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Ausgabe:

1982

Spalte:

843-845

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Schützeichel, Heribert

Titel/Untertitel:

Katholische Calvin-Studien 1982

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 11

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Feld (41), sondern auch bei den englischen Vorläufern von Perkins
(Tyndale. Bradford. Chaderton. Greenham).

Ein besonderer Schwerpunkt in der vorliegenden philosophischen
Dissertation ist die Darstellung der Vermittlerrolle von Perkins selbst.
Der ursprüngliche Titel der in Oxford 1976 eingereichten Hochschulschrift
enthielt auch seinen Namen im Zusammenhang mit seinem
Verständnis des rettenden Glaubens (Saving Faith, VII). Perkins' einschlägige
Schriften werden untersucht und zitiert. Als dessen Vermächtnis
für die weitere englische Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte
bezeichnet Kendall wiederum das am Lebensvollzug bewährte
Verständnis der Prädestination (experimental predestinarian
tradition, 76). Deutlich weist der Vf. die Kluft zwischen den großen
reformierten Reformatoren auf. so daß sich nach seiner Sicht die
These nicht mehr halten läßt. Calvin, Beza und Perkins seien "the
trinity of the orthodox". Perkins' Vermächtnis wurde schließlich in
der Westminster Assembly sanktioniert (credal sanction), so daß der
Schwerpunkt der vorliegenden Studie weit über die Untersuchung
eines einzelnen Theologen hinausgeht.

Im nächsten Kapitel werden eine Reihe von Zeitgenossen Perkins"
thematisiert (Baynes, Sibbes, Cotton, Preston, Hooker). Bei ihnen findet
Kendall nichts weiter als neue Spielarten der von Calvins geistgewirktem
Glaubensverständnis abweichenden Sclbstvcrgewisserung
durch menschlichen Aktivismus. Ähnliches Konstatiert der Verfasser
für die Kontrahenten in Holland, auch in Zusammenhang der Dord-
rechter Synode, für die Theologie von Arnes, den er für New England
als überaus wirkungsvoll und als einen der großen Väter des Purita-
nismus bezeichnet. (164) Arnes' Voluntarismus, sein Bußverständnis
als Kriterium Tür den Glaubensbegriff (a. a. O.) sind weithin prägend
re wesen.

Aus dem allen fließen Theologie und Frömmigkeit der Westminster
Assembly. Sie sind ohne den Rückbezug auf Perkins, Beza und Arnes
nicht verständlich. (208) "The Westminster divines retained the experimental
way of thinking which is more complicated than Calvin's
sim ple idea. that 'Christ is better than a thousand testimonies to me"."

Kendalls These ist scharf profiliert. Er hat sehr dankenswerterweise
auf eine folgenschwere Entwicklung im Calvinismus aufmerksam
gemacht, die man nach seiner Ansicht gar nicht mehr als Calv inismus
bezeichnen sollte. (VIII) Ob die überaus kräftig herausgestellte
Summe der Beobachtungen und der behauptete Kontrast in allen
Punkten quellenmäßig bewährt werden können, mag angefragt werden
. Auf jeden Fall reizt der Vf. dazu, der gezeigten Spur aufmerksam
nachzugehen.

Berlin Joachim Roggc

Schützeichel. Heribert: Katholische Calvin-Studien. Trier: Paulinus-
Verlag 1980. 136 S. gr. 8" = Trierer Theologische Studien. 37. Kart.
DM 24,80.

Erfreut und dankbar wird seit Jahren von evangelischen Reformationshistorikern
der Beitrag römisch-katholischer Kollegen zur
Kenntnis und als Aniaß zur Weiterarbeit genommen. Schützeichel,
rege beteiligt an den Internationalen Calvinforschungskongressen in
Amsterdam I974und 1978 (siehe dazu den dritten Beitrag des vorliegenden
Buches, 49-74), legt in Aufsatzform Fünf in sich selbständige
Studien vor. die - zum Teil in etwas modifizierter Gestalt - bereits an
anderer Stelle veröffentlicht worden sind. (129) Das bezieht sich auch
auf den einzigen Beitrag, dessen Drucklegung nicht notiert worden ist.
„Calvin in den Trienter Beratungen über die Buße im Jahre 1551"
wurde 1980 in dem Berichtsband eines der o. g. Kongresse publiziert
(Calvinus Ecclesiae Doctor. Hrsg. von W. H. Neuser. Kampen o. J.,
111-144).

Schützeichel hat bereits eine Monographie (Die Glaubenstheologie
Calvins. Ismaning/München 1972) veröffentlicht, worin er die allgemeine
Sakramentenlehre und damit Hauptkontroverspunkte zwischen
Calvins und römisch-katholischer Theologie abhandelt. Die

Kenntnis dieses Buches wird in den hier vorgelegten Studien vorausgesetzt
. Der Verfasser bezieht sich häufig auf die darin niedergelegten
Ausführungen (siehe Register 135).

Obwohl die einzelnen Studien je für sich gut les- und verstehbar
sind, gehören sie doch nicht allein thematisch, sondern auch begrifflich
und in dem Ergebnisgefälle eng zusammen. Im Grunde stimmen
alle fünf Aufsätze darin zusammen, daß der Verfasser I. die „vier von
Calvin abgelehnten Sakramente der Firmung, der Buße, der
Krankensalbung und der Ehe" (Umschlagformulierung) behandelt, 2.
„Ausführungen Calvins . . . referiert und im Lichte der Heiligen
Schrift, der Dogmengeschichte, der amtlichen Lehre der katholischen
Kirche, der neueren Fragestellungen und der nachkonziliaren Reform
der Liturgie der Sakramente beurteilt" (7), 3. „die Kenntnis der
Gedankengänge Calvins" und den „ökumenische(n) Dialog über die
genannten Sakramente" fördert sowie 4. den durchgehend „ekklesio-
logischen Charakter" (z. B. 27) der Sakramcntenlehre Calvins herausstellt
. Durch letzteres sieht Schützeichel einen hohen Grad der Gemeinsamkeit
zwischen Calvinischer und römisch-katholischer Auffassung
gewährleistet.

Die fünf Studien haben folgende Überschriften: I. „Calvins Kritik
an der Firmung". 2. „Die Beichte vor dem Priester in der Sicht Calvins
", 3. Formulierung siehe oben. 4. „Krankensalbung und Kran-
kenseelsorge in der Sicht Calvins", 5. „Calvins Theologie der Ehe in
ökumenischer Betrachtung". Ein Bt itrag über die Priesterweihe fehlt,
obwohl Calvins Stellung dazu implizit aus den Voten über die anderen
Sakramente hervorgeht. Abdrucknachweise (129) und ein alte und
zeitgenössische Autoren einbeziehendes Personenregister (131-136)
erhöhen den Aufschluß des vorliegenden kleinen Bandes.

Der Vf. nimmt in großer Zahl in einem ungewöhnlich reichen Anmerkungsapparat
Gedanken zeitgenössischer Calvininterpreten zustimmend
oder kritisch auf. Wenn eine Reihe bekannter evangelischer
Calvin-Forscher in der Zitation fehlen (Moltmann. der immerhin
1959 auch einen Band „Calvin-Studien" veröffentlicht hat. Niesei,
Locher. Neuser - mit Ausnahme eines allgemein gehaltenen Zitats -,
Büsser. Fatio u. a.), dann wird der Vf. dieses sicher damit begründen,
daß sich diese nicht expressiv verbis mit den Themen befaßt haben, an
deren Durchklärung ihm liegt.

Die fünf Studien bieten mit vielen sorgfältig eingebrachten Belegstellen
theologiegeschichtlichcs Material von der Bibelcxcgese bis zu
Aussagen in Nacharbeit zum II. Vatikanischen Konzil (z. B. 32). Zu
einem lehrreichen Referat Calvins, das sich vornehmlich an seine In-
stitutio - aber nicht ausschließlich daran - hält und gerade für evangelische
Theologen nützlich ist (weil es Calvins häufig zu beobachtende
Nähe zu Luther deutlich macht), und zur Kritik an Calvin von seilen
Schützeichels eine Metakritik zu fügen, möchte der Rezensent nicht
als seine Aufgabe ansehen müssen. Von Aussage zu Aussage wird so
viel an Belegen und Hinweisen geboten, daß jeder Rezensent zum
Weiterfragen Anlaß hat.

Schützeichel faßt in jedem Falle hilfreich zusammen und entdeckt
dabei trotz und in allen Kontroversen einen durchgängigen Cantus
firmus in der Gemeinsamkeit Calvins mit römisch-katholischen Lehraussagen
:

1. Hinsichtlich Firmung und Konfirmation wäre festzustellen, daß
beide Institutionen in den verschiedenen Kirchen „Handlungen der
Kirche darstellen). In ihnen wird die Kirche amtlich präsent, bei der
Firmung durch den Bischof oder den Priester und bei der Konfirmation
durch den Pastor" (27).

2. Hinsichtlich der Beichte wäre festzuhalten, daß „die calvinischc
und die tridentinische" Position (46) einander näherrücken, „sobald
man sie genauer ins Auge faßt". Zwar hat nach Calvin die Beichte vor
dem Priester „keinen verpflichtenden Charakter*', aber „er hält diese
Art des Sündenbekenntnisses von der Heiligen Schrift her für möglich,
sieht in ihr und in der privaten Absolution, die er freilich nur als Akt
der Verkündigung des Evangeliums wertet, ein vom Herrn
dargebotenes Heilmittel, begründet die besondere Eignung der
„pastores" für das Beichthören mit Mt 16. 19; 18, 18 und Joh 20,23.