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Ausgabe:

1982

Spalte:

811-813

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Reiterer, Friedrich V.

Titel/Untertitel:

"Urtext" und Übersetzungen 1982

Rezensent:

Sauer, Georg

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 11

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Fragen erleichtern. Jeder Unterabschnitt wird durch Thesen zusammengefaßt
, die S. 151-155 noch einmal gesondert zusammengestellt
sind. Hinweise am Rand verweisen auf Literatur zur Weiterarbeit zu
bestimmten Problemen; ein System von 20 Aufgaben versucht an das
Vorwissen des Lesers anzuknüpfen und ihn zum Mitdenken anzuregen
. Fachtermini werden am Rand notiert, wo sie zum ersten Mal
eingeführt werden, und schließlich hilft ein ausführliches Namen- und
Sachregister (S. 166-173), das Buch aufzuschlüsseln und durch beigegebene
Erklärungen auch dem blutigen Anfänger auf die Sprünge zu
helfen. Daß in einem didaktisch so durchdachten Buch auch ein Bibelstellenregister
nicht fehlt, braucht wohl kaum noch erwähnt zu werden.

Ganz ohne Zweifel ein sehr brauchbares Buch, das primär zur Aus-
und Weiterbildung kirchlicher Mitarbeiter gedacht ist, das aber auch
dem theologisch interessierten Laien und dem im Gestrüpp der Forschungsdiskussion
umherirrenden jungen Theologiestudenten uneingeschränkt
empfohlen werden kann. Der Vf. bemüht sich ehrlich
darum, einen Grundkonsens der Forschung darzustellen, ohne andere
Ansichten einfach zu unterdrücken. Sympathisch ist auch, wie sich
bei ihm das Anliegen nach nüchterner Sachinformation mit einem
ausgeprägten theologischen und ästhetischen Eros paart. Dies wird
sicher vielen den Zugang zur wissenschaftlichen Psalmenauslegung
erleichtern.

Der Fachkollege wird sicher manches anders einschätzen und vieles
vermissen (z. B. bei der Diskussion um die Feinde in den Klagen des
einzelnen die Positionen von O. Keel und H. Vorländer), aber das
wird wohl bei so einem Buch nicht zu umgehen sein. Auch für ihn
bietet das Buch durchaus einige interessante Details, die in der Diskussion
berücksichtigt werden sollten: So die Ausführungen des Vf.
zur Kultmusik (z. B. daß der Psalter nicht Gesangbuch für die Gemeinde
, sondern nur für die Berufsänger ist; die Gemeinde beschränkte
sich nach Seidel auf kurze Responsorien und Jubelgeschrei
), so seine Thesen zu den schwer deutbaren Überschriften (Angaben
wie „Die Hirschkuh, die früh gejagt wird" bezeichne nicht die
Melodie, sondern die Tonart, S. 72) und zu den Doxologien am Ende
der Psalmenbücher (Autorisierung für den offiziellen Gebrauch).
Interessant ist auch das Bild, das der Vf. von der Entstehung des Psalters
entwirft: ältester Kern ist das 3. Psalmbuch, das die Asaphgilde
aus dem Exil mitbrachte (S. 79 u. ö.), der elohistische Psalter ist keine
eigene Sammlung u. a. m. Verblüffend ist seine These, die „Wallfahrtspsalmen
" seien levitische „Kurzandachten" (41f.71), die durch
die Auslegung von Ps 133 vorgeführt wird (S. 142ff; Seybolds Arbeiten
dazu [ZAW 91, 1979,247ff; BThSt 3,1978] sind dabei leider noch
nicht berücksichtigt).

Hinter einiges davon würde ich meine Fragezeichen setzen; problematisch
scheint mir auch der Teil „Zur Theologie der Psalmen" zu
sein, der in dieser Kürze zu pauschal bleiben muß und versucht, eine
gedankliche Summe zu ziehen, ohne die unterschiedlichen Gattungen
und theologiegeschichtlichen Entwicklungen genügend zu berücksichtigen
. Hier wirkt sich meiner Meinung nach besonders stark aus,
daß der Vf. die neuere Diskussion um den Sitz im Leben zur Klage des
einzelnen (E. Gerstenberger, R. Albertz) nicht mehr berücksichtigen
konnte. Eine stärkere Differenzierung des Kultbegriffs (wenn der Vf.
vom Kult oder der Kultgebundenheit der Psalmen redet, denkt er
weitgehend nur an den offiziellen Großkult, den er recht farbig darzustellen
weiß, während die privaten kasuellen Kultfeiern merkwürdig
blaß bleiben) hätte die „Spuren der alttestamentlichen Beter" sicher
noch vielfältiger und lebendiger ans Licht treten lassen.

Sandhausen Rainer Albenz

Reiterer, Friedrich Vinzenz: „Urtext" und Übersetzungen. Sprachstudie
über Sir 44,16-45,26 als Beitrag zur Siraforschung. St. Ottilien
: EOS Verlag 1980. 272 S. 8* = Münchener Universitätsschriften
. Kath.-Theol. Fakultät. Arbeiten zu Text und Sprache im
Alten Testament, 12.

Die vorliegende Abhandlung war als Habilitationsschrift der
Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Salzburg vorgelegt
worden. Sie erscheint in der von Wolfgang Richter herausgegebenen
Münchener Reihe und zeigt damit an, wie ausdrücklich im
Vorwort, S. 5, erwähnt wird, daß sie methodisch von diesem abhängig
ist. Nach der Lektüre dieses Buches wird man feststellen dürfen, daß
diese Methode in einer sehr vorteilhaften und fruchtbaren Weise ihre
Anwendung gefunden hat.

In der Einleitung (S. 9-17) beweist der Vf. seine Vertrautheit mit der
Problemlage und begründet mit präzisen Angaben seine Vorüberlegungen
, die zu der Wahl des Textes und zu den auszuführenden
Arbeitsschritten geführt haben. Es trifft sicher zu, daß in dem gewählten
Text (44,16^5,26) ein besonders schwieriger griechischer Text
vorliegt, wie ein Blick in die Ausgabe J. Zieglers beweist. Diesem weiß
sich der Vf. daher auch besonders verpflichtet. Die Untersuchungen
sind daher zum guten Teil textkritischer und sprachlicher Natur,
S. 9f. Man kann jedoch daraufhinweisen, daß da, wo neben den bekannten
alten Übersetzungen ins Syrische, Griechische und Lateinische
, mehrere hebräische Textzeugen zur Verfügung stehen, die rein
textkritischen Schwierigkeiten oft noch größer sind.

Als besonders glücklich kann die Wahl des untersuchten Textes
deshalb bezeichnet werden, weil sie unter dem Gesichtspunkt der Entsprechung
im (proto)kanonischen Alten Testament vorgenommen
wurde (S. 15 f). Der erste Abschnitt des „Lobes der Väter" (Sir 44-49),
der als Vorlage der Untersuchung dient, behandelt die im Pentateuch
dargestellte Geschichte von Henoch an bis Mose und Pinhas. In
äußerst geschickter Weise werden die entsprechenden Passagen zum
Vergleich herangezogen und fruchtbar gemacht.

Die Durchführung des vorgezeichneten Weges geschieht klar und
exakt: 1. Darbietung des Textes (S. 18-31), gegliedert in 132 Stichen,
wobei neben dem hebräischen Text die syrische, griechische und lateinische
Übersetzung in der ursprünglichen Schrift, also nicht wie heute
so häufig in Umschrift, dargeboten wird. Man begrüßt diese Arbeit
mit besonderer Freude und beglückwünscht Vf., Herausgeber, Verlag
und Druckerei in besonderer Weise zu dieser sicher nicht einfachen
Mehrarbeit und dem damit verbundenen Mehraufwand von Herzen.
Textkritische Bemerkungen begleiten den Abdruck.

2. Formale Beschreibungen des Textes und Vergleich (S. 31-78). In
der aus der Schu.e W. Richters bekannten Art wird die sprachliche
Analyse klar danjeboten, wobei sofort „die Entsprechungen zwischen
den Traditionen wie auch die Abweichungen - allein vorerst vom formalen
Standpunkt aus betrachtet - deutlich auffallen)" (S. 51).

Die Auswertung dieses Schrittes läßt bereits schöne Ergebnisse
sichtbar werden: Die syrische Übersetzung scheint nicht nur HB, sondern
auch den nicht erhaltenen H gekannt zu haben (S. 60); eine
Übersetzung vom griechischen Text ins Syrische scheint äußerst unwahrscheinlich
zu sein (S. 64); die lateinische Version zeigt besondere
Abhängigkeiten vom griechischen Text, aber auch vom hebräischen
(S. 74 und 78).

3. Nun erst folgt der eigentliche Hauptteil. Die sprachliche Analyse
war nur Vorbereitung für die umfangreiche Abhandlung „Wort- und
Textuntersuchung der einzelnen Stücke und Erarbeitung der Übersetzungstechnik
" (S. 79-234). Auch hier beweist sich die exakte und
klare Arbeitsweise des Vf. In vorsichtigen Schritten wird zuerst die
Aussage des hebräischen Textes untersucht, diese dann mit Parallelaussagen
aus dem Alten Testament verglichen, ehe die Übersetzungen
dazu in Beziehung gesetzt werden. Dies geschieht mit großem Einfühlungsvermögen
und mit gutem Urteil. Im übrigen können die Einzelschritte
hier nicht in extenso gewürdigt werden.

Nach diesem Dreischritt werden die Ergebnisse kurz formuliert
(S. 234-249). Das Wichtigste hierbei ist: der hebräische Text ist zweifellos
der ursprüngliche, von dem her sich die Abweichungen der
Übersetzungen erklären lassen; dieser anzunehmende Urtext ist aber
nicht immer identisch mit dem bekannten Text der Handschrift I
(S. 236); der Verfasser dieses Textes kennt die Geschichte des Pentateuch
, ist aber doch ein eigenständiger Literat, nicht einfach ein Kom-