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Ausgabe:

1982

Spalte:

39-40

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Barrett, Charles K.

Titel/Untertitel:

The Gospel according to St John 1982

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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sichtigt, daß die Versöhnungsterminologie im NT nur eine sehr
schmale Textbasis besitzt, so daß andere Texte recht gewaltsam auf
sie hin interpretiert werden müssen? Wäre es der Vielfalt der Texte
nicht angemessener, das ntl. Evangelium als „Evangelium vom neuen
Leben in Christus" zu definieren, das im einzelnen unterschiedliche
Ausführungen aufweist? - Der Autor hat ein mutiges und ohne
Zweifel notwendiges Buch vorgelegt, das zu selbständiger Weiterarbeit
einladen sollte.

Greifswald Günter Haufe

Barrett, Qharles] K[ingdon]: The Gospel According to St John. An

"Introduction with Commentary and Notes on the Greek Text. 2nd
Ed. London: SPCK [1978]. xv,638 S. gr. 8 Lw£ 15.-.

Die in ThLZ 82, 1957 Sp. 587-590 vorgestellte erste Auflage dieses
Kommentars, der hohe Ansprüche stellt und erfüllt, wurde
1956-1976 insgesamt zehnmal nachgedruckt. Entsprechend kennzeichnete
C. H. Dodd1 das Werk als den hervorragendsten neueren
englischen Kommentar zu Joh. Für die second edition 1978 ist die
erste sichtlich bis ins einzelne durchgesehen und insgesamt neu bearbeitet
worden (der Verlag hat sich erfreulicherweise zu einem Neusatz
entschlossen). Auf die Durchsicht der Einzelheiten weisen gelegentlich
exaktere Belegangaben, häufiger kleinere Varianten im Text,
seien es solche rein stilistischer Art, seien es präzisere oder aber behutsamere
Formulierungen. Umfänglichere Ergänzungen ergaben
sich durch die vielfältige Einarbeitung neuerer2 (oder auch einmal
früher nicht berücksichtigter) Literatur - B. selbst hat eine Reihe
neuerer Arbeiten beigetragen, die für das Verständnis des Joh von
Bedeutung sind -, oder durch die Auswertung bisher nicht herangezogener
Vergleichstexte der Antike3, nicht zuletzt neu gefundener
Gnosistexte. Insbesondere zeigt sich des öfteren in kürzeren und längeren
Zusätzen ein vertieftes Verständnis der Aussagen des Joh. Dem
Kap. 4 der Introduction, The Theology of the Gospel, von dem B.
selbst sagt (67 A. 1), daß es im Umriß von der ersten Auflage her beibehalten
ist, wurde ein Abschn. 9, Johanntne Theology (96-99), zugefügt
und ein Vorspann vorgesetzt, in dem B. die Geschlossenheit
der Theologie des Joh betont, die nur als ganze und jeweils vom Ganzen
her verstanden werden kann (67). Joh ist bemüht, den apostolischen
Glauben für seine Zeit darzustellen (67). Joh ist kanonisch,
weil es in ihm durch das apostolische Wort zur Begegnung mit dem
geschichtlichen Jesus kommt (144). Nicht von ungefähr werden die
Verbindungslinien zwischen Paulus und Joh nunmehr noch sichtbarer
, bis hin zu dem Urteil: Paul remains the most fundamental of
all Christian theologians, but John is the first and greatest of the
reinterpreters4 (59; vorher hat B. Unterschiede in der Aussageform
zwischen Paulus und Joh deutlich aufgezeigt).

Auch andere Thesen B.s werden in der second edition unterstrichen
. Gegen eine Quellenscheidung argumentiert er u. a. von der Einheit
sowohl des Stils wie der theologischen Zielsetzung des Joh her
(15; gegen die Benutzung von ihm vorliegenden Offenbarungsreden
durch Joh s. 20). Ebenso ergeben sich gegen die Theorie von irrtümlichen
Umstellungen in Joh neue Einwände (24), und auch die Annahme
einer Redaktion wird weiterhin abgelehnt (ebd.), u. zw. eben
auf Grund der Geschlossenheit der Theologie des Joh (z. B. in dem
Miteinander von präsentischer und futurischer Eschatologie; 25).

Schärfere Akzente setzt B. in den Aussagen der second edition hinsichtlich
der Beurteilung der Sakramente in Joh. Er stellt nunmehr
bei Joh zumindest eine kritische Distanz gegenüber einer bestimmten
Auffassung von einem selbsttätigen Wirken der Sakramente in
dessen Umgebung heraus5, besonders gegenüber dem Mißverständnis
der Eucharistie als Medizin der Unsterblichkeit6. Joh will das
Abendmahl in den Zusammenhang des Werkes Jesu als ganzen einordnen
und ihm eine streng personale Deutung geben (297). Die
grundlegende sakramentale Tatsache der Inkarnation ist Taufe und
Eucharistie vorzuordnen (284).

Die second edition ist in der Tat eine gründliche Neubearbeitung
der ersten; sie führt durch die weitgehende Einbeziehung der inzwischen
von anderen und nicht zuletzt von B. selbst geleisteten Forschung
über die ihrerseits bereits groß angelegte erste hinaus. Erhalten
bleiben deren wesentliche Vorzüge, die nicht zuletzt von dem
nachdrücklichen Bemühen um ein geschlossenes Verständnis des
Joh als eines Ganzen und seine Einfügung in die Geschichte der
Theologie des Urchristentums herkommen, wie es zumal in der weitgespannten
Introduction (1-146) sichtbar wird7. Wie B. selbst seinen
Kommentar nun in der neuen Fassung in die Geschichte der Auslegung
des Joh einordnet, deutet sich in der Erzählung an, mit der er
den Hauptteil seines Vorworts schließt (viii): Ein Mathematiker in
Durham (gest. 1955) pflegte seine Uhr nur einmal im Jahr zu stellen
(am 1. Jan.). Wenn man ihn daraufhinwies, seine Uhr sei fünf Stunden
zurück, pflegte er zu erwidern: Nein, sie ist sieben Stunden
voraus.

Halle (Saale) . Gerhard Delling

1 Historical Tradition in the Fourth Gospel, Cambridge 1963,8.

2 So werden z. B. 136-139 neuere Auflassungen über die Herkunft des Joh
referiert. Leider ist nur die abgekürzt angeführte Literatur in einer Liste zusammengestellt
(ix-xiv); das Register moderner Autoren gibt nur Namen an, keine
Titel.

1 Keineswegs nur aus den Schriften von Qumran. Vgl. jeweils die Reg. - B. hält
den Ertrag der Texte von Qumran für die Exegese des Joh fijr sehr gering (33).
4 Es versteht sich, daß B. Ernst Käsemann, The Testament of Jesus, 1968, mit
erheblicher Kritik begegnet.

' 84f. 69.284. B. kann 84f auf eine entsprechende Situation bei Paulus hinweisen
, IKor lOf.
6 Vgl. 64 zu IgnEph 20,2.

' Sie ist daher für die Auswertung von commentary and notes unentbehrlich.

Bergmeier, Roland: Glaube als Gabe nach Johannes. Religions- und
theologiegeschichtliche Studien zum prädestinatianischen Dualismus
im vierten Evangelium. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer
1980, 331 S. = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und
Neuen Testament, 112,Jcart. DM 54,-.

Die Arbeit stellt die Druckfassung einer im Jahre 1974 von der
Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommenen
Dissertation dar. Sie behandelt die Frage: „Wie erklärt und versteht
sich der prädestinatianische Dualismus im JohEv?" (S. 8). Ausgehend
von einer kritischen Darstellung der bisherigen Forschungspositionen
(Teil I) unternimmt es der Vf., das Wesen des johanneischen
Dualismus religiönsgeschichtlich und theologiegeschichtlich (im
Rahmen der innerjohanneischen Traditionsentwicklung) zu bestimmen
.

Teil II untersucht „Determination, Prädestination und Dualismus
in Texten des antiken Judentums". Dabei wird zunächst auf „deterministische
und antithetische Strukturen" aufmerksam gemacht, die
in Weisheitstexten vorkommen, die aber auch im pharisäischen und
rabbinischen Bereich und in der Apokalyptik nachgewirkt haben. Die
entscheidende prädestinatianische Neuinterpretation des Determinationsgedankens
, um die es dem Vf. gerade geht, begegnet in der Qum-
rangemeinde: Den Willen Gottes tun oder nicht tun, ist nicht mehr
eine Frage menschlicher Entscheidung, vielmehr gelten Heilsteilhabe
oder Heilsverschlossenheit als freie Verfügung Gottes. Durch diese
prädestinatianische Umprägung ist eine veränderte geistige Situation
geschaffen, die über die Qumrangemeinde hinaus gewirkt hat und in
einer jüngeren Schicht des Sirachbuches, in einzelnen Aussagen von
Jub, 1 Hen, Test XII sowie in christlichen Texten (Did, Barn, Herrn
mand) greifbar ist (S. 830- Diese Vermittlungsstufen erhellen die Voraussetzung
, warum etwa auch Joh 3,19-21 in diese geistige Strömung