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Ausgabe:

1982

Spalte:

633-634

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Reinmuth, Eckart

Titel/Untertitel:

Geist und Gesetz 1982

Rezensent:

Reinmuth, Eckart

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633

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 8

634

Reinmuth, Eckart: Geist und Gesetz. Studien zu Voraussetzungen und
Inhalt der paulinischen Paränese. Diss. Halle/S. 1981,300 S.

In der paulinischen Paränese ist der Wandel im Geist an bestimmte
ethische Weisungen gebunden. Die Arbeit verfolgt das Ziel,
das Verhältnis dieser Weisungen zu dem als Heilsweg überwundenen
Gesetz zu bestimmen und zugleich zu begründen, warum der Wandel
im Geist mit diesen Weisungen verbunden ist.

Als Ausgangspunkt wurde IThess 4,1-8 gewählt. Aus diesem Text
lassen sich zwei Feststellungen erheben, deren Bedeutung für die pau-
linische Theologie in den zwei Hauptteilen der Arbeit entfaltet wird.
Paulus will den Willen Gottes umfassend geltend machen; er tut es in
der Ermahnung, sich von Unzucht und Habgier zu entha'ten. Daneben
läßt sich beobachten, daß zwischen der Gabe des Geistes und dem
konkreten Verhalten eine aufweisbare Beziehung besteht (der zweite
Hauptteil der Arbeit knüpft hier an). Ein Blick auf andere Aussagen
und paränetische Formulierungen im Corpus Paulinum (Rom
1,29-31; 2,21 f; 13,13; 1 Kor 5,9-1 l;6,9f;2Kor 12 20f;Gal 5,19-21;
Kol 3,5.8) bestätigt, daß die Enthaltung von Unz.icht und Habgier
wesentlich zu einem dem Willen Gottes entsprechenden Wandel hinzugehört
. Damit stellt sich die Frage, ob Paulus mit einer derartigen
Gewichtung der beiden Laster in einer aufweisbaren Tradition steht.

Dem Nachweis dieser Tradition dient die Behandlung mehrerer
frühjüdischer Texte (Test Jud 18,2-6; Menander/Philemon; Ps-
Phokylides; Sibyllinische Orakel; Damaskusschrift; äth Henoch
sowie zwei nicht zweifelsfrei-jüdische Texte [syr Menander; Pseudo-
Heraklit Brief IV und VII]). An ihnen wird deutlich, daß die Enthaltung
von Unzucht und Habgier als Zusammenfassung eines dem
Willen Gottes entsprechenden, gesetzestreuen Verhaltens angesehen
wird. Paulus steht folglich mit der Warnung vor diesen beic en Lastern
in der Tradition frühjüdischer Paränese. Erbringt in der Warnung vor
beiden Lastern zentrale Forderungen des Gesetzes zur Geltung.

Um die Frage zu beantworten, warum Paulus mit dem Frühjudentum
in der Warnung vor Unzucht und Habgier übereinstimmt, wird
gezeigt, daß die besondere Bewertung beider Laster dort eine Aktualisierung
des im Gesetz manifesten Gotteswillens darstellt, die in Auseinandersetzung
mit der hellenistischen Moral getroffen wurde. Paulus
bringt in der analogen Situation der jungen christlichen Gemeinden
die in Abgrenzung zur heidnischen Moral wesentliche Inhaltsbestimmung
des Gesetzes zur Geltung.

Ein weiterer Arbeitsschritt versucht, die theologischen Voraussetzungen
dafür aufzuhellen. Dabei wird deutlich, daß Paulus die frühjüdische
Überzeugung teilt, daß alle Sittlichkeit an Gott gebunden ist
(Rom 1,19 ff). Weil Gott selbst sich an das Gesetz als die Ordnung seiner
Schöpfung gebunden hat, kann nur das Gesetz den Willen Gottes
enthalten (diese frühjüdische Überzeugung wird nachgewiesen an syr
Bar 54; äth Hen 2-5; Test Napht 3; dem Beginn von Or Sib III sowie
zwei Textabschnitten aus Flavius Josephus). Das Gesetz ist also für
Paulus nicht ein sittlicher Maßstab neben anderen, sondern der eine
Wille Gottes, der allein Sittlichkeit ermöglicht.

Der zweite Hauptteil schließt an die schon erwähnte Beobachtung
an, daß für Paulus zwischen der Geistgabe und dem konkreten Verhalten
eine aufweisbare Beziehung besteht. Um diese Beobachtung zu
erhärten und auf das Ergebnis des ersten Hauptteils zu beziehen, werden
paulinische Texte erörtert, in denen von einer Bedeutung des
Geistes für den Wandel die Rede ist (IKor 6,12-20; Gal 5,13-6,10;
Rom 8,1-11). Dabei läßt sich feststellen; Paulus bestimmt den sich
auf den Geist gründenden Wandel als tatsächliche Erfüllung des Gesetzes
. Der Geist erfaßt in der Liebe das Wesen des Gesetzes, erfüllt
nun aber das Gesetz nicht in der Beschränkung auf das Liebesgebot,
sondern erfüllt mit der Liebe das ganze Gesetz (Gal 5,13 ff; Rom 8,1 ff).
Die Anwesenheit des Geistes ist mit der Gesetzesübertretung unvereinbar
(1 Kor 6,12 ff). Der Gesamtbefund der erörterten Texte läßt daraufschließen
, daß Paulus eine derartige Beziehung von Geist und Gesetz
voraussetzt, in der die Erfüllung des Gesetzes mit der Anwesenheit
des Geistes in der Gemeinde verbunden ist.

Die Frage, ob Paulus auch mit dieser Voraussetzung in einer aufweisbaren
Tradition steht, ist die Untersuchung mehrerer frühjüdischer
Texte gewidmet (Test XII Patr; äth Henoch [vor allem Kap 61];
Oracula Sibyllina; Jub 1 sowie Qumranschriften). Diese Texte bieten
durchaus verschiedenartige Vorstellungen vom Wirken des Geistes,
sie stimmen jedoch wesentlich in der Überzeugung überein, daß mit
der Gabe des Geistes die Erfüllung des Gesetzes verbunden ist. Sowohl
die Geistgabe in der Gegenwart als auch die in der Endzeit zielt auf die
vollkommene Erfüllung des Gesetzes ab.

Die an den erörterten frühjüdischen Texten aufgewiesene Verknüpfung
von Geistgabe und Gesetzerfüllung ist offensichtlich eine entscheidende
Voraussetzung der Interpretation des Heilsgeschehens
durch Paulus. Die tatsächliche Wirksamkeit des Geistes gehört zu den
Grunderfahrungen in den paulinischen Gemeinden (vgl. etwa Gal
3,2-5). Paulus bezieht die Tatsache der Anwesenheit des Geistes auf
die für den Vollzug des Willens Gottes unabdingbare Erfüllung des
Gesetzes, indem er die schon frühjüdische Überzeugung zum Ausdruck
bringt, daß mit der Gabe des Geistes die Erfüllung des Gesetzes
verbunden ist.

Freilich trat bei der Behandlung der Texte eine grundlegende Differenz
in den Blick. Nach frühjüdischer Überzeugung ist das gesetzestreue
Verhalten Bedingung und Voraussetzung der Verleihung des
Geistes bzw. seiner Wirksamkeit. Demgegenüber geht nach Paulus
nicht die Gesetzerfüllung der Erlangung des Geistes voraus. Vielmehr
knüpft Gottes Handeln an die tatsächliche Ungerechtigkeit der Menschen
an; seine Liebe erwies sich gerade darin, daß Christus für Ungerechte
starb (vgl. etwa Rom 5,5ff). -So kann zusammenfassend gesagt
werden: Gott gewährt mit der Rechtfertigung der Sünder den Geist,
der im Lebensvollzug der Glaubenden ihre Rechtfertigung verwirklicht
. In der Freiheit vom Gesetz, als die der Wandel im Geist sich versteht
, kommt es zur Erfüllung des Gesetzes, weil der Geist das Gesetz
erfüllt und den Wandel, der sich auf den Geist gründet, zu dieser Erfüllung
führt. Denn in der Liebe ist das Gesetz durch den Geist erschlossen
und erfüllt; die Wirklichkeit des Geistes stellt sich als in der
Liebe vollzogene Gesetzerfüllung dar.

Zeitschriftenschau

Mitropolia Banatului 31,1981

Papadopoulos, Stylianos: Sfintii Pärinti, crestere a bisericii si Duhul Sfint
(Die Kirchenväter, das Werden der Kirche und der Heilige Geist) S. 18-40.
246-276.

Stäniloae, Dumitru: Liturghia, urcus spre Dumnezeu si poartä a cerului (Die
Liturgie - Aufstieg zu Gott und Pforte des Himmels) S. 41-56.

Sibianul, C: Iisus Hristos ca Arhiereu (Jesus Christus als der Hohepriester)
S. 57-72.

Värädean, Vasile: Originea bizantinä a muzicii noastre bisericesti (Der
byzantinische Ursprung unserer Kirchenmusik)S. 73-80.

Stäniloae, Dumitru: Locasul bisericesc propriu-zis, cerul pe pämint sau
central liturgic al creatiei (Die eigentliche kirchliche Stätte - der Himmel auf
Erden oder liturgischer Mittelpunkt der Schöpfung?) S. 277-307.

Manolache, Anca: Consideratii despre Taina Cununiei in cadral misteriolo-
giei ortodoxe (Überlegungen zum Sakrament der Ehe im Zusammenhang
der orthodoxen Mysteriologie) S. 308-321.

Basarab, Mircea: Scripturäsi liturghie (Schrift und Liturgie)S. 462-484.

Ciobanu, Gheorghe: Limbile de cult la romäni in lumina manuscriselor
muzicale (Die kultischen Sprachen bei den Rumänen im Lichte der
musikalischen Manuskripte) S. 485-499.

Stäniloae, Dumitru: Icoanele din bisericä, reprezentare vizibilä a dreptei
credinte sj mijloacc de intilnire a credinciosilor cu Hristos si cu sfintii care
s-au desävirsjt in el (Die kirchlichen Ikonen als sichtbare Darstellung des
rechten Glaubens und als Mittel der Begegnung der Gläubigen mit Christus
und mit den in ihm vollendeten Heiligen) S. 643-659.

Bälasa, D.: Basarab I apäratoral Ortodoxiei (Fürst Basarabi. als Verteidiger
der Orthodoxie) S. 660-668.

Suciu, I.D.: Denumirea Banatului inainte de ocuparea habsburgicä in
documentele bisericesti (Die Bezeichnung des Banates vor der Besetzung
durch die Habsburger in den kirchlichen Dokumenten) S. 669-682.