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Ausgabe:

1982

Spalte:

749-751

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Lohse, Bernhard

Titel/Untertitel:

Martin Luther 1982

Rezensent:

Brecht, Martin

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 10

750

Zeitschrift 105,1979 Sp. 582-584 von mir ausführlich gewürdigt worden
. Am Schluß dieser Besprechung war der Wunsch ausgesprochen,
daß recht bald eine deutsche Übersetzung dieses bedeutsamen Werkes
erscheinen möchte. Hier liegt sie vor. Die Übersetzung, die wir Beda
Kriener O. S. A. verdanken, verdient alles Lob, sie ist genau und zuverlässig
; nur im Vergleich zu den Kapiteln VI und VII, die wohl
deutsch konzipiert wurden, merkt man, daß es sich um eine Übersetzung
handelt. Druckfehler und Versehen finden sich nur ganz selten,
so etwa S. 97, wo aus cinco 6 Konvente geworden sind. Störend wirkt
das unruhige Satzbild mit den unregelmäßigen Zeilenenden.

Das uneingeschränkte Lob, das in der genannten Besprechung diesem
Werk des Altmeisters der Augustinergeschichtsschreibung ausgesprochen
wurde, braucht hier nicht wiederholt zu werden. Das Buch
verdient volle Aufmerksamkeit und die Übersetzung unseren Dank.

Erfurt Erich Kleineidam

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Lohse, Bernhard: Martin Luther. Eine Einführung in sein Leben und
sein Werk. München: Beck 1981. 255 S. 8' = Beck'sche Elementarbücher
. Kart. DM 24,-.

Nach dem Vorwort ist es die Zielsetzung dieses Buches, „einmal
eine gewisse Übersicht über wichtige Probleme und Aspekte der
Lutherforschung zu geben, zum anderen zur eigenen Beschäftigung
mit Luther hinzuführen und für die Weiterarbeit Anregungen zu vermitteln
". Es handelt sich bei diesem neuartigen Hilfsbuch zum Lutherstudium
um eine Einführung, nicht um die Kurzfassung einer
Biographie oder Theologie des Reformators. Man wird die Benützer,
d. h. vor allem auch die Studenten, deutlich auf diesen Unterschied
hinweisen müssen, sonst kommt es zu mißlichen Verkürzungen. Der
Vf. erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, er hat vielmehr
„rigoros" ausgewählt und manches nur exemplarisch dargestellt. Bei
den nicht zu knapp bemessenen Literaturhinweisen am Ende eines
jeden Kapitels ist eine repräsentative Auswahl angestrebt und weithin
auch erreicht worden.

Das Buch gliedert sich in 7 Kapitel: 1. Umwelt; 2. Überblick über
Fragen der Biographie; 3. Auseinandersetzungen und Verwicklungen;
4. Schriften; 5. Aspekte und Probleme der Theologie; 6. Geschichte
der Lutherdeutung; 7. Ausgaben, Fachzeitschriften, Hilfsmittel. Die
meisten Kapitel sind in kurze, übersichtliche Sinnabschnitte (bis zu
48) untergeteilt; lediglich die Kapitel 5 und 6 besitzen außerdem eine
systematische Zwischengliederung. Wie man sofort erkennt, überschneiden
sich die Kapitel 2 bis 5 teilweise, so daß es gelegentlich zu
Doppelungen oder auch zu Auslassungen kommt, die nicht in allen
Fällen durch Verweise überbrückt werden. Die Darbietung verzichtet
also auf einen durchgehenden Faden und setzt unter wechselndem
Aspekt mehrfach neu an. Das Problem, das sich dahinter verbirgt, ist
dem Vf. nicht unbekannt. Es besteht in der Alternative von systematischer
und historisch-genetischer Darstellung und wird am Anfang
des Kapitels über Luthers Theologie besonnen erörtert. Die Art
und Weise, wie das Buch Leben und Werk Luthers in der Disposition
anordnet, befriedigt freilich nicht ganz. Die Auseinandersetzungen
und die Schriften müßten sowohl der Biographic als auch der Theologie
enger zugeordnet werden. Man kann z. B. aus dem biographischen
Abriß nicht Luthers Prozeß auslassen. Die Kriegslcuteschrift, die
Türkenschriften und das Widerstandsrecht werden unter „Auseinandersetzungen
und Verwicklungen" behandelt; in diesem Fall ist die
Orientierungsleistung der Disposition nicht mehr sehr groß. Vielleicht
hätte man die Schriften besser wie die Literatur den einzelnen
Kapiteln zugeordnet. Sofern man sich jedoch der Problematik des
Aufrisses bewußt ist, findet man sich angesichts der geringen Zahl der
Kapitel dennoch zurecht.

Die Darstellung der beiden ersten Kapitel Umwelt und Fragen der
Biographie kann nicht anders als äußerst gedrängt sein. Vielfach gelingt
eine treffende und ausgewogene Zeichnung des Sachverhaltes
(z. B. bei der Frage der Periodisierung, der Problematik der Anfechtungen
oder des Thesenanschlags), gelegentlich bleibt die Information
zu pauschal oder dürftig (12 Zeilen über die „geistige Situation").
Manchmal schleichen sich problematische Behauptungen ein. Trifft
es zu, daß neben den Flächenstaaten auch einige große Städte ihren
Einfluß vergrößern konnten (16)? Von einem beträchtlichen hussiti-
schen Einfluß im 16. Jahrhundert (23) kann man wohl nur in den Anliegerstaaten
zu Böhmen sprechen. Manche Formulierungen wirken
verkürzend: „Luther, ein Nicht-Adliger, also ein Mensch bäurischer
Herkunft" (32); war er denn nicht schon ein Städter? Ruft Luther in
Stotternheim die Hl. Anna wirklich als Schutzpatronin der Bergleute
an (34)? Luther wurde nicht „gleichzeitig" Baccalaureus biblicus und
Sententiarius, sondern das eine nach dem andern (39). Kann man
sagen: „Luther hat jedoch niemals ein bestimmtes Programm für eine
Reformation vertreten" (42)? Nach 1522 wird der Abriß der Biographie
, selbst wenn man die schlechte Forschungslage berücksichtigt,
erstaunlich dürftig. Es geht bei diesen Anfragen und Ausstellungen
gewiß nicht um ein kleinliches Nachmessen. Es wäre jedoch problematisch
, wenn an manchen Punkten unscharfe Vorstellungen von
vornherein fixiert würden.

Die Frage der Historizität des Thesenanschlags wird als offen bezeichnet
(56). Die Konsequenzen aus den bestehenden Alternativen
erscheinen mir nicht unbedingt zwingend. Für didaktisch und historisch
problematisch halte ich die Aufnahme der Wendung von den
„drei sog. reformatorischen Hauptschriften" (60). Bei der Beschreibung
der Wittenberger Reformen (61 ff) wird, anders als in der neuen
Literatur, vergröbernd das zunächst weitgehende Einverständnis
Luthers mit den Wittenbergern übergangen. Die „Massenversammlung
", gegen die sich Luther 1520 stellte (63), war der Akademische
Senat in Wittenberg. Relativ breit werden zu Recht der Streit mit
Erasmus und der über das Abendmahl behandelt. Mit merklicher Zurückhaltung
begegnet der Vf. dabei der Christologie, vor allem dem
Rückgriff auf die scholastische Ubiquitätslehre. In der späteren Darstellung
der Theologie werden Christologie und Sakramente übergangen
(vgl. allerdings 134 und 141). Man kann sich fragen, ob hier die
Einführung nicht hinter ihrer Aufgabe zurückbleibt. Der antinomi-
stische Streit wird nur gestreift. Aus der Spätzeit werden die Themen
des landesherrlichen Kirchenregimentes und der Polemik Luthers
aufgegriffen, wobei manches einseitig fixiert wird Die Judenschriften
hätte man gern eingehender erörtert gesehen. Di'! Ausführungen über
Luthers Selbstverständnis sind begrüßenswert. Der Überblick über
Luthers Schriften und Schriftstellerei ist insgesamt instruktiv, wenn
man auch über manche Klassifizierungen streiten kann. Luthers
Bibelübersetzung wird eigens gewürdigt. Vermißt habe ich einen eigenen
Abschnitt über den Sermon von den guten Werken. Wie schon
das Vorwort erwähnt, muß man zu diesem Kapitel zusätzlich Herbert
Wolf, Martin Luther. Eine Einführung in germanistische Luther-
Studien. Stuttgart 1980 heranziehen.

Bei der Darstellung der Theologie Luthers hat sich der Vf. für die
auch sonst angewandte Kombination des historisch-genetischen mit
dem systematischen Verfahren entschieden, indem er nach seinen
beachtlichen und ausgewogenen Vorüberlegungen zunächst die Entwicklung
des jungen Luther bis zum reformatorischen Durchbruch
behandelt. In die Probleme der frühen Theologie und des reformatorischen
Durchbruchs (Datierung) wird objektiv und zurückhaltend
eingeführt; die Alternativen, zu denen der Vf. dabei kommt (160),
scheinen mir freilich nicht das letzte Wort in der Sache zu sein. Anschließend
werden in systematischer Anordnung die Autorität der
Schrift, Vernunft und Glaube, die Stellung zum überkommenen
Dogma (mit besonderer Hervorhebung der Trinitätslehre), Ekklesio-
logie (mit einer gewissen Betonung des Amts), Obrigkeit und Zwei-
Reiche-Lehre und die Schau der Geschichte behandelt. In all diesen
Abschnitten wollte der Vf. das Zentralthcma der Rechtfertigung und
Soteriologie berücksichtigen (vgl. 152); dennoch bedauert man den
Verzicht auf eine direkte Entfaltung. Die Geschichte der Lutherdeu-