Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1982

Spalte:

760-761

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bienert, Wolfgang A.

Titel/Untertitel:

Dionysius von Alexandrien 1982

Rezensent:

Kraft, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

759

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 10

760

Geltung von Glasses Zensur-Hypothese wird stark eingeschränkt
(160). Vf. entwickelt dagegen die Hauptthese seines Buches, daß
Feuerbachs Lutherrezeption eine eindeutige politische Zielsetzung
gewann, „nämlich eine allgemeinverständliche ... komprimierte
.Auflösung' des .Wesen des Christentums' und Explikation der sich
daraus ergebenden praktischen Konsequenzen: die zur .Politik' werdende
, d. h. zum Ferment emanzipatorischer Praxis befreite, ja
genötigte, ,Liebe des Menschen zum Menschen'. Der so zitatenrei-
chen Beschränkung auf Luthers Theologie lag dabei ... die Absicht
Feuerbachs (zugrunde), seinen Anspruch auf die konsequente Nachfolge
Luthers und Vollstreckung des reformatorischen Erbes unwiderlegbar
zu demonstrieren und so Luther den ,Fängen' der Theologen,
bornierten Historiker und politischen Reaktionäre zu entreißen und
ihn in den Reihen der radikalen Opposition zu rehabilitieren." (162 f)

Br. ist es in dankenswerter Weise gelungen, der Forschung um
Feuerbachs Lutherrezeption kräftige Anstöße zu vermitteln. Man darf
gespannt sein, welche Erkenntnisse die direkte Konfrontation des
Feuerbachschen Lutherbildes mit der Theologie Luthers in der vom
Vf. angekündigten Studie (11) zu Tage fördert.

Bautzen Matthias Petzoldt

|Röhm, Eberhard u. Jörg Thierfelder:| Evangelische Kirche zwischen
Kreuz und Hakenkreuz. Bilder und Texte einer Ausstellung. Zusammengestellt
und kommentiert von E. Röhm und J. Thierfelder
für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte
im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands
. Mit einer Einführung von Klaus Scholder. Stuttgart: Calwer
1981. 160 S. m. 154 Abb.gr. 8". Kart. DM 12,-.

Dieser schmale, aber instruktive Bild- und Textband entstand als
Dokumentation und Kommentar für eine Ausstellung, die Mitte
November 1981 im Gebäude des ehemal. Reichstages in Westberlin
im Auftrag der EKD eröffnet wurde. Das Vorwort von Klaus Scholder
benennt Verständnisschwierigkeiten im Blick auf Kirchenkampf und
Hitlerzeit. Vor Holischnittartigkeit, billiger Schwarz-Weiß-Malerei
der damaligen kirchlichen Verhältnisse wird gewarnt. Die durch den
Ausstellungscharakter bedingte Vereinfachung der Geschichtsbetrachtung
zwinge indes nicht zur Resignation, wenn es gelinge, dem
eindringenden Betrachter und Leser durch glücklich ausgewählte Einzelquellen
den Eindruck der geschichtlichen Differenziertheit zu vermitteln
.

Die Autoren bieten in neun Kapiteln einen durch Bilddokumente
und schriftliche Quellen veranschaulichten Überblick über den Kirchenkampf
im Dritten Reich. Den Ausgangspunkt bilden das Verhältnis
von NS-Bewegung und evangelischer Kirche bis 1933, die
Machtergreifung der Deutschen Christen und das Entstehen der Bekennenden
Kirche (Kap. 1 - 3). An ideologischen und religionspolitischen
Konflikten sind Kap. 4 (Das Evangelium und die NS-Welt-
anschauung) und Kap. 5 (Kirche in der Zerreißprobe) orientiert. Das
Dilemma, in das auch die Bekenntniskräfte gerieten, „entweder in die
Niederlage ihrer Nation einzuwilligen, damit die christliche Zivilisation
weiterleben könne, oder in den Sieg und dabei unsere Zivilisation
zu zerstören" (Bonhoeffer Juli 1939 an Reinhold Niebuhr in
Amerika, vgl. S. 114) ist kennzeichnend für das Kapitel 6 (Kirche und
Krieg), das auch flankiert wird von internen Äußerungen Hitlers,
nach Kriegsende mit den Kirchen aufzuräumen. Kap. 7 (Der Weg
zum Massenmord) schildert exemplarisch „Euthanasieaktion",
Judenverfolgung und -ausrottung, kirchliches Versagen wie auch Bewährungssituationen
, mutige und risikoreiche Initiativen des Protestes
und der Hilfe. Die allgemeine „Distanz zum politischen Widerstand
" (Kap. 8) ist vorrangig an Bonhoeffers Entschluß zur Teilnahme
an der Verschwörung gegen Hitler gemessen, zugleich wird aber auch
die Widerstandseffizienz z. B. jeder rechtschaffenen Sonntagspredigt
ernstgenommen, worauf früher schon W. Niemöller hingewiesen
hatte. Einen Ausblick (Kap. 9: Schuld und neuer Anfang) berücksichtigt
u. a. die Stuttgarter Schulderklärung. Zeittafel, Literaturangaben
und Quellennachweis sind beigegeben. Möglicherweise schon in der
Fürbittenliste der Bekennenden Kirche enthaltene fehlerhafte
Schreibweise mancher Namen und Orte (S. 98 ff) in der sonst redaktionell
gut betreuten Publikation hätte bei einem Vergleich mit dem
Kirchlichen Adreßbuch der DEK von 1937 weitgehend vermieden
werden können.

Dem Buch kommt in methodischer Hinsicht die religionspädagogische
Orientierung der beiden Autoren zugute, die auch in der Historiographie
des evangelischen Kirchenkampfes bewandert bzw. monographisch
ausgewiesen sind (vgl. u.a. ThLZ 102, 1977 Sp. 668ff).
Angesichts der dem Forschungsstand der Kirchenkampfgeschichts-
schreibung bisher nicht adäquaten bilddokumentarischen Situation
ist die Erstmaligkeit einer solchen auf arbeitsintensiven Vorbereitungen
beruhenden Ausstellung begrüßenswert und auch insofern verdienstvoll
, als dadurch dieser wichtige Themenbereich neuester Kirchengeschichte
verantwortungsschärfend einer größeren Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wird. Die als Katalog wie als Durchblick
auch außerhalb des Ausstellungsgeschehens sinnvolle und nützliche
zeitgeschichtliche Dokumentation vermag sicher weitergreifendes
Interesse am Thema zu wecken.

Leipzig Kurt Meier

Dogmen- und Theologiegeschichte

Bienert, Wolfgang A.: Dionysius von Alexandrien. Zur Frage des
Origenismus im dritten Jahrhundert. Berlin - New York: de Gruy-
ter 1978. XI, 251 S. gr. 8° = Patristische Texte und Studien, 21.

Mit der vorliegenden Abhandlung hat sich der Verfasser im
WS 76/77 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität
Bonn habilitiert. Seine Arbeit besteht abgesehen von der Einleitung
aus drei Kapiteln, in denen er drei eng miteinander zusammenhängende
Gegenstände darstellt: a) Quellen und Zeugnisse, b) die
Kirchengeschichte Alexandriens im dritten Jahrhundert bis zum
Episkopat des Dionysios, c) die Geschichte seines Episkopates.

Die Quellen und Zeugnisse, die der Vf. in seinem ersten Hauptteil
zu sammeln und zu besprechen hatte, sind überschaubar. Hervorzuheben
ist die lobenswerte Behutsamkeit, mit der er über die Echtheit
der zerstreuten, meist aus Katenen gesammelten Fragmente urteilt.
Die Aussagekraft der Exzerpte aus Katenen über die Theologie des
Kirchenvaters, dem sie von der Überlieferung oder dem Herausgeber
zugeschrieben werden, wird ohnehin meist überschätzt. Wenn man in
Rechnung stellt, wie wenig Aussagekraft beispielsweise in einer
Rezension einem Zitat aus dem besprochenen Werk zukommt, weil
der Leser der Rezension nicht das ganze Werk, sondern nur den isolierten
Satz vor Augen hat, oder wie unbrauchbar moderne Florilegien
und Enchiridien für den Zweck sind, dem sie eigentlich dienen sollen,
weil die Dicta probantia zu kurz sind, um irgend etwas zu beweisen,
dann wird man sich auch nicht von dem Mißtrauen gegenüber einer
dogmengeschichtlichcn Darstellung befreien können, die auf Kate-
nenexzerpten und andern Zitaten aufgebaut ist. Zitieren ist ebenfalls
Entstellen.

In dem folgenden Kapitel ist vor allem die Auseinandersetzung der
alexandrinischen Kirche um und mit Origenes dargestellt. Dazu
kommt eine Besprechung der Schriften, die Dionysios - nach den
Ergebnissen des Vf. - in der Zeit verfaßt hat, in der er die Leitung der
alexandrinischen „Katechetenschule" innehatte. Das Hauptkriterium
ist dabei der Unterschied, der zwischen der Theologie des Origenes
und der des Dionysios festzustellen ist. Der Vf. kommt zu der
Meinung, daß dieser Unterschied fundamental gewesen sei. Ob man
ihm dabei uneingeschränkt folgen kann, ist aber zu fragen. „Fundamental
" ist kein Maß, das sich durch Wiegen oder Messen feststellen