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Ausgabe:

1982

Spalte:

737-738

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klijn, Albertus Frederik Johannes

Titel/Untertitel:

An introduction to the New Testament 1982

Rezensent:

Gräßer, Erich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 10

738

in den einstigen paulinischen Missionsgebieten ist die „Verkirch-
lichungder paulinischen Theologie" (S. 698-746), die sich im Kol, im
Eph (der als erster das Mittel der moralischen Diffamierung gegen die
gnostischen „Häretiker" einsetze, weil er sich theologisch nicht mit
ihnen auseinanderzusetzen vermochte), im Hebr (dem es um die Fortführung
der Theologie [!] in den paulinischen Gemeinden gegangen
sei) und im Barnabasbrief zeige. Auch Ignatius, der I. Clemensbrief,
die Petrusbriefe, die Pastoralen (Kirchenordnung im Namen des Paulus
) und Polykarp werden von ihrem Paulusverständnis her interpretiert
. Der letzte Abschnitt (S. 747-785) zeigt das Christentum in der
Auseinandersetzung mit der Welt, dargestellt in einem Referat der
lukanischen Schriften und der apokryphen Apostelakten sowie der
Theologie Marcions und der ältesten Apologeten. Den Schluß bildet
eine Inhaltsangabe des Polykarp-Martyriums.

Kritisch mag vermerkt sein, daß K. in seinem Buch nur verhältnismäßig
selten argumentiert, sondern meistens thctisch berichtet bzw.
Behauptungen aufstellt. So heißt es (S. 2080: Daß das Christentum
„zunächst die Religion der Armen und Unterprivilegierten war, ist
Unsinn und läßt sich leicht widerlegen" - die Widerlegung dieser beliebten
These sucht man allerdings vergebens. K. behauptet (S. 449),
die von Mt und Lk benutzte Ausgabe des Mk habe sich „wesentlich
von dem uns überlieferten Markusevangelium" unterschieden - auch
hier wünscht man sich zumindest nähere Erläuterungen (auf S. 604f
ist der Sachverhalt wesentlich vorsichtiger dargestellt). Nachdrücklich
behauptet K. ein sehr hohes Alter apokrypher Evangelien (S. 587:
Das Thomas-Evangelium enthalte kaum Spuren einer Einwirkung
der kanonischen Evangelien. S. 598-600: Das Petrus-Evangelium sei
ursprünglich älter als die kanonischen Evangelien), ohne auf abweichende
Forschungsergebnisse auch nur hinzuweisen. Besonders
problematisch ist diese Art der Darstellung im Zusammenhang theologisch
bedeutsamer Themen. So sagt K. (S. i960, das NT rede oft die
Sprache der Mysterien, und die entscheidende Differenz bestehe nur
darin, daß das Mysterium im Christentum „demokratisiert und von
materiellen Voraussetzungen unabhängig gemacht" worden sei; K.
betont ausdrücklich, dies sei „aus theologischen Gründen" erfolgt -
aber leider nennt er eben diese theologischen Gründe dann nicht.

Andererseits ist es erfreulich, wenn man z. B. die nüchterne Feststellung
liest, daß es im Römischen Reich den Begriff der „religio
licita" nicht gegeben hat (S. 233. 376); dieses Stichwort geistert ja
durch zahlreiche Darstellungen der urchristlichen Zeitgeschichte, und
K. stellt mit wenigen Worten klar, warum es vom römischen Religionsverständnis
her diesen Begriff gar nicht gegeben haben kann.
Sehr hilfreich ist es. daß K. bei der Darstellung der urchristlichen
Quellen (§ 7) sogleich den Kanon behandelt (S. 433-442) und eine
ausführliche Charakterisierung der wichtigsten Textzeugen des NT
gibt (S. 444-467)- Nestle2'' enthält ja eine derartige Übersicht nicht.

Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und insofern überaus gut lesbar
, trotz der beinahe beängstigenden Fülle von Informationen. Vieles
, wofür man bisher auf zahlreiche verschiedene monographische
Darstellungen und Lexikonartikcl angewiesen war (bzw. im akademischen
Unterricht verweisen mußte), liegt nun zusammengefaßt und
in einen großen Rahmen eingeordnet vor. Die Geschichte der Theologie
des Urchristentums und die Geschichte der ältesten Kirche werden
deutlich faßbar als Teil der antiken Geistes-, Kultur- und Sozial-
geschichtc. und insofern dürfte sich diese „Einführung in das Neue
Testament" nicht nur als Nachschlagewerk, sondern auch als unmittelbares
Hilfsmittel bei der Auslegung neutestamentlicher Texte
bewähren.

Bethel Andreas Lindemann

Müh, A. I I An Introduktion to the New Testament. Leiden: Brill
1980. XIV. 237 S. gr. 8'. hfl 28.-.

Das vorliegende Buch ist ein fast unveränderter Nachdruck der
I ■ Aufl. von 1967, die der Rezensent in ThLZ 94, 1969 Sp. 35f positiv

gewürdigt hat. Die Durchsicht bezieht sich im wesentlichen auf die
bibliographischen Angaben, von denen gleich die Rede sein soll. Inhaltlich
jedenfalls hat der Vf. nichts verändert - ein beachtliches
Beharrungsvermögen angesichts der Vielfalt der Ergebnisse gerade auf
dem einleitungswissenschaftlichen Forschungsgebiet des letzten Jahrzehnts
! Um nur zwei Punkte herauszugreifen. Einmal: der vom Institut
für neutestamentliche Textforschung in Münster erarbeitete Forschungsstand
ist nicht repräsentiert, wenn das sonst unveränderte
Kapitel „Der Text des Neuen Testaments" (185-198) ergänzt wird
durch den Hinweis, daß es jetzt die 26. Aufl. des Nestle-Aland gibt (=
3. Aufl. von The Greek New Testament). Dann: Ist heute eine „Einleitung
in das Neue Testament" vertretbar, die der Spruchquelle Q
keinen eigenen Abschnitt widmet?

Aber auch die Chance, das Buch wenigstens in den bibliographischen
Angaben auf den Forschungsstand zu bringen, blieb weitgehend
ungenutzt. Ergänzungen und Austausch von Titeln werden hier offenbar
unter der Einschränkung vorgenommen, die Paginierung der Erst-
auflage unverändert zu erhalten. Das ist gelungen und mag verlegerisch
vorteilhaft sein; für den Benutzer ist es ein Nachteil, weil die Informationen
einfach zu spärlich sind. Er erfährt im Kapitel über die
„Einleitungen" (1-5) z. B. nicht, daß Kümmels klassisches Buch von
1963 seit der 17. Aufl. von 1973 kein Feine-Behm-Kümmel mehr ist,
sondern ein völlig neu erarbeitetes eigenes Konzept (inzwischen
20. Aufl. 1980). Er erfährt auch nicht, daß es ein katholisches Pendant
dazu gibt (Schmid/Wikenhauser, Freiburg 1973) und seit 1975 die
großartige „Geschichte der urchristlichen Literatur" von Ph. Vielhauer
. Die Bibliographie am Ende des Buches (226-233) war wegen
der stark subjektiven Auswahl schon in der 1. Aufl. nicht befriedigend
. Das ist durch einige Veränderungen jetzt zwar besser geworden,
reicht aber als Repräsentation wenigstens der wichtigsten Arbeiten
immer noch nicht aus. Begrüßen wird es dagegen der englische Leser,
daß dort, wo deutsche Standardwerke ins Englische übersetzt worden
sind(z. B. Kümmel, Marxsen), diese Ubersetzungen jetzt auch zusätzlich
genannt werden.

Bonn Erich Gräßer

Strecker, Georg: Kschaton und Historie. Aufsätze. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht 1979. 399 S. gr. 8 Kart. DM 74,-.

Wenn auch einige Aufsätze aus dem vorliegenden Sammelband des
Göttinger Neutestamentiers G. S. mehr als zwanzig Jahre alt sind,
handelt es sich um eine Lektüre, die aktuell ist. Der Vf. konzentriert
sich auf einige zentrale Fragen der neutestamentlichen Forschung und
behandelt sie mit kompetenter Sachkenntnis, schöpferischer Denkfähigkeit
und umsichtigem Urteil. Vor allem ist er jedoch wirklich ein
Theologe, der die Methoden und Erträge der wissenschaftlichen Exegese
theologisch reflektiert. Die siebzehn Beiträge sind in vier Gruppen
gegliedert (Exegese, Theologie des Neuen Testaments, Religionsgeschichte
und Wissenschaftsgeschichte), von denen die erste Gruppe
die umfangreichste ist (8 Aufsätze). Die bedeutenden Themen gehen
jedoch querdurch die einzelnen Gruppen.

S. ist vor allem durch seine Arbeit an der redaktionsgeschichtlichen
Erforschung des Mattäuscvangeliums bekannt geworden. In dem vorliegenden
Band ist sie durch die Aufsätze „Das Geschichtsverständnis
des Matthäus" und „Die Makarismen der Bergpredigt" vertreten. Mit
den judenchristlichen Schichten des Mattäusevangeliums beschäftigt
sich S. auch in dem Aufsatz „Christentum und Judentum in den
ersten beiden Jahrhunderten", der vor allem dem Judenchristentum
gewidmet ist. Ähnlich wie in seiner Monographie „Der Weg der Gerechtigkeit
" (1962,11966) unterscheidet er das judenchristliche Traditionsgut
von der mattäischen Redaktion. In den beiden anderen Aufsätzen
aus späterer Zeit fragt er u. a., wie sich die mattäische Redaktion
mit dem judenchristlichen Gut auseinandersetzt: Z. B. die Begrenzung
der Mission auf Israel ist im Rahmen der mattäischen Pcrio-