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Ausgabe:

1982

Spalte:

735-737

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Köster, Helmut

Titel/Untertitel:

Einführung in das Neue Testament 1982

Rezensent:

Lindemann, Andreas

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 10

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Wenn eine solche sich stringent nachweisen ließe, würde es sich erübrigen
, jede hellenistisch-jüdische Mischform durch eine „illegale"
Mystik, die von den Rabbinen abgelehnt wurde, zu erklären, wie das
z. B. E. R. Goodenough tat. Schließlich verfestigt sich vor dem Hintergrund
der neuesten Ausgrabungen der Eindruck, daß die Gesamtgeschichte
des nachkonstantinischen Judentums, das wohl erst im
6. Jh. unter Justinian wirklich einen entscheidenden Niedergang
erlebte, neu konzipiert werden muß.

Es ist dringend zu wünschen, daß Gutmann die hier gerade eben nur
angedeuteten Fragestellungen, die nicht nur für die Geschichte des
Judentums, der Alten Kirche und schließlich sogar für die Anfänge
des Islam, sondern auch für das Gesamtbild der ausgehenden antiken
Welt schlechthin von eminenter Bedeutung sind, in weiteren Publikationen
verdeutlicht und vertieft. Die internationale Forschung wird
ihm diesen „Service" zu danken wissen.

Münster (Westf.) Peter Maser

Neues Testament

Köster, Helmut: Einführung in das Neue Testament im Rahmen der
Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und
römischen Zeit. Berlin - New York: de Gruyter 1980. XIX, 801 S„
1 Faltkte 8" = de Gruyter Lehrbuch. Lw. DM 78,-.

Hinter dem eher bescheiden klingenden Titel verbirgt sich eine eindrucksvolle
Darstellung der Gesehen Religions- und
Kulturgeschichte. Das umfangreiche, sehr übersichtlich gegliederte
Werk, konzipiert als „Erneuerung" des gleichnamigen Buches von
Knopf-Lictzmann-Weinel, umfaßt zwei Teile: 1. Geschichte, Kultur
und Religion des hellenistischen Zeitalters (tjij 1-5; S. 1-293); II. Die
Entstehung und Geschichte des Christentums in der Römischen Kaiserzeit
(§§ 6-12: S. 296-785). Jedem größeren Teilabschnitt sind ausgewählte
, aber keineswegs knappe, gelegentlich inhaltlich kurz charakterisierte
Literaturangaben vorangestellt; der Anhang enthält mehrere
Register und eine eigens erarbeitete ausklappbare Übersichtskarte
zum östlichen Mittelmeerraum.

Um die Breite der Darstellung vor Augen zu führen, sei zunächst
kurz der Inhalt der zwölf Paragraphen genannt: § I (S. 1-37) gibt einen
geschichtlichen Überblick über das hellenistische Zeitalter; §2
(S. 38-93) stellt ausführlich Gesellschaft und Wirtschaft, §3
(S. 94-144) Bildung. Sprache und Literatur dieser Zeit dar. §4
(S. 145-211) behandelt die Philosophie und die Religion, §5
(S. 212-293) das Judentum der hellenistischen Zeit. Der zweite Teil
schildert zunächst (§ 6; S. 296^27) das Römische Reich als Erbe des
Hellenismus und gibt in § 7 (S. 428-503) einen Überblick über die
Quellen für die Geschichte des frühen Christentums. § 8 (S. 504-528)
ist Johannes d. Täufer, Jesus von Nazareth und den ältesten christlichen
Gemeinden, § 9 (S. 529-581) Paulus gewidmet. Die drei letzten
Paragraphen schildern die Entwicklung der Kirche in den einzelnen
geographischen Bereichen (§ 10 S. 582-657: Palästina und Syrien;
§ 11 S. 658-676: Ägypten;§ 12 S. 677-785: Kleinasien,Griechenland
und Rom). Hilfreich sind die Register: Ein „Verzeichnis der frühchristlichen
Schriften" nennt die Bücher des NT, die im NT verwendeten
Quellen, die Apostolischen Väter und Apologeten sowie die ntl.
Apokryphen (darunter die Nag-Hammadi-Schriften); es folgen ein
ausführliches Namen- und Sachregister sowie ein Register der wenigen
im Text genannten modernen Autoren.

Ich will versuchen, anhand einiger Beispiele einen Eindruck von der
Fülle der vermittelten Informationen zu geben.

Erstes Beispiel: In § 2 (Gesellschaft und Wirtschaft des hell. Zeitalters
) beginnt K. mit einer kurzen Beschreibung des Phänomens
„Hellenismus", wobei er die These zurückweist, es habe unter und
nach Alexander d. Gr. eine Verschmelzung der griechischen mit der
orientalischen Kultur gegeben: Das griechische Element sei stets das

dominierende gewesen, und lediglich im Bereich der Religion könne
man tatsächlich von „Synkretismus" sprechen (S. 40). In Abschnitt 2
skizziert K. Grundstrukturen der Verwaltung und Wirtschaft, bezogen
auf die einzelnen geographischen Räume, wobei der Leser Einzelheiten
beispielsweise über die ungünstige Entwicklung Griechenlands
während der hell. Epoche und über die wesentlich bessere Lage in den
kleinasiatischen Griechenstädten und Königreichen, im Ptolemäer-
sowie im Seleukidenreich erfahrt. Ein besonderer Teil ist dem Steuerrecht
gewidmet, wo man liest, daß die Klagen über die drückende
Steuerlast im Ptolemäerreich nicht auf die Höhe der Steuern, sondern
auf deren lückenlose Eintreibung zurückzuführen gewesen seien
(S. 51). Abschnitt 3 beschreibt die hell. Gesellschaft, so z. B. die komplizierten
Beziehungen zwischen Griechen und Einheimischen, ferner
das Schul- und Ausbildungswesen in den Städten. Die Annahme, die
antike Wirtschaft habe nur in Form der Sklavenhaltergesellschaft
funktionieren können, wird nachdrücklich zurückgewiesen (S. 59). In
Abschnitt 4 schildert K. die hell. Städte in ihren vielfältigen Erscheinungsformen
- mit Nennung etwa von Einwohnerzahlen, Details der
Stadtplanung und des Straßenbaus. In den weiteren Abschnitten werden
die Landwirtschaft, Handwerk und Industrie (man erfährt z. B.
einiges über Bergwerke, Glasherstellung oder auch Buchproduktion),
der Handel (einschließlich einer Beschreibung der Handelsstraßen)
sowie das Geld und Bankwesen dargestellt (zum Bankwesen eine
interessante Bemerkung S. 92: die Funktion der Tempel als Bankhäuser
- so der Apollo-Tempel auf Delos - entspreche „der Vorstellung
der Unantastbarkeit alles dessen, was ein Heiligtum besitzt und
verwahrt").

Zweites Beispiel: Das Leben und Wirken Jesu von Nazareth wird
relativ knapp dargestellt (§ 8 Abschnitt 2; S. 506-518). K. skizziert die
äußeren Lebensdaten (Geburt in Nazareth; zeitweilige Zugehörigkeit
zur Sekte der Johannesjünger; politisch motiviertes Todesurteil durch
Pilatus - unter Verweis auf den titulus am Kreuz) und das Selbstverständnis
Jesu als Prophet, Weisheitslehrer und Exorzist (keiner der
messianischen Titel sei von Jesus verwendet worden, auch sei er kein
Apokalyptiker gewesen und.habe nicht vom kommenden Menschensohn
gesprochen): Jesus habe sich „als entscheidender und handelnder
Vermittler der Ankunft der Herrschaft Gottes" verstanden
(S. 511). K. referiert die Tendenz der Gleichnisse Jesu und seine ethische
Verkündigung, die er ganz durch die Eschatologie bestimmt sieht
(S. 513f; eine eschatologische Interpretation der Bergpredigt lehnt K.
jedoch ab [S. 612]). Ob und wie Jesus seinen Tod erwartet und interpretiert
habe, müsse offen bleiben - jedenfalls sei an den Erscheinungen
des Auferstandenen nicht zu zweifeln, wie immer man sie psychologisch
und religionsphänomenologisch interpretieren mag (S. 517).
Entscheidend ist, daß die Auferstehung Mission und Gemeindegründungen
auslöste (S. 518).

Drittes Beispiel: In §9 behandelt K. Leben und Wirken des Paulus,
und zwar - nach einem kurzen chronologischen Überblick - in Form
eines zeitlich geordneten Referats der paulinischen Briefe, die er als
Mittel paulinischer Kirchenpolitik versteht. Hier werden Einleitungsfragen
erörtert; es wird aber auch die theologische Substanz dargestellt
, so daß die Briefe als lebendiger Spiegel der Entwicklung der ältesten
Kirche erscheinen.

Viertes Beispiel: § 12 ist eine Darstellung der kirchlichen Entwicklung
in Klcinasicn, Griechenland und Rom, orientiert an bestimmten
Sachgesichtspunkten. Zunächst zeigt K. „Die Erneuerung der Apoka-
lyptik" (S. 677-697) gegen Ende des 1. Jh. anhand von 2 Thess (der
die radikalisiertc Eschatologie der Gegner zurückweise und die Paru-
sie in eine „kalkulierbare Distanz" [680] rücke, um verantwortliches
Handeln der Gemeinde in der Welt zu ermöglichen), Jud (Zeugnis der
Auseinandersetzung zwischen Apokalyptik und Gnosis), Apk des
Johannes (Beschreibung der geschichtlichen Gegenwart der Kirche;
erst in Apk 19,11-22,5 werde von der cschatologischcn Zukunft gesprochen
) und Hirt des Hermas (Darstellung der Probleme einer
christlichen Lebensordnung vor dem Hintergrund des apokalyptisch
motivierten Bußrufs). Zweites großes Kennzeichen der Entwicklung