Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1982

Spalte:

820-823

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ausführliche Handschriftenbeschreibung, Edition mit deutscher Parallel-Übersetzung

Titel/Untertitel:

hermeneutischer Anhang zur gnostischen Interpretation der Oden Salomos in der Pistis Sophia 1982

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

819

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 11

820

Paulus als geschichtliches Wesen nicht voll ernst. Aber die konkrete
Hypothese von Sch. überzeugt nicht, sei es ihre Begründung im Blick
auf die eschatologischen Vorstellungen des Apostels (S. 137-175), sei
es überhaupt im Blick auf die willkürlich vorgenommene Zäsur zwischen
Rom 7,16 und 7,17. Freilich kann uns seine Hypothese auf
einen wenig beachteten Sachverhalt aufmerksam machen: Paulus hat
es in 7,7-8,39 im Gegensatz zur übrigen Argumentation in Rom
kaum nötig, mit Schriftzitaten zu operieren (ausdrückliche Zitate nur
7,7 und 8,36). Das bedeutet vor allem, daß er da, wo er in Rom das
Sein in Christus, also die pneumatische Existenz des Christen,
beschreibt (Kap. 8), es ohne ausdrücklichen AT-Bezug tun kann. Dies
bedarf im Rahmen einer gesamtbiblischen Theologie noch der eingehenden
theologisch-systematischen Reflexion.

Göttingen Hans Hübner

' W. Schmithals, Der Römerbrief als historisches Problem (StNT 9), Gütersloh
1975.

2 H. Hübner, Das Gesetz bei Paulus, Ein Beitrag zum Werden der pauli-
nischen Theologie (FRLANT 119),21980,58 ff.

5 Schmithals, Der Römerbrief als historisches Problem, 18-20.22.

4 E. Käsemann, An die Römer (HNT 8a), Tübingen 1973, 188ff, vor allem
194: „Nicht einmal die Möglichkeit des noch unentschiedenen Kampfes wird
von ihm (sc. Paulus) offen gehalten, so daß adäquat wie zumeist... vom gespaltenen
oder zerrissenen Menschen gesprochen werden dürfte." Freilich sind sich
Sch. und K. einig, daß Rom 7 nicht vom psychologisch gespaltenen Menschen
die Rede ist.

Hollander, Harm W.: Joseph as an Ethical Model in the Testaments of
theTwelve Patriarchs. Leiden: Brill 1981. X, 175 S. gr. 8' = Studia
in Veteris Testamenti Pseudepigrapha, 6. Lw. hfl 68.-.

Die Testamente der zwölf Patriarchen (Test XII) erfreuen sich nach
wie vor regen Interesses. Die Forschungssituation ist dadurch gekennzeichnet
, daß sich zwei Grundauffassungen gegenüberstehen. Die eine
besteht darin, daß man auf der Linie von Grabe, Schnapp. Charles
und mir den Einblick in das Wachstum der Schrift als entscheidende
Hilfe ansieht, sie zu verstehen. So rechnet man mit einer jüdischen
Grundschrift, ihren jüdischen Erweiterungen und einer letzten christlichen
Bearbeitung. Diese Position ist die verbreitetste, jedoch nicht
unangefochten. Denn die zweite Grundauffassung hat durch M. de
Jonge und seinen Schülerkreis - nachdem sie mit Grabe zunächst ganz
verschwand - eine Wiederbelebung erfahren. Sie geht von dem Status
quo des Textes aus, also im Prinzip von einer christlichen Schrift, in
der viel jüdisches Material verarbeitet wurde. Doch interessiert nicht
dieses Material und seine Geschichte, vielmehr die angenommene
Geschlossenheit der jetzt vorliegenden Schrift aus der Hand eines
Autors.

Es ist für den Rezensenten nun reizvoll zu sehen, wie unabhängig
voneinander zu beiden Grundauffassungen neuere Erarbeitungen
über das paränetische Material der Test XII vorliegen, nämlich die
Dissertation aus dem Schülerkreis de Jonges von H. und die Dissertation
von M. Küchler (Frühjüdische Weisheitstraditionen, 1979,
415-545), der der anderen Grundposition verpflichtet ist. Allerdings
hat H., obwohl er sonst die Literatur von 1979 und zum Teil von 1980
berücksichtigt, Küchlers Arbeit nicht zur Kenntnis genommen, was
negativ vermerkt werden muß.

Angefochten hätte H. die andere Arbeitsweise von Küchler jedoch
in keinem Fall, denn seine Einleitung spricht von einem hohen Selbstbewußtsein
, von dem her er alles, was nicht im Leidener Kreis Anerkennung
findet, aburteilt. Zu den Grundeinstellungen, die dort bestimmend
sind, gehört vor allem die Auffassung: " What is needed is a
new Start, which begins with a close and comprehensive analysis of the
text as it now Stands" (S. 13). Das führt zwangsläufig zu der Doppelthese
: "The present study regards the text asa literary produet and as a

coherent unity" (S. 14), und: "Christian authorship remains at least a
possibility" (S. 13). Das sind keine neuen Thesen, sondern bekannte
Vorgaben, die man schon bei M. de Jonge nachlesen kann. Ganz
anders urteilt Küchler, nach dem der Text „ein vielschichtiges, uneinsichtiges
Konglomerat sich widersprechender Traditionen und Tendenzen
" ist (S. 435), wobei „die meisten" der „literarischen Miniaturen
nur dank der assimilatorischen Fähigkeit der Test XII..: überlebt
haben" (S. 441). Nach diesen kleinen Einheiten sucht Küchler.

Das Ergebnis bei H. entspricht dann auch seinen Vorgaben: "The
parenesis itself as found in the Testaments is in the end homo-
geneous", heißt es am Schluß (S. 93). Eines der Grundelemente, mit
deren Hilfe der Autor das erreicht haben soll, ist die Gestalt Josephs.
Er ist der gute Mann, der Gott und den Nächsten liebt. Diesem
Grundzug sollen alle anderen Äußerungen über Joseph untergeordnet
worden sein, natürlich z. B. auch die auffällige Doppelung von TJos
1,3 - 10,4 und 10,5-18,4 (S. 16 ff). Daß in beiden Texten zwei ganz
verschiedene Grundkonzeptionen des Verständnisses der Josephsgestalt
zur Geltung kommen, wird harmonistisch verwischt, indem
über ganz wenige stichwortartige Motive - ohne deren spezifische Einordnung
in ihren Kontext zu bedenken - kompositorische Brücken
erahnt werden, die die Kohärenz auf der literarischen Ebene anzeigen
sollen.

Überhaupt dient das Mittel, zusammengehörige "motifs and
themes (words, expressions)" (S. 92) aufzusuchen, als nahezu einziger
exegetischer Weg, sich den Text zu erschließen. Dies ist zweifelsfrei
eine methodische Verarmung der exegetischen Fragestellung. Eben
weil dies so ist, fehlt ein differenziertes Eingehen auf die Textprobleme
und dementsprechend sind auch die Ergebnisse relativ unspezifisch
. Dazu zählen auch die oft wiederholten und an sich richtigen
Thesen, die Test XII seien stark von der Weisheitsliteratur beeinflußt
und atmen (jüdisch-) hellenistisches Milieu.

Überrascht ist man, wenn der Autor und seine so kohärente Schrift
am Schluß einer Schultradition bzw. einem Weisheitszirkel zugeordnet
werden (S. 96), in dem man die griechische Bibel (also das AT und
das NT, demzufolge handelt es sich um eine christliche Schule!) auslegte
und "all kinds of sources and manuscripts" (also offenbar keine
mündliche Tradition) sammelte, und so die Test XII zum "embodi-
ment of their discussions and fmdings" gemacht werden (S. 96).
Nichts gegen die Annahme, hinter den Test XII stünde eine (freilich
jüdische!) Weish ,-itsschule! Nur warum wird dann die Fiktion einer
kompositorisch glatten Schrift aus der Hand eines Autors aufrechterhalten
und nicht einem Wachstum der Schrift in der Schule zugestimmt
? Ist b:i solcher Annahme nicht doch Küchlers Konzept das
angemessene! e?

Raisdorf b. Kiel Jürgen Becker

I.attke, Michael: Die Oden Salomos in ihrer BedeutunK für Neues
Testament und Gnosis. Bd. I: Ausfuhrliche Handschriftenbeschreibung
. Edition mit deutscher Parallel-Übersetzung. Hermeneu-
tischer Anhang zur gnostischen Interpretation der Oden Salomos in
der Pistis Sophia. 1979. XIII, 237 S. sfr 40.-. Ia: Der syrische Text
der Edition in Ejtrangela. Faksimile des griechischen Papyrus
Bodmer XI. 1980. 64 S. m. 5 Faks. S. sfr 12.-. II: Vollständige
Wortkonkordanz zur handschriftlichen griechischen, koptischen,
lateinischen und syrischen Überlieferung der Oden Salomos. Mit
einem Faksimile des Kodex N. 1979. XVII, 201 S. m. 5 Faks. S.
sfr 35.-. Fribourg: Editions Universitaires; Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht, gr. 8" = Orbis Biblicuset Orientalis, 25/1,25/1 a, 25/2.

Als Verheißung und Grundsteinlegung eines bedeutenden wissenschaftlichen
Unternehmens verdient das, was M. Lattke hier in den
zwei Bänden (vermehrt um ein Zusatzheft) vorlegt, wohl begrüßt zu
werden. L.s Interesse an den Oden Salomos ist nicht neu. Es wurde
bereits geweckt durch die Arbeit an seiner Dissertation, die einen speziellen
Aspekt des Johanncsevangeliums zum Gegenstand hatte (Ein-