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Ausgabe: | 1982 |
Spalte: | 665-666 |
Kategorie: | Altes Testament |
Autor/Hrsg.: | Grelot, Pierre |
Titel/Untertitel: | Les poèmes du serviteur 1982 |
Rezensent: | Kieffer, René |
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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 9
666
Scriptural Interpretation, London 1977 und J. Burton: The Collec-
tion of the Qur an, Cambridge-London-New York-Melbourne 1977
(vgl. Rez. K. Rudolph, ThLZ 105,1980 Sp. 1-19) nicht auseinander.
Im letzten Komplex D. „Islamisches Recht", in dem der Begriff
Sana hauptsächlich auf das Recht im westlichen Sinne beschränkt
wird (!), geht der Vf. von der Rechtspraxis Mohammeds als des autoritativen
Schiedsrichters in Streitfällen aus und behandelt danach den
Hadit als bedeutsamen Faktor in der islamischen Rechtswissenschaft,
die Prinzipien der Rechtswissenschaft (al-kitäb = das Buch; die Sünna
des Propheten; al-qiyäs = die Analogie; al-igmä' = der Konsensus) und
die Entstehung der vier bedeutenden Rechtsschulen (hanafitische,
mälikitische, säfi'itische, hanbalitische) bis hin zu neueren Entwicklungen
im 19. und 20. Jahrhundert.
Insgesamt bietet Watt bei sehr vorsichtig abwägender Behandlung
und Interpretation der Quellen eine Fülle von wertvollen Informationen
. Was die methodische Gestaltung des von ihm zu verantwortenden
Buchteiles betrifft, hätte man sich bisweilen eine straffere
systematische Gliederung (vgl. insbes. die Spannungen zwischen Teil
B II undC II; vgl. auch S. 214) sowie eine durchgängige Beschränkung
der Darstellung auf die muslimische Frühzeit gewünscht (in B III
erfolgt keine der Wirksamkeit Mohammeds entsprechende Behandlung
der ersten vier Kalifen; vielmehr wird ein sehr kurzer Überblick
über die geographische Ausbreitung des Islam bis zur Gegenwart
gegeben).
A. T. Welch gibt abschließend einen ausführlichen und sehr anschaulichen
Uberblick über E. „Das religiöse Leben der Muslime", in
dem er zunächst (I.) die muslimische Frömmigkeit und den muslimischen
Gottesdienst (1. die Salat und andere Gebete; 2. die Moschee,
ihr Personal und der Freitagsgottesdienst; 3. Mildtätigkeit und Almosensteuer
), dann (II), die jährlichen Feste und Riten (1. Fasten im
Monat Ramadan und andere Fasten; 2. die große Wallfahrt nach
Mekka und verwandte Rituale) mit einer vorangestellten Einführung
in den muslimischen Kalender untersucht. Dabei gelingt es ihm ausgezeichnet
. U rsprung und Entwicklung der Elemente aufzuzeigen, die
in der späteren muslimischen Gemeinde zu Pfeilern (Arkän) der muslimischen
Pflichtenlchre geworden sind (Salät = das zu fünf Tageszeiten
festgesetzte rituelle Pflichtgebet; Zakät = das Geben der Almosensteuer
; Sawm = das Fasten im Monat Ramadan; Hagg = die Pilgerfahrt
nach Mekka). Warum in diesem Zusammenhang die erste der
msgesamt fünf Säulen der muslimischen Religiosität, die §ahäda = das
Glaubensbekenntnis, keine Behandlung erfahren hat, bleibt fraglich.
Mit einem Verzeichnis ausgewählter Literatur (S. 348-352), einem
umfangreichen Namen-, Sach- und Stellenregister (S. 353-368) sowie
drei Lageplänen der Hl. Moschee in Mekka, des Haram und der Stationen
der Pilgerreise (S. 369-371) findet diese wertvolle Arbeit ihren
Abschluß.
Jena Theodor Lohmann
Altes Testament
Grelot, Pierre: Les Poemes du Serviteur. De la lecture critique ä l'her-
meneutique, Paris: Cerf 1981. 282 S. 8" = Lectio Divina, 103.
Mit großen Erwartungen liest man das neue Buch des bedeutenden
französischen Exegeten und wird auch dieses Mal nicht enttäuscht.
Wie schon der Titel vermuten läßt, handelt es sich hier nicht nur um
e'ne Studie über die fast zum Überdruß besprochenen Lieder des Gottesknechtes
im Deutero-Jesaia, sondern auch um eine methodische
Reflexion, die von der „Kritik" zur „Hermeneutik" führt. Was damit
gemeint ist, wird im Vorwort und besonders im dritten Teil, «Herme-
neutique et lecture critique». besprochen.
Einfach ausgedrückt will die historisch-kritische Methode so weit
a|s möglich den buchstäblichen Sinn des Textes erörtern («la critique
a Pour but de retrouver le sens litteral que les autcurs ont intention-
nellement attache ä leurs textes dans le cadre historique oü ceuxci ont
pris forme», S. 7). Die Hermeneutik hingegen ist die aktuelle Textdeutung
, die sich in verschiedenen Zeiten ändert. In diesem Sinne ist
der erste Teil .des Buches ein «essai de lecture historique», während
der zweite Teil den Deutungen der Lieder des Gottesknechtes im
Judentum und im Urchristentum gewidmet ist.
Diese schematische Einteilung könnte manchen Anlaß zur Kritik
geben, wenn nicht-Grelot selbst im dritten Teil das Verhältnis der
Kritik zur Hermeneutik genauer erläutert hätte. Der zweite Teil des
Buches ist ja auch historische Kritik, angewandt auf die Hermeneutik
im Laufe der Jahrhunderte. Die Kritik ist ihrerseits wieder eine Art
von Hermeneutik, mit ihren eigenen Voraussetzungen. Darum faßt
der Vf. seine Auffassung in drei Sätzen zusammen: 1. Das kritische
Lesen ist auch eine Hermeneutik. 2. Die historische Studie der Interpretationen
(«hermeneutiques») in der Vergangenheit bereichert das
kritische Lesen und lädt dazu ein, über dieses hinauszugehen. 3. Kritisches
Lesen und Hermeneutik haben in der christlichen Theologie
eine Stellung, die sie zwingt zusammenzuarbeiten, um sich einander
zu bereichern (vgl. S. 228).
Diese Aussagen bestätigen, daß die scharfe Trennung zwischen Kritik
und Hermeneutik, die in den beiden ersten Teilen vorgenommen
wurde, nur provisorisch und vielleicht ein pädagogischer Einfallswinkel
war. Ich hätte meinerseits gerne eine ausführlichere Diskussion
darüber gesehen, was man mit dem „Sinn" («sens») eines Textes
eigentlich meint. Im Anschluß an E. D. Hirsch habe ich in verschiedenen
Publikationen die fruchtbare Unterscheidung zwischen „Sinn"
und „Bedeutung" beleuchtet («sens» und «signification»). Im Gegensatz
zu einer extremen semiotischen Position, die keinen Hauptsinn
mehr in einem Texte bejaht, ist es prinzipiell wichtig, nach einem
buchstäblichen „Sinn" zu forschen. Dieser ist jedoch immer nur
durch die verschiedenen „Interpretationen" und „Bedeutungen" hindurch
erkennbar. Ich würde also die Reflexionen von Grelot gerne in
einer solchen prinzipiellen Unterscheidung verankern, bejahe aber,
was er über die Bereicherung sagt, die die Kritik und die Hermeneutik
einander gewährleisten. Ich wäre jedoch weniger kritisch als er gegenüber
den Strukturalisten, die er auf S. 9 mehr karikiert als beschreibt.
Die historische Skizze des Vf. über die Lieder des Gottesknechtes ist
reichhaltig und persönlich. Sein Ausgangspunkt ist eine Studie von
H. Cazelles, in der die Lieder beide als einheitlich und dem Kontext
angepaßt beschrieben werden, mit einem Versuch zur Gliederung und
zur historischen Deutung. Grelot unterstreicht jedoch, daß die Lieder
offen bleiben für die verschiedenen Interpretationen, die später gegeben
wurden (S. 72).
Der Vf. führt eine ergiebige Diskussion über die Deutungen der Lieder
in der Septuaginta, im palästinischen Judentum (Daniel, Pseud-
epigraphen, bes. Henoch, Qumrantexte), im Neuen Testament (Corpus
paulinum; andere Briefe; Markus-Matthäus; Lukasschriften;
Johannes) und im Targum zu Jesaia. Er unterscheidet klar zwischen
den verschiedenen jüdischen und christlichen Deutungen, die es oft
erschwert haben, eine in etwa „objektive" Diskussion über den historischen
Sinn der Lieder zu führen. Wie der Leser versteht, haben wir
hierein wichtiges Buch, dem man nicht in allen Einzelheiten zustimmen
wird, das man aber als maßvolle Orientierung über die vielhal-
tigen Interpretationen der Lieder des Gottesknechtes immer wieder
mit Gewinn lesen wird.
Lund Rene Kieffer
Schenker, Adrian: Versöhnung und Sühne. Wege gewaltfreier Konfliktlösung
im Alten Testament. Mit einem Ausblick auf das Neue
Testament. Freiburg/Schweiz: Schweizerisches Katholisches Bibelwerk
1981. 179 S. 8' = Biblische Beiträge, N. F. 15.
Die Titel dieses Buches geben einen zutreffenden Eindruck von
dem, was den Leser erwartet: a) Mit dem Stichwort „gewaltfreie Kon-
fliktlösung" zeigt sich das Interesse, Gegenwartsfragen in das Licht der