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Ausgabe:

1982

Spalte:

612-614

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Leeuwen, Theodoor Marius van

Titel/Untertitel:

The surplus of meaning 1982

Rezensent:

Dalferth, Ingolf U.

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 8

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neue Phase der Sp.-Rezeption einleiten: 1. Solange die kritische Gesamtausgabe
noch aussteht, wird dieser wissenschaftliche Reprint
ohne Zweifel einer Verbreiterung der von der Sp.-Forschung zu erschließenden
Quellenbasis dienlich sein. 2. Da auch der an geschichtlichen
Erneuerungsbewegungen interessierte Theologe und Historiker
sowie der für das Werk des „Vaters des lutherischen Pietismus", bes.
dessen spezifisches Glaubensverständnis und dessen Schriftauslegung,
aufgeschlossene Leser diese Ausgabe, die durch die Einleitungen als
Studienausgabe ausgewiesen ist, mit Gewinn nutzen kann, könnte
sich der Radius der Sp.-Rezeption erweitern. So möchte man hoffen,
daß nicht nur die im Vorwort vom Herausgeber geäußerte Erwartung
Erfüllung findet, „daß die Forschungen über Sp. wesentlich gefördert
werden, wenn ihre bisherigen Resultate bzw. Thesen anhand dieser
großen Edition, die jetzt beginnt, kritisch überprüft, ergänzt und erweitert
werden, wobei neue Ergebnisse nicht ausbleiben" (S. 7), sondern
daß vor allem das Studium der Schriften Sp.s intensiviert (s. auch
E. Beyreuther, Geschichte des Pietismus, Stuttgart 1978, S. 10. u. ö.)
und dessen Impulsen über den engeren Kreis der Pietismus-Forschung
hinaus Aufmerksamkeit geschenkt werden möge. Obwohl die
Motive eines Interesses an Sp. heute nicht ohne weiteres mit denen der
Rezipienten der von der Erweckungsbewegung ausgehenden Wiederverbreitung
von Sp.s Schriften im 19. Jh. (s. Einführung S. 16, S. 28ff)
identisch sind, sollte Sp. weder bei der Bestimmung einer evangelischen
Spiritualität (angesichts der Herausforderung der Ökumene)
noch bei den Erörterungen über Amt und Gemeinde und Strukturprobleme
des Gemeindeaufbaus übersehen werden.

Als der Exponent der bedeutendsten Erneuerungsbewegung in der
Geschichte des Luthertums bleibt Sp. nicht weniger aktuell als die Reformatoren
: Der weiträumige Ausstrahlungsradius und die tiefen Wirkungen
des Pietismus in der Geistes- und Kulturgeschichte verpflichten
die Forschung zur Bestimmung der ,Mitte' dieser Bewegung, der
Spezifik u. a. ihrer Frömmigkeit und Schriftauslegung. Auch die umfassende
Erforschung der „Anfänge" des Pietismus (sowohl im dog-
men- und kirchengeschichtlichen wie im sozialgeschichtlichen und
regionalgeschichtlichen Kontext) wird weiterzuführen sein.

Dem im Vorwort angesprochenen Wagemut des Verlegers, der
Sorgfalt des um die Pietismus-Forschung verdienten Herausgebers sowie
des Mitarbeiters und Redakteurs bei der Betreuung dieser Edition
gebühren Dank. Das nach der Ankündigung im Vorwort zu erwartende
baldige Erscheinen der nachfolgenden Bände würde den Zugang
zu schwer erreichbaren wesentlichen Schriften Sp.s bedeutend erleichtern
.

Jena Eberhard Pältz

' Vgl. D. Blaufuß, Reichsstadt und Pietismus. Ph. J. Spener und G. Spizel aus
Augsburg, 1977 (EKGB 53).

Küppers, Kurt: Das Volks-Stundengebet im „Himmlisch Palm-Gärtlein" des
Jesuiten Wilhelm Nakatenus(1617-1682)(TThZ90,1981 S. 305-316).

Kunzler, Michael: Bilibaldi Birckheimeri Responsio. Ein Beispiel humanistischer
Eucharistieauffassung im 16. Jahrhundert (TThZ 90, 1981
S. 289-304).

Lipps, Michael: Öogmengeschichte als Dogmenkritik. Die Anfänge der Dogmengeschichtsschreibung
um 1800 (Theol. Promotion, Heidelberg 1981).

Logan, Samuel T.: The Hernieneutics of Jonathan Edwards (WThJ 43, 1980
S. 79-96).

McEvoy, James: Der Brief des Robert Grosseteste an Magister Adam Rufus.
(Adam von Oxford O. F. M.): ein Datierungsversuch (FS 63, 1981
S. 221-226).

Macken, Raymond: Die Editionstechnik der „Opera Omnia" des Heinrich
vonGent(FS63,1981 S. 227-239).

Mathieu, Michael: Rudolf Ottos Verständnis des .Heiligen' - überprüft an
Schleiermachers .Reden' (Theol. Magisterschrift, Marburg 1980).

Moretto, Giovanni: Angezogen und belehrt von Gott. Der Johannismus in
Schleiermachers „Reden über die Religion" (ThZ 37.1981 S. 267-291).

Zur Mühlen. Karl-Heinz: Mystik des Wortes. Über die Bedeutung des mystischen
Denkens für Luthers Lehre von der Rechtfertigung des Sünders (ZW 52,
1981 S. 206-225).

O'Brien, Charles H.: Jansenists on Civil Toleration in Mid-eighteenth Century
France (ThZ 37, 1981 S. 71-93).

Richter, Vladimir: Zur Texttradition von Duns Scotus' Ordinatio (ZKTh
103,1981 S. 446-456).

Schwager, Raymund: Fluch und Sterblichkeit - Opfer und Unsterblichkeit.
Zur Erlösungslehre des Athanasius (ZKTh 103,1981 S. 377-399).

Schwarz, Reinhard: Mystischer Glaube - die Brautmystik Martin Luthers
(ZW 52,1981 S. 193-205).

Sesboue, Bernhard: La preuve par les ecritures chez saint Irenee. A propos
d'un texte difficile du livre III de l'Adversus Haereses (NRTh 113, 1981
S. 872-887).

Sörries, Reiner: Die Bilder der Orthodoxen im Kampf gegen den Arianismus.
Eine Apologie der orthodoxen Christologie und Trinitätslehre gegenüber der
arianischen Häresie, dargestellt in den ravennatischen Mosaiken und Bildern
des 6. Jh. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des germanischen Homöertums
(Theol. Promotion, Erlangen 1980/81).

Wallmann, Johannes: Pietismus und Chiliasmus. Zur Kontroverse um
Philipp Jakob Speners „Hoffnung besserer Zeiten" (ZThK 78, 1981
S. 235-266).

Zapf, Josef: Die Geburt Gottes im Menschen nach Johannes Tauler (ZW 51,
1981 S. 225-234).

Philosophie, Religionsphilosophie

Leeuwen, Theodoor Marius van: The Surplus of Meaning. Ontology
and Eschatologie in the Philosophy of Paul Ricoeur. Amsterdam:
Rodopi 1981. VI, 199 S. 8' = Amsterdam Studies in Theology, II.
Kart, hfl 40.-.

Alles Philosophieren entspringt vorphilosophischer Erfahrung und
sucht diese reflektierend zu ergründen. Paul Ricoeurs Philosophie lebt
von der Erfahrung, daß Existenz und Sein trotz aller Sinnlosigkeit,
Sünde und Schuld letztlich sinnvoll sind. "There is a surplus of
meaning over meaninglessness, a 'surplus du sens sur le non-sens'."
(1). Dies ist das Leitmotiv, das van Leeuwen durch das gesamte bislang
vorliegende Werk Ricoeurs verfolgt. Es gelingt ihm so eine überzeugende
Einführung in Ricoeurs Denken, die sich durch Konzentration.
Kohärenz und Klarheit auszeichnet.

Methodisch erreicht er diese Geschlossenheit dadurch, daß er sich
von L'Homme Faillible (1960), Ricoeurs anthropologischem Hauptwerk
, die Matrix seiner Interpretation vorgeben läßt. Die dort vorgelegte
Analyse der Grundstruktur menschlichen Daseins liefert Ansatzpunkt
und Kategorien für eine systematische Interpretation der
Hermeneutik Ricoeurs (Kap. III), der Symbolik des Bösen (Kap. IV)
und des Verhältnisses von Vernunft und Glauben im Denken
Ricoeurs (Kap. V). Zur Würdigung dieses Interpretationsansatzes ist
freilich zu beachten, daß L'Homme Faillible der 1. Bd. von Finitude
et Culpabilite ist, dem noch immer unabgeschlossenen Teil II der Philosophie
de la Volonte (Teil [: Le Volontaire et L'Involontaire, 1950).
Obwohl der 2. Bd. La Symbolique du Mal im gleichen Jahr erschien,
stehen sowohl der angekündigte 3. Bd. von Teil II (die Empirik des
unfreien Willens) als auch Teil III (die Poetik) noch aus. Sollten sie
noch erscheinen, werden sie den Testfall für van Leeuwens Interpretation
abgeben.

Der Hauptgehalt des Buches konzentriert sich in den Kap. II—IV.
die sich mit Ricoeurs Anthropologie, Hermeneutik und Symbolik des
Bösen befassen. Kap. I ist eine historisch-systematische Einführung in
seine Philosophie und Kap. V eine abschließende Reflexion über das
Verhältnis von Theologie und Philosophie in seinem Denken.

Vor dem Hintergrund der Ricoeur wesentlich prägenden Denker E.
Husserl, G. Marcel und J. Nabert identifiziert Kap. I (A Philosophy ol
Meaning) zwei Grundprobleme, die seine Philosophie beherrschen.
Einerseits liegt ihm an einer Versöhnung von Phänomenologie und