Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1982

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

55

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

56

gewidmet. Damit verfolgt E. Droz dasselbe Ziel wie in den ersten
Bänden: Wege aufzudecken, auf denen die Reformation - speziell die
Cienfer Reformation - durch das französisch sprechende Europa der
2. Hälfte des 16. Jh. gegangen ist. Die Ausbreitungsgeschichte der Reformation
bekommt so Konkretion und Farbe. Sie wird zugleich
auf nüchterne Realitäten zurückgeführt. Es sind z. T. interessante,
z. T. auch fragwürdige Gestalten, die die Vfn. am Leser vorüberziehen
läßt. Einige von ihnen bekamen auch die Selbstzucht der Bewegung
am eigenen Leibe zu spüren, in deren Dienst sie sich gerufen
fühlten.

In einem Falle ist es E. Droz gelungen, den bisher weitgehend unbekannten
Lebensweg eines Druckers in Orleans (Eloi Gibier) mittels
neuer Funde aufzuhellen. In einem weiteren Falle hat sie die Autorschaft
einer antipäpstlichen Satire (Satyres Chrestiennes de la Cuisine
Papale, 1560) mit großer Wahrscheinlichkeit Theodor Beza zuweisen
können. Erstaunlich ist die Vielfalt der Arbeitsgebiete und Interessen
und des Lebensweges von Jacques Besson als calvinistischer Prediger,
Maschinenbauer, Wasserbauingenieur, Mathematiker und Astronom
. Einen Nachtrag zu den ersten Bänden liefert die Skizze über
Pierre Haultin in Genf und die Probleme, die er dem Genfer Konsistorium
einbrachte. Prosopographische Studien sind Jacques Berthet,
dem Buchhändler und „Missionar" der Genfer Reformation, dem
Drucker Jean Gerard und dem Pfarrer von Sedan, Jean Hellin, gewidmet
.

Der Band ist ähnlich reich ausgestattet wie seine Vorgänger: Eine
Fülle von Faksimiles von Autographen, Titelblättern und Einblattdrucken
, Vignetten und Druckermarken, geographischen Skizzen
und Wiedergaben von Kupferstichen, begleitet von einigen Fotografien
, machen den Band zu einem kostbaren und wichtigen Arbeitsinstrument
, abgesehen von der illustratorischen Wirkung dieser Beigaben
. Es versteht sich von selbst, daß bei der Sorgfalt der aufgewendeten
Forschungsarbeit auch an Register gedacht worden ist.

E. Droz hat den Band Michel Slatkine gewidmet, der im Juli 1975
verstorben ist. Inzwischen gehört sie selbst nicht mehr zu den Lebenden
- die Erforschung der Genfer Reformation und ihrer Wirkungsgeschichte
im französischen Raum bleibt ihr zu ehrfürchtigem Dank
verpflichtet.

Leipzig Ernst Koch

Bührer, Georg, Gerald R. Hobbs, u. Matthias Senn: Literatur zur
schweizerischen Reformationsgeschichte (Zwing. XV, 1979
S. 146-156).

Fois, Mario: II contributo dei Vescovi Toscani al Concilio di

Trento in ordine al ricupero della figura del vescovo - sacerdote

(Gr. 62,1981 S. 319-348).
Gönnet, G.: La confessione augustana del 1530 (Prot. 1981 S. 21-27).
Hoberg, Hermann: Der Anteil Deutschlands an den Servitien-

zahlungen am Vorabend der Glaubensspaltung (RQ 74, 1979

S. 178-185).

Jersäk, Artur: The Dynamic Concept of the Church in Hussitism.
New Contributions to determining the place of Petr Chelcicky in
Hussite thinking(CV 23, 1980 S. 243-250).

Molnär, Amedeo: Bekenntnisse der böhmischen Reformation (CV
23,1980 S. 193-210).

Moore, Walter J.: "Protean Man": Did John Eck Contradict Himself
at Leipzig? (HThR 72,1979 S. 245-266).

Müller, Gerhard: Martin Luther im Zerrspiegel. Antwort auf die Behauptungen
von Remigius Bäumer (LM 19,1980 S. 708-711).

Pitters, Hermann, u. Ludwig Binder: 450 Jahre Augsburger Konfession
(Kirchl. Blätter 8, 1980 S. 7-8).

Reid, Stanford: Justification by Faith According to John Calvin
(WThJ 42, 1980 S. 290-307).

Rochier, Wolfgang: Martin Luther und die Reformation als Laienbewegung
. Wiesbaden: Steiner 1981. 75 S. 8' = Institut für Europäische
Geschichte, Mainz, Vorträge 75. Kart. DM 12,80.

Rüetschi, Kurt Jakob: Heinrich Bullinger und Dänemark. Die Widmung
von „De gratia dei iustificante" an König Christian III. im
Jahre 1554 (Zwing. 1980 S. 215-237).

Rüsch, Ernst Gerhard: Bemerkungen zur Zwingli-Vita von Oswald

Myconius (Zwing. 1980 S. 238-258).
Subilia, V.: Confessio Augustana. Bekenntnis des einen gemeinsamen

Glaubens. Gemeinsame Untersuchung luth. und kath. Theologen

(Protest. 1981 S.27^H).

Kirchengeschichte: Neuzeit

Wehowsky, Stephan: Religiöse Interpretation politischer Erfahrung.

Eberhard Arnold und die Neuwerkbewegung als Exponenten des
religiösen Sozialismus zur Zeit der Weimarer Republik. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1980.271 S. gr.8' = Göttinger Theologische
Arbeiten, Kart. DM 42,-.

Den Veröffentlichungen zur Neuwerkbewegung und ihren führenden
Repräsentanten (vgl. den Sammelband von W. Kindt über H.
Schafft [1960], das Buch Emil Blums [1973], die Dissertation A. Vollmers
[1973], die einschlägigen Kapitel bei U. Smidt in den „Dokumenten
evangelischer Jugendbünde" [1975] u.a.) gesellt sich nunmehr
eine Marburger Dissertation, entstanden auf Anregung Ratschows
, zu. Ihr Autor möchte nicht lediglich theologiegeschichtlich
und sozialgeschichtlich einordnen, sondern „versuchen zu verstehen,
welche soziale, philosophische und theologische Konstellation das
Phänomen des religiösen Sozialismus hervorgebracht hat" (9). Diese
Zielsetzung wirft allerdings sofort die Frage auf, ob die Neuwerkbewegung
dafür das geeignete Objekt ist. In der Varietät der religiössozialistischen
Strömungen im Deutschland der Weimarer Republik
(vom religiösen Sozialismus in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden
usf. ganz zu schweigen) stellt die Neuwerkbewegung nur ein
Modell unter anderen dar. Man tut also gut daran, die Analysen und
Ergebnisse der Arbeit unter stillschweigender Berücksichtigung der
durch das Untersuchungsobjekt gegebenen Grenze zur Kenntnis zu
nehmen.

Bei der Ausarbeitung seines Urteilsinstrumentariums hat sich der
Autor allzusehr auf die „politische Romantik" in der interpretatori-
schen Fassung Carl Schmitts eingelassen. Ob die Schmitt'sche
politikwissenschaftliche Phänomenologie so kritiklos hingenommen
werden darf, wie es bei W. (und vor ihm bei vielen anderen Autoren)
geschehen ist, ist zumindest fraglich. Gesicherte Erkenntnisse moderner
Romantikforschung, die nicht ins okkasionell-dezisionistisch-
irrationalistische Romantik-Bild passen, werden mit Schmitt-Zitaten
widerlegt (besonders eklatant S. 17; S. 173 Anm. 67).

Die phänomenologisch-politische Fixierung der Romantik auf
Schmitt'sche Kategorien führt bei W. zur nivellierenden Einordnung
zeitgeschichtlicher Bewegungen, Ideologien und Personen, sei es nun
der von Arnold rezipierte „Anarchismus" Landauers, die Siedlungsideologie
oder Schaffts Bindung an die Jugendbewegung. Auch bei
dem kritisch zur Verhandlung stehenden K. Barth muß die Romantik
anklingen. In Barths Beschreibung des Weltverhältnisses des Christen
scheint nach W. das romantische Ironieprinzip durch (87).

Vf. entfaltet seine Studie in vier Kapiteln (I. „Historische Rahmenbedingungen
". □. „Eberhard Arnold". III. „Neuwerk". IV. „Theologie
auf der Suche nach sich selbst: Religiöse Interpretation politischer
Erfahrung"). Seiner These: „Neuwerk gelang es nicht, gesellschaftliche
Prozesse in den Blick zu bekommen, das heißt, sie wurden stets
inadäquat interpretiert ... Offenbar bestanden hier Schwierigkeiten,
Sozialtheorien zu verwenden, die die wirklichen gesellschaftlichen
Vorgänge beschrieben. Dagegen gab es eine Vorliebe für Theorien,
die auf irrationale Gegebenheiten jenseits der gesellschaftlichen Prozesse
abzielten. Auf diese Weise schien die Erfahrung Gottes eher
festgehalten werden zu können" (139), wird man prinzipiell zustimmen
können. Das von W. ausgebreitete Material spricht an vielen
Stellen für sich selbst. Die Umsetzung des eigenen Ethos in Politik
blieb in verschwommenem Erneuerungsvoluntarismus befangen. Die
Entscheidung nach „Links" zureichend auszudeuten, dürfte mit den