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Ausgabe:

1982

Spalte:

682-683

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Moloney, Francis J.

Titel/Untertitel:

The Johannine Son of Man 1982

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 9

682

kumulatives Referat der einschlägigen Forschung zum Thema Amt -
Charisma - Legitimation bei Paulus hinausgelangt (sachlich las man
es bei Brockhaus und Theißen z. T. besser) und der methodologisch
nicht uninteressante Teil II daran krankt, daß das sperrige Material in
letztlich unangemessene Kategorien gepreßt werden muß.

Was bleibt? Das Bedauern, daß ein offenbar kundiger Autor mit
einer im Prinzip sinnvollen Fragestellung nur Vorarbeiten, aber keinen
Erkenntnisfortschritt erbracht hat.

Leipzig Christoph Kahler

' Für Beratung in soziologischen Fragen danke ich Frau E. Taut, Leipzig.

2 Eine Reihe von Druckfehlern dürfte bei so ausgedehnten fremdsprachlichen
Zitaten unvermeidlich und sachlich unerheblich sein. Allerdings rächt
sich die in den sozialwissenschaftlichen Fächern übliche Zitierweise dadurch,
daß Theißen, Legitimation und Lebensunterhalt, NTS21, 1975, 192-221, S. 7
u. ö. statt mit 1975c als 1975a zitiert wird, was zunächst einige Verwirrung bei
der Verifikation der Zitate schafft. S. 137 ist eine Zeile im Druck ausgefallen.

Da Webers Konzept charismatischer Autorität bzw. Jerrschaft natürlich
(via Sohm) Reflex paulinischer Begriflsbildung und Charisr.'enlehre ist, besteht
die Gefahr des Zirkelschlusses. Über diese Gefahr, die H. S. 148 abweist, ist
noch einmal zu reden, wenn das genauer erfaßte Geflecht der urchristlichen
Legitimationsstrukturen mit einer verbesserten Theorie angegangen wird.

Moloney, Francis J., SDB: The Johannine Son of Man. Roria: LAS
1976. XV, 265 S. gr. 8' = Biblioteca di Scienze Religiöse, 14.

Schon oft ist die Frage behandelt worden, ob im Johannesevangelium
die Menschensohn-Worte eine selbständige Bjdeutung
neben der dominierenden Christologie vom Sohn, der mit dem Vater
eins ist, besitzen. M. legt einen neuen Versuch vor, den Menschensohn
-Worten einen eigenen, in sich geschlossenen Gedankenkomplex
zuzuordnen. M.s Ergebnis lautet kurz zusammengefaßt: Der Titel
Menschensohn bezieht sich nur auf das irdische Werk Jesu von der
Inkarnation bis zum Tode am Kreuz. Der Menschensohn ist der einzige
Offenbarer, weil er vom Himmel gekommen ist (Joh 3,13; 6,62)
und er ist der Richter (Joh 5,27). Nur mit dem Titel Menschensohn ist
das doppeldeutige Wort hypsoun (kreuzigen/erhöhen) verbunden.
Wegen der Konzentration des Menschensohntitels auf das irdische
Werk Jesu ist Johannes als Verbindungsglied anzusehen zwischen der
synoptischen Tradition vom Menschensohn als zukünftigen Richter
einerseits und den apostolischen Vätern andrerseits, bei denen Menschensohn
Korrelatbegriff zu Gottessohn für die Zeit von Jesu Erniedrigung
geworden ist.

Weil M. nur den spezifisch johanneischen Sinn des Titels Menschensohn
erfassen will, glaubt er, allen religions- und traditionsgeschichtlichen
Fragen ausweichen zu dürfen. „Angesichts der Vielfalt
von Interpretationen erscheint das als die am meisten befriedigende
Methode, um zu einer Art von Synthese zu kommen, jeden
johanneischen Menschensohn-Spruch in seinem unmittelbaren Kontext
zu untersuchen" (22). Dementsprechend ist das Buch aufgebaut:
In der Reihenfolge des Evangeliums werden alle Menschensohn-
Sprüche behandelt und der Analyse des Einzelspruchs eine umfangreiche
Darstellung des Kontextes vorangestellt. Ein bemerkenswerter
Grundsatz M.s ist: die Ablehnung jeder Art von Umstellungen oder
Annahme von Redaktionen in dem Text. M. stellt ausführlich Umstellungsversuche
dar, aber kehrt refrainartig zu der Maxime Dodds
zurück: „Zu sehen, was man mit dem Dokument, so wie es auf uns
gekommen ist, machen kann, bevor man versucht, es zu verbessern"
(74 u. ö.). So bezieht M. auch Johannes 5,27; 6,27b.53 in seine Synthese
ein, die von Bultmann und der Mehrzahl der deutschen Forscher
dem Redaktor zugewiesen werden. So liegt nun das Schwergewicht
von M.s Untersuchungen auf der Disposition des Textes, um Beziehungen
zu dem einzelnen Menschensohn-Spruch herzustellen. Wieder
werden in ermüdender Breite die verschiedensten Dispositionsentwürfe
dargestellt. Die bewundernswerte Kenntnis der Sekundärliteratur
fuhrt den Verfasser und die Leser immer wieder auf Seitenwege
. Bisweilen schweift M. so weit vom Thema ab, daß innerhalb des
Kontextes des Menschensohn Wortes Joh 13,31 sogar textkritische
Überlegungen zur Fußwaschungs-Perikope geboten werden (192f).
Nach welchem Auswahlprinzip M. exegetische Fragen aus dem weiteren
Kontext behandelt, wird nicht recht einsichtig. So erheben sich
schon gegen die Methode erhebliche Einwände.

Die von M. als Zusammenfassung der Besonderheiten der Menschensohn
-Worte im Johannesevangelium gebotene Gegenüberstellung
von Menschensohn und Gottessohn (211-213) zeigt m. E. genau
das Gegenteil von dem, was M. beweisen will. M. muß bei fast jedem
seiner neun Punkte eine Ausnahme auf der anderen Seite oder Überschneidungen
zugestehen. In der folgenden verkürzten Wiedergabe
habe ich die Worte hervorgehoben, die m. E. der These M.s den
Boden entziehen.

1. Der Menschensohntitel ist immer in der dritten Person gebraucht - es gibt
manchmal eine klare Identifikation zwischen Jesus und dem Sohn.

2. Der Menschensohntitel ist gebraucht für den irdischen Jesus. Er ist präexistent
, und wir wissen das aus 3,13 und 6,62 - Gottessohn bezieht sich manchmal
auf den präexistenten Christus.

3. Menschensohn ist niemals in Beziehung zum Vater gebraucht außer6,2l -
Gottessohn ist fast immer in enger Beziehung zum Vater gebraucht.

4. Der Menschensohn ist der einzige Offenbarer, weil er der einzige ist, der
vom Himmel gekommen ist (3,13; 6,62). Der Nachdruck liegt auf der Inkarnation
. - Der Sohn ist der einzige Offenbarer wegen seiner Einheit mit dem Vater.
(Liegt nicht auch bei Sohn der Nachdruck auf der Inkarnation?)

5. Der Menschensohn ist der Richter - der Sohn ist nicht in die Welt gekommen
, um zu richten. Jedoch bringt sein Sein in der Welt notwendigerweise Gericht
, und diese Gerichtsfunktion des inkarnierten Sohnes ist meistens in der
Terminologie vom Menschensohn gesagt.

6. Der Menschensohn ist für den irdischen Weg Jesu verwendet von der Verheißung
1,51 bis zum Tod am Kreuz - Gottessohn ist verwendet für den präexistenten
, irdischen und verherrlichten Christus.

7. Der Menschensohn ist der am Kreuz erhöhte in dem doppeldeutigen Sinn
des Verbs hypsoun - das Verb hypsoun ist niemals für Gottessohn gebraucht.
(Läßt sich wirklich sachlich ein Unterschied zwischen dem doxasthenai des
Menschensohns 13,31 und des Gottessohns 17,1 ziehen, wie M. 199fesmitder
verschiedenen Form beweisen will?

8. Der Menschensohn ist verherrlicht am Kreuz, der Gottessohn ist verherrlicht
durch das Kreuz.

9. Der Höhepunkt der Offenbarung des Menschensohns ist in der Passion und
im Tod am Kreuz erreicht - Gottessohn ist niemals mit dem Weg zur Passion
verbunden (gegen diese Einschränkung gegenüber dem Titel Gottessohn sprechen
m. E. eindeutig 12,28-31; 17,1-5).

Anbetrachts solcher eigenwilliger Eingrenzungen erscheint m. E.
das Urteil unvermeidlich, daß M.s Versuch mißglückt ist. Es ist doch
wohl so, daß das Johannesevangelium nur eine einzige in sich
geschlossene Christologie hat: Jesus ist der mit dem Vater in allen
Dingen einige und einzige Sohn, der in die Welt kommt, um den Vater
zu offenbaren. Da der johanneische Christus alle Hoffnungen, die man
auf den Erlöser richtet, erfüllt, verwendet Johannes auch andere Titel
wie z. B. Logos, Lamm, König, Messias und natürlich auch Menschensohn
. Bei der Einschmelzung aller dieser Titel in den johanneischen
Gesamtentwurf bleiben Spuren der ursprünglich mit diesen
Titeln zusammengehörigen Vorstellungen erhalten, weil an geschichtlich
bedeutsamen Begriffen bestimmte Wortfelder und Vorstellungen
haften. Mag sein, daß das beim Titel Menschensohn stärker
der Fall ist als bei anderen; eine selbständige christologische Bedeutung
hat aber auch er im Johannesevangelium nicht.

Karl Martin Fischert

Moloney, Francis J., SDB: The Johannine Son of Man. 2nd Ed

Roma: LAS 1978. XV, 306 S. gr. 8" = Biblioteca di Scienze Religiöse
, 14. Kart. Lire 10 000.

Die voranstehende Besprechung erscheint durch eine Reihe von
Umständen bedauerlicherweise erst mit sehr großer Verspätung. Die