwärtigen
ökumenischen Dialogs.

4. Hinsichtlich der Krankensalbung möchte der Vf. festhalten, daß
Calvin die hier angefragte Stelle Jak. 5,14-15 „rein charismatisch"
interpretierte (98) und „deshalb in diesem Text keine Grundlage für
das Sakrament der Krankensalbung" sah. „Er unterzog die damalige
Sicht und Praxis der letzten Ölung einer scharfen Kritik, die nicht
völlig unberechtigt war." Aber in folgendem stimmen Calvin und
Hauptelemente römisch-katholischer Auffassung auch wieder zusammen
: „Er entwickelte zugleich seine Vorstellung von der amtlichkirchlichen
Sorge für die Kranken. Er gebot Diakonen die Krankenpflege
und den Pastoren den geistlichen Beistand durch den Trost mit
dem Wort Gottes. Er billigte auch die Feier des Abendmahles bei den
Kranken." (a. a. O.)

5. Hinsichtlich der Theologie der Ehe möchte der Vf. feststellen
(127). daß trotz Ablehnung eines ..sakramentalen Verständnisses)"
Calvin „die Ehe theologisch, christologisch. christologisch-ekklesio-
logisch und ekklesiologisch" sieht. Letzteres wird von Schützeichel so
interpretiert, daß auch Calvin die Ehe „durch seine Eheordnung und
seine Trauliturgie an die Kirche bindet".

Die Dinge sind klar: Der Verfasser möchte durch seinen theologiegeschichtlichen
Beitrag das katholisch-evangelische Gespräch über
die Sakramente neu in Gang bringen. Er hat ein übriges Mal durch
seine Deduktionen gezeigt, daß man in der Vorklärung oder zumindest
Mitklärung dazu das gemeinsame Verständnis der Ekklcsiologic
und spezifisch des Amts- und Dienstbegriffs nötig hat. So erwarb sich
Schützeichel ein hohes Verdienst um die Präzisierung der uns heute
gemeinsamen Fragesituation.

Berlin Joachim Roggc

Crooc, Giovanna della: Gerhard I erstiegen. Neubclcbung der Mystik
als Ansatz einer kommenden Spiritualität. Bern - Frankfurt/M. -
Las Vegas: Lang 1979. I80S. 8'= Europäische Hochschulschriftcn.
Reihe 23: Theologie. Bd. 126. Kart. sfr32.-.

Angeregt durch die Arbeiten des Tersteegcn-Forschers Winfried
/.eller, legt hier die Mailänder Karmelitin Giovanna della CfOCC
(Gerda von Brockhusen) erstmals den Versuch vor, den rheinischen
Pietisten Gerhard Tersteegen (1697-1769) wahrhaft ökumenisch zu
verstehen, d. h. die zu einem großen Teil in die Geschichte der katholischen
Frömmigkeit verschiedener Zeiten zurückreichenden Wurzeln
seines Werkes adäquat zu würdigen und zugleich seinen genuinen
frömmigkeitsgeschichtlichcn Ansatz als eine wesentliche Hilfe zu
einem Leben echter christlicher Spiritualität über die Konfessionsgrenzen
hinweg zu verstehen. Damit weist die Vfn. zum einen die von
Forsthoff und anderen aufgestellten Vorurteile zurück, wonach
Tcrstcegens Mystik z. B. einzig als heidnischen Ursprunges zu definieren
sei. /um anderen korrigiert sie den letzten großen Versuch pro-

testantischerseits, Tersteegen zu verstehen, nämlich Cornelis Pieter
van Andels Arbeit über Leben und Werk Tersteegens (Neukirchen
1973), insofern dieser durch eine seltsame, im Reformiertentum wurzelnde
Engführung der Gedanken das Heiligkeitsverständnis des Pietisten
nicht so zu würdigen vermochte, wie es z. B. lutherischer- und
katholischerseits durchaus möglich ist. Vor allem räumt die Vfn.
damit auf, Tersteegen mit falschen Prämissen, die aus dem Konfessionsdenken
herrühren, anzugehen. Sie zeigt vielmehr auf, daß er verschiedene
genuine Strömungen des gesamten Christentums in seinen
Gedanken und Taten so miteinander zu vereinigen wußte, daß er als
einer der - noch unentdeckten - Bahnbrecher moderner Ökumene
gelten kann. Aber nicht einem Synkretismus begegnet man bei ihm,
sondern die durchaus zu beobachtende Strenge seines protestantischen
Schriftprinzips ist der unverrückbare Maßstab seines Denkens
und Handelns.

Die Vfn. gelangt in ihrem grundlichst aus dem gesamten Quellenmaterial
erarbeiteten Werk zu dem Ergebnis: „Tersteegens Wort und
Schriften vermögen heute wertvolle Ansatzpunkte zu bieten für ein
vertieftes Nachdenken über das Wesen der christlichen Existenz als
gelebtes Zeugnis der evangelischen Frohbotschaft in der Welt"
(S. 161). Angesichts der „heute die christliche Meditation bedrohenden
Beeinflussung durch östliche Transzendenz-Systeme bietet
Tersteegens Christozentrismus mit der Aufforderung, den Glauben in
geschichtlicher Dimension als Nachfolge des gekreuzigten Christus in
die Tat umzusetzen, einen nicht übersehbaren Ausgangspunkt, den
Menschen unter Gottes Gnadenanruf zu stellen" (ebd.). Vor allem
vermag Tersteegen mit seiner an Paul Tillich erinnernden Korrelationsmethode
und seinem ganzheitlichen Denken von Theologie und
Frömmigkeit Wege zu einer ökumenisch-gemeinsamen Gottsuche
und Gotteserfahrung aufzuzeigen, die so aktuell sind wie kaum je zuvor
in der Geschichte der Christenheit.

Zu diesem Ergebnis gelangt die Autorin in vier Teilen ihres Buches:
I. „Leben als Zeugnis. Tersteegens Leben und schriftstellerisches
Werk"; 2. „Vorkämpfer des kontemplativen Lebens. Tersteegens
Spiritualität" - hier werden vor allem seine Darstellungen der zahlreichen
katholischen Heiligenviten untersucht: 3. „Der Gottesge-
dankc. Bibel und Mystische Theologie" - der Zentralabschnitt des
ganzen Buches, in dem im Anschluß an Zeller u. a. Tersteegen als
Theologe gewürdigt wird, und zwar derart, daß er künftig nicht mehr
leichtfertig als „theologischer Laie" abgetan werden kann; 4. „Das
pastorale Anliegen - Contemplatio und actio". - Als Corrigenda seien
vermerkt: S. II. 2. Z.v.u.: Ritsehl: S. 12, I.Z.v.o.: Cornelis: S. 24,
9. Z.v.u.: überschwengliche: ebd.. 14. Z.v.u.: Van Andel; S. 176,
13. Z.v.u.: Lutherische.

Insgesamt kann della Croce"s Werk als die heute gültigste Darstellung
von Leben und Werk Tersteegens gelten, und wir freuen uns, daß
sie gerade von einer katholischen Autorin stammt, die mit kritischem
Verstand und innerer Anteilnahme zugleich aufgezeigt hat. welch verborgene
Schätze für Theologie und Kirche am Ende des 20. Jahrhunderts
in diesem großen Anreger der Frömmigkeit des 18. Jahrhunderts
der weiteren Entdeckung durch die ökumenische Theologie noch
harren.

Borken-Arnsbach Bernd Jaspcrt

Systematische Theologie: Allgemeines

Ruinsch. Manfred, u. Jobst Schöne [Hrsg.]; Die eine heilige christliehe
Kirche und die Gnadenmittel. Ein Tagungsbericht. Erlangen-
Martin-Luthcr-Verlago. J. [1981] 198 S. 8 Kart. DM 9.-

Das Buch enthält die Referate einer von der Selbständigen Evangelisch
-Lutherischen Kirche in der BRD und der Lutherischen Theologischen
Hochschule in Obcrursel veranstalteten internationalen
Tagung anläßlich des Jubiläums von CA und Konkordicnbuch. Von