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Ausgabe:

1982

Spalte:

43-45

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ollrog, Wolf-Henning

Titel/Untertitel:

Paulus und seine Mitarbeiter 1982

Rezensent:

Roloff, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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ham, proceeding through Hebrew history to the Coming of the Just
One" (S. 358). Tatsächlich aber hat die Rede doch wohl eine begrenz-
tere, schärfere Funktion im Rahmen der Apg. Beachtet man das,
dann tritt ihre Besonderheit viel deutlicher hervor. In Wahrheit sind
die Beziehungen zwischen der Rede und der Stephanuserzählung
wesentlich schwächer und darüber hinaus auch differenzierter zu
beurteilen, als R. das sieht. Sollte z. B. Act 6,1-7 wirklich unter dem
Einfluß von Gen 41,33ff in Verbindung mit Ex 18,19ff und Dtn
1,13ff literarisch gestaltet sein (vgl. S. 269-271), so wäre das doch
etwas gänzlich anderes als die Reproduktion alttestamentlicher Texte
unter dem Einfluß anderer Stellen des Alten Testaments in der Rede.
Am ehesten wäre dann der Schluß ab V. 51 zu vergleichen, was wiederum
zeigte, wie viel differenzierter diese Rede beurteilt sein will. In
die gleiche Richtung weist der Vergleich der Stephanusrede mit der
Petrusrede Act 3,12ff; die Parallelen finden sich vor allem zu 7,35.37
und 7,51 ff. Aufschlußreich ist auch die kritische Durchsicht der
Listen, in denen die Beziehungen zwischen der Stephanusgeschichte
und der Rede erfaßt sind (S. 233-238 und 239-240 sowie 241). Sie
sind nicht so eindeutig, daß sie nicht auch begründete Schlüsse in andere
Richtung zuließen als sie der Vf. zieht. Das gilt etwa von ovxot;,
auf das der Vf. Gewicht legt (S. 238) und besonders deutlich für den
Gebrauch von „Mose". Der Name steht in der Erzählung 6,11(. 14)
für das Gesetz (vgl. Act 15,21), V. 13 gebraucht denn auch vößot;. Die
ausführliche Mosepartie der Rede aber nimmt auf die Gesetzgebung
durch ihn nur geradezu beiläufig in V. 38 Bezug und benutzt dabei
den - in der Apg sonst nicht belegten - auffälligen Ausdruck Xöyta
Qcovca (vößot; bezeichnenderweise dann wieder V. 53).

Mag man mithin auch nicht davon überzeugt worden sein, daß in
der Stephanusrede nicht doch in hohem Maße formuliert übernommene
Tradition steckt, so wird man durch die Lektüre des Buches
doch in jedem Falle bereichert. Das gilt sowohl hinsichtlich von
Strukturanalysen, die sich auf den Gesamttext beziehen, als auch auf
die Deutungen, die dieser durch den Vf. erfährt. Freilich ist die Literatur
nicht voll ausgeschöpft. So hätte, um ein Beispiel anzuführen,
zu den interessanten Ausführungen über die Parallelen zur Apg-
Darstellung bei Sallust (S. 309 f) die Monographie von E. Plümacher,
Lukas als hellenistischer Schriftsteller, 1972, Beachtung, zumindest
aber Erwähnung verdient.

Halle (Saale) Traugott Holtz

' J. Kilgallen, The Stephen Speech. A Literary and Redactional Study of
Acts 7,2-53 (= AnBib 67) Rom 1976, ist in dem vorliegenden Buch (noch) nicht
berücksichtigt.

Ollrog, Wolf-Henning: Paulus und seine Mitarbeiter. Untersuchungen
zu Theorie und Praxis der paulinischen Mission. Neukirchen-
Vluyn: Neukirchener Verlag 1979. IX, 282 S. gr. 8" = Wissenschaftliche
Monographien zum Alten und Neuen Testament,
50. Lw. DM 52,-.

Während die Gegner des Paulus in reichem Maße das Interesse der
Forschung auf sich gezogen haben, fanden seine Freunde und Mitarbeiter
nur relativ geringe Beachtung. Die wenigen, zumeist älteren
Arbeiten, die sich mit ihnen beschäftigen, beschränken sich im wesentlichen
auf das Zusammentragen historischer und biografischer
Angaben über die einzelnen Glieder des Pauluskreises, ohne aus der
auffallenden Tatsache, daß die echten Paulusbriefe nicht weniger als
vierzig Mitarbeiter nennen, Folgerungen hinsichtlich der paulinischen
Missionstheorie und -praxis zu ziehen. Wenn die vorliegende
Untersuchung - eine überarbeitete Heidelberger Dissertation von
1974 - das Gesamtphänomen der Mitarbeiterschaft des Paulus in
einen solchen weiteren Kontext stellt, so blättert sie damit in der Tat
„ein nicht genug beachtetes Kapitel der paulinischen Mission" auf
(3).

Ollrog setzt mit einem historischen Längsschnitt ein, der das Ziel
hat, den Ort der in den Paulusbriefen sowie in der Apostelgeschichte
genannten Mitarbeiter innerhalb der verschiedenen Phasen der paulinischen
Mission zu bestimmen. Von seiner Tätigkeit in Antiochia an
war Paulus von Mitarbeitern umgeben. Zunächst waren es Judenchristen
wie Barnabas und Silvanus (beide waren nach Ollrog Apostel),
nach dem Übergang zur selbständigen Mission traten jedoch Heidenchristen
in den Vordergrund, was möglicherweise Folge des Antio-
chia-Konfliktes war, „in dem nahezu alle Judenchristen (aus der Perspektive
des Paulus geurteilt) die konsequent gesetzesfreie Heidenmission
preisgaben" (62). Besonders groß ist die Zahl der aus der
ephesinischen Zeit des Paulus überlieferten Mitarbeiternamen, wodurch
schon äußerlich die besondere Ausstrahlungskraft und Breitenwirkung
der Mission in dieser Epoche dokumentiert wird. Als eine
besondere Gruppe identifiziert Vf. - m. E. mit Recht - die Apg 20,4
genannten Begleiter des Paulus auf der Kollektenreise durch Griechenland
: Es handelt sich hier um eine Delegation von offiziellen
Vertretern der paulinischen Gemeinden, die die Kollekte nach Jerusalem
überbringen sollte. Als auffällig erweist sich die große Fluktuation
innerhalb des Mitarbeiterkreises. Nur wenige, wie vor allem
Timotheus, blieben ständig bei Paulus, die Zusammenarbeit mit den
übrigen war auf mehr oder weniger kurze Zeitabschnitte beschränkt.
Das wäre schwer verständlich, wenn bei der Auswahl der Mitarbeiter
der Gesichtspunkt der persönlichen Bindung an Paulus oder der der
Gewinnung eines aufeinander eingespielten, homogenen Teams bestimmend
gewesen wäre. Eine Untersuchung des zentralen Begriffes
synergos bei Paulus ergibt jedoch, daß für ihn eben diese Gesichtspunkte
ganz peripher bleiben: „synergos ist, wer mit Paulus zusammen
als Beauftragter Gottes am gemeinsamen ,Werk' der Missionsverkündigung
arbeitet" (67). Synergos ist nicht der von Paulus für
eine bestimmte Aufgabe Ausgewählte, sondern der von Gott in
Dienst Gestellte, der das gleiche Werk ausführt wie Paulus. Eine konkrete
Funktionsbeschreibung ist diesem Begriff freilich nicht zu entnehmen
, und das gleiche gilt für die meisten der übrigen Bezeichnungen
(z. B. adelfos, diakonos, leitourgos, oikonomos), die Paulus seinen
Mitarbeitern beilegt; sie wollen „Einsatz und Bewährung der Mitarbeiter
herausheben" oder ihre „Indienstnahme durch Gott" betonen
(92).

Die einzige Mitarbeiterprädikation, die auf konkrete Funktionen
zu verweisen scheint, ist „Gemeindeapostel" (apostolos ekklesiön;
2Kor 8,23; Phil 2,25). Sie bietet denn auch den Ansatzpunkt für Oll-
rogs zentrale These: Die meisten der Paulusmitarbeiter waren Gemeindeapostel
, d. h. sie waren gewählte Vertreter der von Paulus gegründeten
Gemeinden, die eine Zeitlang in deren Vertretung in der
Mission mitarbeiteten. Zu dieser Gruppe gehören nicht nur der ausdrücklich
so bezeichnete Epaphroditos aus Philippi (Phil 2,25), sondern
auch der Korinther Stephanas (1 Kor 16,170, sowie der kolossische
Gemeindeleiter Epaphras (Kol l,7f; 4,12f). Auch die Bitte um
die Rücksendung des Onesimus (Phlm 13) wird auf diesem Hintergrund
verständlich: Onesimus soll als Vertreter seines Herrn und dessen
Hausgemeinde als Gemeindegesandter zu Paulus gehen.

Dies alles deutet daraufhin, daß der Ort der Mitarbeiter in der paulinischen
Mission nicht einseitig durch ihr Verhältnis zu Paulus bestimmt
ist. Als weitere wichtige Koordination treten vielmehr die
„Perspektive der Gemeinden und der Mitarbeiter selbst" hinzu (112).
Diesen verschiedenen Perspektiven ist der zweite Hauptteil der Untersuchung
Ollrogs gewidmet. Als am ergiebigsten erweist sich dabei
die Perspektive des Verhältnisses der Paulus-Mitarbeiter zu den Gemeinden
. Der Nachweis scheint mir überzeugend gelungen zu sein,
daß Paulus nach seiner Trennung von Antiochia seine Mission
keineswegs als isolierter Einzelner, sondern in Gemeinschaft mit den
von ihm begründeten Gemeinden betrieb. Indem diese Gemeinden
Paulus offiziell delegierte Mitarbeiter zur Verfügung stellten, dokumentierten
sie ihre Mitverantwortung und Teilhabe am paulinischen
Missionswerk. Sie waren nicht nur die Objekte seiner Missionsarbeit,
sondern „in der Klammer seines apostolischen Vorranges" (129)