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Ausgabe:

1982

Spalte:

724-725

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Turdeanu, Émile

Titel/Untertitel:

Apocryphes slaves et roumains de l'Ancien Testament 1982

Rezensent:

Goltz, Hermann

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 10

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die Apokalyptik. Die apokalyptischen Vorstellungen sind nach G.
auch durch die Traditionen des Neujahrsfestes gefärbt, aber der Nachdruck
verschiebt sich auf die endgültige Überwindung des Bösen (das
unter dem iranischen Einfluß personifiziert wird) und auf die transzendente
Rehabilitierung der leidenden Gerechten im neuen Äon. G.
betont, daß die Gestalt des Bevollmächtigten Gottes, die in mehreren
apokalyptischen Schriften auftaucht, auf verschiedene Weise dargestellt
wird und verschiedene Titel tragen kann (Menschensohn,
Messias u. a.). Mehrere Traditionen fließen hier zusammen.

Im 8. Kap. werden die Funktionen des Messias, des Ebeds und des
Menschensohns untersucht, wobei festgestellt wird, daß die Bezeichnung
mit den betreffenden Funktionen nicht fest verbunden sind.
Einige Funktionen des Ebeds hat der Menschensohn im 1. Henoch
48,5 übernommen. In der Esraapokalypse ist mit dem Menschensohn
wieder der Messias verbunden. Die Gestalt des Menschensohns wird
außer von Daniel 7 auch von dem Zoroastrismus (Gayomart) und von
der Vorstellung des wahren Menschen nach dem Bild Gottes (Gen
1,26-28; Ps 8,5) abgeleitet.

Im 9. Kap. beschäftigt sich G. mit der Reich-Gottes-Verkündigung
Jesu, in der die alttstamentliche und jüdische Verkündigung der Herrschaft
Gottes gipfelt. Die Seligprcisungen Jesu sind der tiefste Ausdruck
der schon in den Psalmen verkündeten Umkehr der Schicksale
(Kap. 3), deren zeichenhaftc diesseitige Vorwegnahme die Wunderheilungen
Jesu waren. Die Aussagen Jesu über die Nähe des Reiches
Gottes knüpfen nach G. an die prophetische Verkündigung des nahen
Tages des Herrn (Zeph 1,7-14) an. Die Sprüche über die nahe Parusie
(Mk 9,1; Mt 10,23) sind daher nicht nur im zeitlichen Sinne, sondern
als Ausdruck der inneren Gewißheit Jesu über das Kommen des Reiches
Gottes und über die Geltung seiner ewigen Werte zu deuten (S.
353-357). - Besonders deutlich schimmert das Thema des Thronbesteigungsfestes
und der Uberwindung der Kräfte des Chaos in den
Dämonenaustreibungen durch. Bedeutend ist die Beobachtung über
die in Jesus gespaltene eschatologische Erwartung. Auf der einen Seile
wird das Entscheidende in Jesus geoffenbart und verwirklicht, aber die
sichtbare, endgültige und allgemeine Vollendung ist erst die Sache der
Zukunft. - Die Beziehung Jesu zu seinem himmlischen Vater ist nach
G. eine Analogie der Beziehung des davidischen Königs zu Gott (Ps 2)
und ein Zeichen seines messianischen Bewußtseins. Die Sclbst-
bezeichnung Mcnschcnsohn hebt die Funktion Jesu als des Bevollmächtigten
Gottes hervor (Mk 2,10 parr. 28 parr.). G. hält jene
Sprüche für authentisch und behauptet, daß Jesus durch die Identifizierung
mit dem Menschensohn die messianischen Vorstellungen umgedeutet
und die jüdischen Erwartungen integriert hat.

Im 10. Kap. (The Reign of God in the Church) untersucht G. die
nachösterlichen eschatologischen und apokalyptischen Aussagen aus
Mk 13, l.und 2.Thess, Johannesoffenbarung und aus den Petrusbriefen
. Im Johannesevangelium wird dagegen nach G. die zeitgebundene
Dimension der eschatologischen Hoffnung schon aufgehoben.
Das Reich Gottes ist mehr als die geschichtliche Zukunft und mehr als
die Kirche. Es ist deshalb kein Zufall, daß Jesus das Reich Gottes als
das höhere Ideal verkündigt hat, sagt G. im Epilog (Kap. 1 1).

Der Schwerpunkt der vorliegenden Studie ist die Untersuchung des
Motivs der Gotlesherrschaft im AT und im Judentum. Die Betonung
der Kontinuität verdeckt manchmal die Bedeutung der neuen Erfahrungen
und Impulse, die die Juden mit Hilfe der älteren Vorstellungen
neu zu Wort gebracht haben. G. hat jedoch überzeugend nachgewiesen
, daß die Königsherrschaft Gottes das gemeinsame Thema der
Bibel ist. - In der theologischen Bearbeitung der neutestamentlichen
Texte steht G. - trotz einzelner Unterschiede - der Position von
C. H. Dodd nahe. Schade, daß er bei der Behandlung des „idiomatischen
" Charakters des Begriffs Reich Gottes bei Jesus die letzte Studie
von N. Perrin „Jesus and the Language of the Kingdom" 1976, nicht
erwähnt. Thematisch deckt sich die vorliegende Arbeit mit der „religionsgeschichtlichen
Studie zur vorkirchlichen Eschatologie" von
August Frhr. von Gal1, Baatltiti ~-m i)eoC>, 1926. Die Bedeutung von
G.s Arbeit besteht darin, daß seine Untersuchung der betreffenden

Texte vor schematischen Vorstellungen über die messianischen Titel
warnt und die Arbeit auf einem breiteren Forschungsfeld zusammenfaßt
.

Prag Petr Pokorny

Turdeanu, Emile: Apocryphes slaves et roumains de l'Ancien Testament
. Leiden: E. J. Brill 1981. XII. 485 S. gr. 8° = Studia in Veteris
Testamcnti Pseudepigrapha, 5.

Nach der Anzeige der zwei Bände des auf drei Bände geplanten
Werkes von Aurelio de Santos Olcro über die handschriftliche Überlieferung
der altslavischen Apokryphen (vgl. Besprechung ThLZ 107,
1982 Sp. 593-595) ist als nützliches Komplement zu dem hoffentlich
bald erscheinenden dritten Band zur handschriftlichen Überlieferung
der alttcstamentlichen altslavischen Apokryphen die Aufsatzsammlung
des in Paris lebenden und forschenden rumänischen Altmeisters
auf den Gebieten der slavisehen Apokryphen und der mittelalterlichen
slavisch-rumänischen Literaturgeschichte überhaupt vorzustellen
. Emile Turdeanu stellt in seiner Gelehrtenpersönlichkeit das
Bindeglied zu der nun bereits vergangenen Generation solcher grands
maitres wie zV. Cartojan, Andre Mazon und Andre Vadium dar.

Von den zwölf wichtigen Studien zu den slavisehen und rumänischen
alttestamentliehen Apokryphen (wobei zu erinnern ist. daß
die rumänische orthodoxe kirchlich-theologische Kultur bis zur beginnenden
Neuzeit sprachlich im Kirchenslavischen wurzelte und
diese Tradition bis heute sowohl in der Sprache als auch rumänischen
Literatur neben anderen Einflüssen wirksam geblieben ist) sind zwei
Originalstudien zu notieren:

- La , Vie d'Adam ei d'Eve'en slave et en roumain (S. 75-144), welche
die Wirkungsgeschichte bis in die moderne rumänische Literatur verfolgt
, und

- Les Paralipoinenes de Jeremie en slave (S. 348-363).

Der Vorteil der Zusammenfassung der weiteren zehn Studien als
photomechanische Reprints in diesem Band ist u. a. dann ersichtlich,
wenn man sich bei der folgenden informierenden Aufzählung deren
bisherige .Diasporasituation' in verschiedenen SpezialZeitschriften
vor Augen führt:

- Apocryphes hogomiles et apocryphes pseudo-bogomiles (S. 1 -74), aus: Revue
de fhistoire des religions, Paris, t. CXXXVIII und CXXX1X, 1950, S. 22-52
und 176-218.

- Im . Vision d'Isafe': tradition orthodoxe et traditio» herelique. aus: Kyrillo kai
Mcthodio tomos heortios epi te chiliostc kai hekatoste eteridi. II, Thessaloniki
I968.S. 289-318.

- L' .Apotalypse d'Abraham' en slave, aus: Journal lor the study of Judaism,
III, 1973,S. 153-180.

- Le .lestamenl d'Abraham' en slave et en roumain. aus: Oxford Slavonic
Papers, X. 1977,S. 1-38.

- Les .Testaments de Dottze Palriarehes' en slave. aus: Journal for the study pf
Judaism, 1,1971.S. 148-184.

- La A 'hromque de Maine' en russe, aus: Revue des F.tudcs slaves. Paris. XLVI,
1967. S. 35-64.

- La Lebende du prophele Jeremie en roumain. aus: Revue des I indes roumai-
ncs, Paris XV, 1975, S. 145-186.

- L'.Apocalypse de Barueh' en slave, aus: Rev ue des Htudcs slaves, t. 48, 1969.
S. 23-48.

- La .Palaea' byzanline ehez les Slaves du Sud et ehez les Roumains, aus:
Revue des ttudes slaves, t. 40,1964.S. 195 bis 206: Mclanges Andre Vaillant.

- Dieu crea l'lwmme de Intit Henterns et lira son nom des quatre eoins du
monde. aus: Revue des Etudcs roumaincs, Paris. XIII-XIV, 1974, S. 163-194.

Eine Reihe der Beiträge ist außerdem nicht einfach reproduziert
worden (mit Angabe der originalen Paginierung), sondern Vf. hat
Korrekturen und Addenda sowohl an die Studien unmittelbar angefügt
als auch notes complementaires (S. 436 bis 443) und eine wichtige
Bibliographie (S. 444-462) hinzugesetzt. Letztcrc bietet u. a. eine gute
Zusammenstellung von Editionen alttcstamentlicher Apokryphen,
aber auch moderner Texte, in welchen diese apokryphen Texte nachwirken
. Es bleibt abzuwarten, inwieweit hier zusätzliche Informatio-