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Ausgabe:

1982

Spalte:

676-679

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Zur Soziologie des Urchristentums 1982

Rezensent:

Baumbach, Günther

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 9

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Dabei wird noch die vom Vf. im ersten Teil anschaulich referierte
relative Weite innerhalb des Zionismus als jüdischer Erneuerungsbewegung
aufgegeben zugunsten einer stark verengten, restaurativ-
theokratischen Auffassung, die letztlich weit mehr in der christlichfundamentalistischen
Interpretation der Rolle Israels als Gottesvolk
wurzelt als im jüdischen Selbstverständnis.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

' Vgl. die Besprechung von F. W. Marquardt, Die Juden und ihr Land, in
dieser Zeitschrift, Jg. 104, 1979 Sp. 652-656.

2 Die Erfolglosigkeit des theologischen Dialogs' mit dem Judentum hat ihre
Ursache nicht in mangelnder Verständigungsbereitschaft, sondern ist objektiv
im geschichtlichen .Nacheinander' beider Glaubensgemeinschaften begründet.
Entsprechendes gilt überhaupt vom Verhältnis zwischen älteren und jüngeren
Religionen oder Konfessionen, die auf dem gleichen Traditionsboden entstanden
sind. So bereitet es z. B. im Islam keine Schwierigkeit, die Schriften des
Alten und des Neuen Testaments als Gottes Wort anzuerkennen. Umgekehrt ist
es den christlichen Kirchen nicht möglich, den Kur'an in die gleiche Rangordnung
zu stellen wie die Bücher der Bibel. Ähnlich ist die Anerkennung' der
Rom.-Katholischen Kirche für die Protestanten kein Problem, während die
Rom.-Katholische Kirche die reformatorischen Kirchen nicht als gleichrangige
Partner zu akzeptieren vermag.

5 Bezeichnenderweise werden beide Begriffe von G. weithin synonym gebraucht
, ohne hinreichend zu differenzieren.

Neues Testament

Telford, William R.: The Barren Temple and the Withered Tree. A

redaction-critical analysis of the Cursing of the Fig-tree pericope in
Mark's Gospel and its relation to the Cleansing of the Temple tradi-
tion. Sheffield: JSOT 1980. XVI, 319 S. 8' = Journal for the Study of
the New Testament. Supplement Series. 1. Geb. DM 45,-.

T.s Monographie erscheint als erstes Beiheft des im Jahre 1979 in
Sheffield gegründeten Journal for the Study of the New Testament. Es
handelt sich um eine erweiterte Cambridger Dissertation, die der Peri-
kope über die Verfluchung des Feigenbaums mit ihrer Fortsetzung in
dem Gespräch über den verdorrten Feigenbaum gewidmet ist: Mk
11,12-14.20-25(26).

Im I. Kap. (History of Investigation) erörtert T. die bedeutendsten
Auslegungsvorschläge. Es ist die Ableitung der Geschichte von dem
Gleichnis über den unfruchtbaren Feigenbaum, das im Lukasevangelium
13,6-9 vorkommt (J. Weiss, A. Schweitzer) und die Deutung, die
in der Geschichte einen symbolischen Fluch über Israel sieht (E.
Wendling). Die erste Möglichkeit (Ätiologie) wird m. E. mit Recht
abgelehnt. Viel Material für die symbolische Deutung hat T. bei
J. D. M. Derrett gefunden (vgl. ThLZ 104, 1979 Sp. 9050- - Im II.
Kap. (Source and Redaction in Mark 11) setzt sich T. vor allem mit
E. Hirsch auseinander, der mit mehreren Redaktionen und mit dem
vormarkinischen Ursprung des Drei-Tage-Schemas gerechnet hat. T.
hält die Zeitangaben für das redaktionelle Mittel zur Verschachtelung
mit der Perikope über die Tempelreinigung. Die beiden Perikopen
sollen sich nach ihm gegenseitig interpretieren. Von Hirsch hat T. die
Annahme eines nachträglichen redaktionellen Eingriffs übernommen
, dem er die Verse 24 und 25 und die Einfügung des ursprünglich
in einem anderen Zusammenhang stehenden Spruches über die
Macht des Glaubens (V. 23) zuschreibt. - Im III. Kap. wird festgestellt
, daß Matthäus die Zeitspanne auf zwei Tage reduziert, die Mira-
kulosität unterstreicht und das Ganze als eine Belehrung über den
Glauben als Vertrauen zu Gott auffaßt.

Bedeutend ist die Feststellung, die im IV. Kap gemacht wird: Das
Wort vom Glauben, der Berge versetzt (11,220, hat einen eschato-
logischen Hintergrund in der alttestamentlichen Erwartung einer apokalyptischen
Beseitigung der Berge und Täler (Jes 40,41), damit das

Volk Gottes ohne Gefahr wandeln kann (1 Bar 5,7). Das ist zwar keine
neue Entdeckung, aber T. hat sie für die Deutung des Kontextes ausgenutzt
. Er vermutet sogar, daß der Evangelist den Vers 23 auf den
Berg Sion bezogen hat. Die älteste erhaltene Form des Logions sieht er
imMtl7,19f.

Kap. V (The Old Testament Background) ist vor allem den alttestamentlichen
Stellen gewidmet, wo der Feigenbaum erwähnt wird
(Jer8,13; Jes28,3f; Hos 9,10.16; Micha 7,1; Joel 1,1-12). Der Feigenbaum
ist in ihnen als Zeichen oder als Symbol benutzt, u. zw. als
Symbol des Volkes Gottes, meistens im Zusammenhang mit dem
kommenden Gericht. Es werden auch die alttestamentlichen Aussagen
untersucht, in denen die Erneuerung des wahren Tempeldienstes
die Fruchtbarkeit der Bäume herbeiführen soll (Ez 47). - Ähnliche
Ergebnisse bringt die Analyse der spätjüdischen Literatur im
VI. Kap.

Der Exegese der neutestamentlichen Stellen und Perikopen, in
denen über den Feigenbaum gesprochen wird, ist das VII. Kap. gewidmet
. Mk 13,28-32 ist nach T. zwar mit ähnlicher Absicht wie
11,12-14.20-25 redaktionell bearbeitet (vgl. auch 12,1-12), aber der
Evangelist hat die beiden Perikopen nicht aufeinander bezogen. Die
Bedeutung des Feigenbaumes in der Messiaserwartung wird durch die
Analyse der Erzählung über Nathanael (Joh 1,48.50) belegt. Die vor-
markinische Gestalt der Geschichte über die Verfluchung des Feigenbaums
war eher eine judenchristliche, mit den alttestamentlichen
Anspielungen arbeitende haggadische Erzählung (S. 237) als das
Gleichnis über den unfruchtbaren Feigenbaum, das bei Lukas 13,6-9
belegt ist. Der Evangelist (Markus) verbindet die Verfluchung mit der
Tempelreinigung und unterstreicht dadurch ihre eschatologische und
symbolische Funktion. - Im VIII. Kap. (Christology and the Messia-
nic Secret in Mark 11) wird die Rolle der Perikope im Rahmen der
markinischen Theologie erörtert, die durch das „Gottessohngeheimnis
" geprägt ist. Es handelt sich um eine Unterweisung der Jünger
(11,14c), die eigentlich für die Leser (Hörer) bestimmt ist. In der
Katastrophe des Jahre 70 sollen sie die Erfüllung der eschatologischen
Prophetie Jesu sehen, die er zeichenhaft in der Tempelreinigung und
in der Verfluchung des Feigenbaums zu Wort gebracht hat.

Die künftigen Ausleger des Markusevangeliums werden diese Studie
beachten müssen. T. faßt die ältere Exegese und Materialsammlungen
zusammen und behauptet, daß die Perikope in der markinischen
Theologie eine eschatologische, symbolisch-warnende Funktion
gehabt hat.

Recht fraglich ist die Vermutung, daß die Geschichte schon im
Judenchristentum als Gericht über Israel aufgefaßt wurde. Sonst entsprechen
T.s Ergebnisse - außer der problematischen Beurteilung der
Verse 24 und 25 im Kap. II - dem Hauptanliegen der gegenwärtigen
Forschung und größtenteils auch dem der älteren Kommentare.
Schade nur, daß T. die Studien von R. Pesch nicht zitiert und daß er
sich noch nicht mit seinem Kommentar zum Markusevangelium -
ähnlich wie mit dem Kommentar von J. Gnilka - auseinandersetzen
konnte. Pesch lehnt nämlich - im Unterschied zu Gnilka - die symbolische
Deutung des Feigenbaums ab und hält die Geschichte für ein
Strafwunder. Die Zeitangaben und die Verschachtelung mit der Tempelreinigung
schreibt er schon der vormarkinischen Passionsgeschichte
zu.

Die neue Reihe hat man mit einer gewissenhaften Studie eröffnet.
Trotzdem halte ich es für empfehlenswert, Dissertationen in einer
gekürzten Form zu publizieren.

Prag Pctr Pokorny

Vleeks, Wayne A. [Hrsg.]: Zur Soziologie des Urchristentums. Ausgewählte
Beiträge zum frühchristlichen Gemeinschaftsleben in seiner
gesellschaftlichen Umwelt. Aus d. Amerikan. übers, v. G.
Memmert. München: Kaiser 1979. 312 S. 8" = Theologische Bücherei
. Neudrucke u. Berichte aus dem 20. Jahrhundert, 62: Historische
Theologie. Kart. DM 45,-.