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Ausgabe:

1982

Spalte:

753-757

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Greschat, Martin

Titel/Untertitel:

Die Reformationszeit 1982

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Seite 1, Seite 2, Seite 3

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753

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 10

754

v. u. muß zwischen „sollen" und „vergessen haben" ein Komma stehen. -
S. 135 Z. 8 v. o. f. I. „Kirchen- und Schulvisitation".

Die kritischen Bemerkungen sollen nicht den Dank für die im ganzen
sorgfältig vorbereitete Ausgabe mindern. Dem Kundigen sind die
Probleme der Modernisierung nur zu deutlich bewußt. Vielleicht
könnte bei den weiteren Bänden der Luthertext etwas stärker beibehalten
werden, wofür die Erläuterungen wohl etwas ausführlicher
gehalten werden müßten.

Hamburg Bernhard Lohse

Greschat, Martin [Hrsg.]: Die Reformationszeit, I u. II. Stuttgart-
Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer 1981. 355 S., 17 Taf. u. 335 S.,
17 Taf. gr. 8' = Gestalten der Kirchengeschichte, 5 u. 6. Lw. je DM
79,-.

Mit der .Reformationszeit I und II' legt der Herausgeber Martin Greschat
die ersten einer auf zwölf Bände geplanten Reihe vor, die unter
dem Titel .Gestalten der Kirchengeschichte' erscheinen wird. In ihr
sollen wichtige Persönlichkeiten der einzelnen kirchen- und theologiegeschichtlichen
Perioden zur Darstellung kommen, wobei „. .. ein
doppeltes Interesse leitend ist: Es geht um das Verständnis der einzelnen
Gestalt in ihrer urtauswechsclbaren Eigentümlichkeit und hierin
um die übergreifenden kulturellen, religiösen, sozialen, politischen
und ökonomischen Gegebenheiten und Verhältnisse, ohne die das Individuum
nicht ist. Indem diese .objektiven' Gegebenheiten jedoch
hervorgehoben werden, wird gleichzeitig der Blick zurückgelenkt auf
die Besonderheit der einzelnen Persönlichkeit, ihre biographische und
geistige Physiognomie" (Klappentext). Den jetzt vorliegenden und
hier anzuzeigenden Bänden 5 und 6 werden dann folgen: Band 1 und
2: Alte Kirche; 3 und 4: Mittelalter: 7 und 8: Orthodoxie und Pietismus
; Die Aufklärung; 9 und 10: Die neueste Zeit; 11 und 12: Die
Päpste.

In seiner Einleitung distanziert sich Greschat ausdrücklich von der
Geschichte als Geschichte von Persönlichkeiten, die gegenüber ihrer
Umwelt, ihrer Zeit und auch ihren Zeitgenossen weithin isoliert sind.
Er tut dies auf die Gefahr hin. daß auch heute noch etwa soziologische
Zugänge zum Verständnis der Reformationszeit zumeist als Irrwege
angeschen werden. Ist es wirklich wichtig zu wissen, etwa im
Hinblick auf Luthers Theologie, daß der Reformator in seinem Leben
nie richtig Rechnen oder Geographie gelernt hat oder daß er etwa
Jahrzehnte seines Lebens ausschließlich in der Kleinstadt Wittenberg
verbracht hat? Zweifellos spielen zahlreiche Faktoren, Gegebenheiten
oder auch Umweltverhältnisse bei der Beurteilung der kulturellen,
geistigen und religiösen Stimmungen und Tendenzen in der Reformationszeit
eine nicht unerhebliche Rolle, wobei die sozialen und
ökonomischen Strukturen sicher mit an der Spitze stehen. Greschat
will sich damit einerseits von der - vergröbert gesehenen - marxistischen
Konzeption, Geschichte nur als Überbau auf der Basis ökonomischer
Klassengegensätze zu sehen und andererseits von der „schiefen
Kehrseite" (1,10) des bürgerlichen Geschichtsverständnisses mit
seiner Verherrlichung der schöpferischen Persönlichkeit abgrenzen
und zwischen beiden einen Mittelweg suchen: „Weil es uns um das
Verständnis der Person, der einzelnen Gestalt in ihrer unauswcchsel-
baren Eigentümlichkeit zu tun ist, richtet sich das Interesse mit allem
Nachdruck auf die überindividuellcn Gegebenheiten und Strukturen,
ohne die das Individuum nicht ist. Indem diese .objektiven' Gegebenheiten
jedoch in den Vordergrund treten, wird zugleich der Blick zurückgelenkt
auf die Besonderheit der einzelnen Persönlichkeit, die
voll und ganz hierin wurzelt - ohne doch jemals darin aufzugehen"
(ebd.).

Es erhebt sich die Frage, ob diese Sicht der historischen Persönlichkeiten
für die einzelnen Darstellungen durchgehalten werden konnte-
sie konnte es weithin nicht, spielt doch z. B. die soziale Frage oder
auch das ökonomische Umfeld nur bei wenigen Autoren eine Rolle.
Von der von Luther entfachten „Volksbewegung mit revolutionären

Zügen" (1,15), bei der es nur um die Reinigung der Frömmigkeit
und des kirchlichen Lebens ging, ist wenig in der Darstellung der Epigonen
oder der Reformatoren des zweiten Gliedes zu spüren, obwohl
es wohl kaum eine politische oder soziale Bewegung in dieser Zeit gab,
die nicht unter diesem Leitbild stand. Eine Ausnahme bilden hier natürlich
die Persönlichkeiten des radikalen Flügels, deren Zahl
allerdings klein war. Auch auf katholischer Seite fehlten überragende
Männer, die zu Luthers Lebzeiten dem Reformator einigermaßen
gleichwertig entgegentreten konnten.

Und hier stellt sich als weitere Frage die der Auswahl. Sechzehn
Beiträge im ersten und siebzehn im zweiten Band werden vorgelegt,
aber nirgends gibt der Herausgeber Aufschluß darüber, was ihn zur
Aufnahme - -oder zum Weglassen - der Reformatoren, der Fürsten,
der Gegner der Reformation, ja sogar der Opfer der Reformation
bewogen hat. Man vermißt zahlreiche Namen wie etwa Cruciger,
Jonas, Amsdorf, Spalatin, Dietrich, Menius, Mykonius, für die man
vielleicht gerne auf Thomas More, Martin Chemnitz oder auch Servet
verzichtet hätte. Ähnlich liegt der Fall bei den Fürsten: Vorgestellt
werden Karl V., Philipp von Hessen und Moritz von Sachsen - man
vermißt aber alle Ernestiner. Zweifellos liegt in der Darstellung der
Biographien auch der etwas abgelegenen' Reformatoren, dem Verlassen
der gewohnten Geleise, ein großer Reiz, doch kann man sich des
Eindrucks nicht erwehren, daß der Herausgeber seine Auswahl nach
den ihm angebotenen Personen gerichtet hat, ist doch bis auf ganz
wenige Ausnahmen immer ein sehr kompetenter Bearbeiter gefunden
worden, der zumeist schon mehrfach über die vorgestellte Persönlichkeit
gearbeitet hat.

Die Darstellungen sind allgemeinverständlich und wenden sich an
ein breiteres Publikum. Sie wollen keine Fachbiographien sein, wie
die deutschen Übersetzungen zeigen, die den wenigen lateinischen
Zitaten - sie werden nicht nachgewiesen - beigegeben sind. Anmerkungen
entfallen weithin, doch werden gelegentlich Nachweise in
Klammern gegeben. Die Gliederung und der Aufbau der Aufsätze
sind unterschiedlich wie auch die Länge, an denen ein wenig die Bedeutung
abgelesen werden kann, die den einzelnen Persönlichkeiten
zugemessen wird. Auffallend ist die unterschiedliche Dichte in den in
der Regel sehr kurz gehaltenen Literaturangaben. Als krassestes Beispiel
sei hier der Aufsatz über Luther mit ganzen vier Titeln dem über
Ignatius von Loyola mit 122 Titeln entgegengestellt.

Gelegentliche Überschneidungen, die bei einem derartigen Aufbau
nicht vermeidbar sind, stören nicht, eher schon die unterschiedliche
Art, einmal etwas zu erläutern (etwa via antiqua/via moderna) oder es
zum anderen einfach vorauszusetzen. Auch findet sich eine teilweise
unterschiedliche Schreibweise bei manchen Namen wie Thomas
More - Morus, Margarete von der Sale - von der Saale oder auch
Blaurer und das allein richtige Blarer. Hieraus ergibt sich schon, daß
die Darstellungen von einer stark differierenden Intensität sind. Sie
sind allerdings von einer zumeist sehr hohen Qualität, auch wenn sie
unterschiedlich aufgebaut sind. Biographie und Lebenswerk bzw. das
theologische Wirken wie auch die Nachwirkungen werden teilweise
miteinander verwoben oder auch biographische Notizen in die Darstellung
der Theologie eingebaut, teilweise werden diese Teile aber
auch exakt getrennt - es ist dies ein Problem, vor dem jeder Herausgeber
steht, der mehrere Autoren unter eine Konzeption zu bringen
hat.

Im einzelnen werden vorgestellt (in der hier angegebenen Reihenfolge
):

Johannes Rcuchlin (Siegfried Raeder). der große Gelehrte des späten Mittelalters
, über dessen genaue Gedankenwelt es kein festes Bild gibt, da kaum
heute jemand genügend Hebraist, Judaist. Theologe und Historiker ist, wird als
Begründer der modernen Hebraistik gewürdigt, gefolgt von Erasmus von Rotterdam
(Cornelis A ugustijn), dessen Beeinflussung durch die devolio moderna
gegen zahlreiche Forscher abgelehnt wird. Nach der Darstellung der Grundmotive
der Gedankenwelt des Erasmus wird in einem sehr stark theologischsystematischem
Teil auch ausführlich auf die Ausgabe des NT eingegangen.

Lukas Cranach (Peter Poscharsky) wurde als einziger Künstler sicher zu
Recht ausgewählt, hat er uns doch fast fünfzig verschiedene Luthcrbildnisse