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1982

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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geschrittene Entwicklung der Kirchenverfassung voraus. Der echte
Ignatius war der von den Aposteln eingesetzte kirchliche Oberbeamte
für die römische Provinz Syrien (wie Polykarp Haupt der Kirche in
der Asia und Irenaus Leiter der Kirche in Gallien war). Der Fälscher
setzt demgegenüber den dreifach gestuften Klerus von Bischof, Presbyter
und Diakon voraus. Ignatius sei nach Meinung des Fälschers
nicht Bischof, sondern antiochenischer Diakon gewesen. (Der Vf.
stützt sich hier auf die häufige Selbstbezeichnung des Ignatius als
„Mitknecht" der Diakone und auf die besondere Zuneigung, die Ignatius
zu ihrem Stand zu erkennen gibt.)

Der Reiseweg des Ignatius muß neu beschrieben werden. Aus den
Briefen in ihrer überlieferten Gestalt geht hervor, daß Ignatius von
Syrien zu Schiff nach Kleinasien, dann zu Land über Philadelphia an
Ephesus vorbei nach Smyrna gereist sei. Dort habe er sich brieflich
zunächst an die Römer, sodann an die Magnesier, Trallianer und
Epheser gewandt. Von Smyrna aus sei die Reise nach Troas gegangen
, wo Ignatius die drei anderen Briefe geschrieben habe, und dann
sei er auf dem Landweg quer durch Makedonien auf der Via Egnatia
nach Dyrrhachium gebracht worden. Nach den neuen Erkenntnissen
ist Ignatius zunächst mit dem Schiff von Syrien nach Ephesus gereist,
sodann zu Land nach Smyrna, wo er die Briefe an die Römer und an
die kleinasiatischen Gemeinden schrieb, dazu einen verlorenen Brief
nach Antiochien in Syrien. Von Smyrna aus, wo sich seine Spur verliert
, sei er zur See nach Italien befördert worden.

Von den fünf Briefen, die Ignatius in Smyrna schrieb, kannte der
Fälscher nur die drei, die an Gemeinden in Kleinasien gerichtet
waren. Daraus machte er sechs neue Briefe. Das Schreiben nach Tral-
les erlitt nur Umstellungen und Interpolationen. Der Magnesierbrief
ergab das Material für den heutigen Magnesier- und für den Philadel-
phierbrief. Den ursprünglichen Epheserbrief teilte der Fälscher in die
jetzt als nach Ephesus und Smyrna gerichteten Briefe auf. Der Schluß
des ursprünglichen Epheserbriefes gab das Material für den Brief an
die Smyrnäer und für den an Polykarp her. Nachdem die Fälschung
hergestellt war, sicherte der Fälscher sie dadurch, daß er in Polykarps
Philipperbrief das Stück einfügte, das wir als Kapitel 13 zählen, und
das manche für einen ersten Philipperbrief Polykarps halten. - Ignatius
ist also in Wirklichkeit nicht durch Philadelphia gekommen, und
der Dialog in dieser Stadt über den Umfang des Evangeliums ist eine
Erfindung des Fälschers. (Der Rez. vermag sich allerdings nicht vorzustellen
, daß in Philadelphia im dritten Jahrhundert eine Diskussion
über den Umfang des „Evangeliums" noch möglich gewesen sei.) -
Ferner ergibt sich, daß die Beziehung zwischen Ignatius und Polykarp
ein Werk des Fälschers ist, der seine Sammlung auf diese Weise mit
der Autorität des Polykarp zu sichern gedachte. In Wirklichkeit habe
es zur Zeit des Ignatius zwar in Ephesus, nicht aber in Smyrna eine
Gemeinde gegeben.

Überraschend ist ferner die Feststellung, daß Ignatius nicht im Zusammenhang
einer Christenverfolgung zu Tod gekommen sei, sondern
daß er sich selbst für den inneren Frieden seiner Kirche geopfert
habe, der durch die Parteien der Judaisten und Gnostiker bedroht gewesen
sei. Daraus ergibt sich dann weiter, daß die Zeit seines Martyriums
früher anzusetzen ist als in den letzten beiden Jahrzehnten des
ersten Jahrhunderts. Dies folgt nach Meinung des Vf. auch aus dem
Schweigen des Ignatius über Johannes, der zu dieser Zeit seinen
Aufenthalt noch nicht in Ephesus genommen habe.

Als Interpolator vermutet der Vf. einen Bischof von Philadelphia,
der wegen seiner Jugend an Autorität in seiner Gemeinde eingebüßt
habe und sie durch Rückgriff auf die neue Sammlung wiederherzustellen
gedachte. An Unterschieden in Schreibweise und Gedankenwelt
ermittelt der Vf. nicht wenig. Wir nennen als Beispiele, das
Drängen auf Einheit in den Briefen sei für den Interpolator charakteristisch
. Diesen kennzeichne weiter sein autoritativer Ton und der
Gebrauch des Imperativs, während der exhortative Ton und der Gebrauch
des Konjunktivs in entsprechendem Zusammenhang ein
Merkmal des echten Ignatius sei.

Die Beobachtungen des Vf. sind so treffend, daß man ihm aus bloßer
Bequemlichkeit nicht die Gefolgschaft verweigern kann. Ob man
ihm allerdings stets so weit folgen muß, wie er selber gegangen ist, das
muß der Leser im einzelnen prüfen. Lohnend ist dieses Unternehmen
in jedem Fall.

Kiel Heinrich Kraft

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

Lutherjahrbuch. Organ der internationalen Lutherforschung, hrsg.
von H. Junghans. 47. Jg. 1980. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1980. 192 S. 8'. Kart. DM 32,-.

Die Themen der Beiträge dieses Jahrgangs umspannen das ganze
16. Jahrhundert von Luthers Frühzeit bis zu Luthers Wirkungsgeschichte
im späten 16. Jahrhundert.

Martin Brecht („Randbemerkungen in Luthers Ausgaben der
.Deutsch Theologia'") befaßt sich mit der Frage, ob die Marginalien
der Ausgaben der „Deutsch Theologia" Luthers von 1516, 1518 und
1520 von Luther selbst stammen können. Er bejaht dies für die Texte
von 1516 und beschäftigt sich dann mit den bisher noch nie untersuchten
Marginalien von 1520 mit dem Ergebnis, sie stammten „mit
sehr hoher Wahrscheinlichkeit" von Luther und wertet diese Texte
als einen speziellen Beitrag zur Frage der anhaltenden Wirkung der
deutschen Mystik auf Luther.

Erneut tritt die Theologie der Heidelberger Disputation in das
Blickfeld einer Untersuchung in Ole Modalslis Beitrag „Die Heidelberger
Disputation im Lichte der evangelischen Neuentdeckung
Luthers": Luthers „eigentliche evangelische Neuentdeckung", verstanden
als Ausformung des in seiner Spätzeit beschriebenen „Turmerlebnisses
", liegt in den theologischen Thesen bereits deutlich ausgeformt
vor. Modalsli plädiert damit implizit für die Datierung des sog.
Turmerlebnisses auf zumindest vor 1517.

Der Vorarbeit für die seit 1979 erscheinende Studienausgabe von