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Ausgabe:

1982

Spalte:

780-782

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Fikentscher, Wolfgang

Titel/Untertitel:

De fide et perfidia 1982

Rezensent:

Lieberwirth, Rolf

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779

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. .10

780

Erst eine langfristige Einübung in gewaltfreien Konfliktaustrag bietet
die Voraussetzungen für eine Wandlung der zählebigen Vorstellung,
daß Kriege unvermeidlich seien. Diese Einübung muß gerade bei Kindern
und Jugendlichen ausführlich und mit verschiedenen Medien
geschehen, damit die rationale und die emotionale Ebene zugleich
erreicht werden. Hier steht auch die Theologie vor der Aufgabe, das
Bekenntnis zum Frieden , in einen Erziehungsprozeß umzusetzen,
wozu bisher wenig Literatur vorliegt.

So füllt das Taschenbuch des Kohlhammer-Verlagseine Lücke aus.
Es bietet neben einem reichen Angebot an Materialien verschiedener
Art zwei grundsätzliche Teile, in denen die „Herausforderung zu ethischer
Urteilsbildung" (S. 11-62) und „Stufen kognitiv-moralischer
Entwicklung" (S. 63-100) behandelt werden. Hans P. Schmidt entwickelt
die Notwendigkeit einer ethischen Urteilsbildung aus den alltäglichen
Anforderungen und Konflikten heraus. Der Rückgriff auf
traditionelle Normen und Wertvorstellungen gelingt nicht mehr; vielmehr
müssen wir „bei elementaren Lebenserfahrungen einsetzen"
(35). Solche Erfahrungen sind z. B. die Wahrnehmung der Wirklichkeit
als eines nicht determinierten, sondern offenen Feldes von Möglichkeiten
, wodurch Menschen „zur Verantwortung für eine Zukunft
befreit werden, für die Friede und Gerechtigkeit trotz aller Widerstände
das allein mögliche Ziel eines verantwortlichen Lebens sind"
(38).

Reinhold Mokrosch stellt im zweiten Teil die entwicklungspsychologischen
Theorien des Schweizers Piaget und des Amerikaners
Kohlberg vor und zieht aus ihnen friedenspädagogische Konsequenzen
. „Lernfortschritte bei der Bewältigung von Konflikten ... machen
Kinder und Jugendliche primär unter dem Einfluß Gleichaltriger und
erst sekundär unter demjenigen Erwachsener" (95). Ziel der Friedenserziehung
ist darum, daß der Erzieher die moralische Eigenstruktur
der Schüler so entwickelt, daß sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten
Konflikte zu lösen fähig werden. Das schließt die Hinführung „vom
mythischen Glauben an einen notwendigerweise gewaltsamen Konfliktaustrag
zur aufgeklärten Einsicht in die Möglichkeit gewaltloser
Konfliktbewältigung" ein (96). Dahinter steht die Überzeugung, daß
der Kognition ein qualitativer Vorrang gegenüber den Affekten
zukommt und darum das moralische Urteilsniveau der Schüler ihrem
rationalen Niveau angepaßt sein muß.

Dementsprechend achtet Mokrosch im dritten Teil bei den verschiedenen
Medien, die für die Friedenserziehung in Frage kommen,
vor allem darauf, zu welcher Stufe der kognitiv-moralischen Erziehung
der Schüler sie gehören, und analysiert darauf Äußerungen
von Schülern. Unter fachdidaktischem Aspekt wird zum Schluß von
Dieter Stoodt Material zur Friedenserziehung vorgestellt. Freilich
werden hier die Grenzen eines Taschenbuchs sichtbar, denn es
kommt dabei kaum noch zu Impulsen, wie der Lehrer diesen Stoff für
Jugendliche aufarbeiten kann. Das Nebeneinander von Texten zu
Luthers Zwei-Regimenten-Lehre. Abschnitten aus dem Alten Testament
, modernen Gedichten und Rollenspielen zeigt wohl die Weite
des Spektrums an. aber diese Beispiele lösen doch ganz unterschiedliche
Reaktionen aus, uüd dazu fehlen dann weitere Reflexionen. Der
Sat/ im Anschluß an die Vorstellung der mennonitischen Anschauung
mag als Beleg für diesen Mangel stehen: „Man kann gewiß vieles
sagen, das für eine derartige Protestposition gegen die Kriegsführung
spricht, aber man wird wohl auch einiges an Kritik üben müssen"
(176). Wenn darauf nichts weiter folgt, bleibt das Material für eine
gezielte Friedenscrzichung ungenutzt.

Unter Berücksichtigung der Grenzen, die einem Taschenbuch
durch seinen Umfang gesetzt sind, kann man diese Gemeinschaftsarbeit
von Theologen und Pädagogen gutheißen und wünschen, daß
sie viel benutzt und an ihren Vorschlägen weitergearbeitet wird.

Leipzig Joachim Wiebering

Kirchenrecht

Mörsdorf, Klaus: Lehrbuch des Kirchenrechts auf Grund des Codex
Iuris Canonici. Begründet v. E. Eichmann, III: Prozeß- und Strafrecht
. 11., verb. u. vermehrte Aufl. Paderborn-München-Wien-
Zürich: Schöningh 1979. 513 S. gr8' = Wissenschaftliche Handbibliothek
. Kart. DM 38,-.

Nach längerer Pause ist in 11. Auflage der dritte Band dieses
Standardwerkes des katholischen Kirchenrechts erschienen, dessen
ersten beiden Bände im 91. Jahrgang (1966 Sp. 156) und im
95. Jahrgang (1970 Sp. 790) dieser Zeitschrift besprochen worden
sind. Es enthält auch das ausführliche Sachverzeichnis aller drei
Bände. Die Darstellung des kanonischen Prozeß- und Strafrechts
gewinnt seine Bedeutung d; urch, daß durch Weisungen des Zweiten
Vatikanischen Konzils und die dadurch veranlaßte nachkonziliare
Gesetzgebung und besonders auch durch die Reform der römischen
Kurie manche Bestimmungen des Codex Iuris Canonici geändert worden
sind. Darüber einen Überblick zu gewinnen, wird auch für nichtkatholische
Theologen und Kirchenrechtler wesentlich sein, auch
wenn das Kirchenrecht nicht nur im Bereich der Deutschen Demokratischen
Republik an wissenschafl licher Pflege eine starke Einbuße
erlitten hat.

Der Verfasser hat vor allem dort Änderungen vorgenommen, wo es
zu einer Änderung des Rechtes des Codex Iuris Canonici gekommen
ist. Die Änderungen der Gesetzgebung betreffen vor allem das Gebiet
des Prozeßrechtes. Besonders der Abschnitt, der sich mit Selig- und
Heiligsprechung befaßt (§§274 bis 279) bedurfte der Umarbeitung,
aber auch §§ 266 bis 272, in denen es um die Ehesachen geht, weisen
Änderungen auf, wobei die kritischen Anmerkungen des Vf. Beachtung
verdienen. Leider ist nicht gesagt, ob man hinsichtlich der Laienmitwirkung
in den deutschen Bistümern von der gesetzlich vorgesehenen
Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. Nicht minder interessant
sind die Ausführungen über die Regionalgerichte (§219, III).

Demgegenüber treten Änderungen auf dem Gebiet des Strafrechts
(Fünftes Buch) an Bedeutung deswegen zurück, weil auf diesem
Gebiet noch nicht sehr viel neu geworden ist. Immerhin ist u. a.
beachtlich, was in § 309 (Seite 427) zur Wiederversöhnung nichtkatholischer
Christen mit der katholischen Kirche in wesentlicher
Erweiterung der früheren Darlegung ausgeführt ist, was im gleichen
Paragraphen (S. 430) über die Bücherzensur, über die nichtkatholische
Trauung und die Verletzung religiöser Erziehungspflichten
(S. 431) im Vergleich zur letzten Auflage geändert ist.

Daß in den Anmerkungen auf die neueste Literatur hingewiesen
wird, ist selbstverständlich, wenn auch manche frühere Literaturangabe
und auch sonst einige Anmerkungen weggefallen sind.

Begrüßenswert ist ein dem Sachverzeichnis vorgeschobenes Verzeichnis
der Allgemeinen Abkürzungen.

Dresden Heinrich Herzog

Kikcntscher, Wolfgang: De fidc et perfidia. Der Treuegedanke in den
„Staatsparallclcn" des Hugo Grotius aus heutiger Sicht. München:
Verlag der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; München:
Beck i. Komm. 1979. 160 S., 1 Taf. 8' = Bayerische Akademie der
Wissenschaften. Philos.-Hist. Klasse. Sitzungsberichte. Jg. 1979, I.

Der Holländer Hugo Grotius (1583-1645) galt als einer der ersten
Theologen, Humanisten und Juristen seiner Zeit, und noch heute
wird er als Begründer des modernen Natur- und Völkerrechts gewürdigt
. Zu seinem wissenschaftlichen Ruhm haben vor allem drei seiner
Schriften beigetragen: die völkerrechtliche Streitschrift Marc liberum
(1609), das natur- und völkerrechtliche Hauptwerk De iure belli ac
pacis libri tres (1625) sowie die später als Lehrbuch berühmte Inlei-
ding tot de Hollandschc Rechts-Gclccrdhcyd (1631). Die beiden