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Ausgabe:

1982

Spalte:

609-611

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Spener, Philipp Jakob

Titel/Untertitel:

Pia Desideria (1675) 1680. Das Geistliche Priestertum 1677. Sendschreiben 1677. Erörterung dreier Lehrpunkte 1678. Vorsehung vor den falschen Propheten 1668 1982

Rezensent:

Pältz, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 8

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drei geteilt, oder die Homilie über das Paradies als zwölfte gezählt. In
einer späteren Tradition hat das Anfügen beider Anhänge gelegentlich
dazu geführt, die ps.-basilianischen Homilien dem Gregor von Nyssa
zuzuschreiben. Es ist zu hoffen, daß in der Textausgabe die verschiedenen
Komplettierungen, die ja doch das Gesicht der Hexaemeron-
Homilien jahrhundertelang mitbestimmt haben, auch abgedruckt
werden.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Spener, Philipp Jakob: Schriften, hrsg. v. Erich Beyreuther. Erste Abteilung
: Frankfurter Zeit. Bd. I: Pia Desideria (1675) 1680. Das
Geistliche Priestertum 1677. Sendschreiben 1677. E.örterung
dreier Lehrpunkte 1678. Vorsehung vor den falschen Propheten
1668. Eingeleitet von Erich Beyreuther und Dietrich Blaufuß. Hil-
desheim-New York: Georg Olms Verlag 1979, 999 S. 8 Lw.
DM 158,-.

Der vorliegende Band der von Erich Beyreuther 1 erausgegebenen
Schriften Ph. J. Speners (Sp.s.), für den der durch seine Spener-Arbei-
ten (Bern-Frankfurt/M.-Las Vegas, 21980) als Sachkenner ausgewiesene
Dietrich Blaufuß, der auch für die Redaktion des Bandes verantwortlich
zeichnet, eine Einführung „Zur Überlieferung von Sp. s.
Werken seit 1700" (S. 9-42) verfaßt hat, eröffnet die erste Abteilung
der Edition und enthält folgende Titel: Pia Desideria (1675), Frankfurt
/M. 1680 (S. 123-548); Das Geistliche Priesterthum, eb<... 1677
(S. 549-731); D. Ph. J. Speners Sendschreiben, ebd. 1677
(S. 733-851); Abgenöthigte Erörterung dreyer Lehr-Puncten Merseburg
1678 (S. 853-899); Christliche Predigt Von Notwendiger Vorsehung
vor den falschen Propheten, Frankfurt/M. 1668 (S. 901-999).

Ausgangsbasis ist grundsätzlich jeweils die editio prineep«., „soweit
nicht zwingende Überlegungen dazu nötigen, eine spätei von Sp.
überarbeitete und autorisierte Ausgabe bzw. Auflage (Neusatz) vorzuziehen
" (S. 7). Daß in diesem Band als Textgrundlage der „Pia Desideria
" (P. D.) die 1680 erschienene Ausgabe gewählt ist, die als erste
und letzte selbständige Ausgabe, die (mit den Zusätzen Sp.s. und den
Gutachten von J. H. Horb und J. Stoll) vollständig zu Sp.s. Lebzeiten
erschienen ist, sozusagen - im Hinblick auf Text und Umfang - die
Fassung,letzter Hand' darstellt, wird in der Einleitung wohlbegründet
und ist zu begrüßen, zumal die editio prineeps der P. D. in einer von
Kurt Aland besorgten, seit 1940 in mehreren Auflagen erschienenen
kritischen Ausgabe vorliegt.

Die dem Reprint zugrundeliegenden Druckvorlagen sind nachgewiesen
. Die Lesbarkeit ist recht gut; das trifft auch für die Titel 4 und 5 zu, die
im Nachdruck gegenüber dem Original geringfügig verkleinert sind. Allerdings
lassen sich die Grenzen von Reprint-Ausgaben, die unbeschadet der
technischen Perfektion auf die Druckqualität der jeweiligen Vorlage angewiesen
bleiben, nicht übersehen. Es wäre aber unangemessen, an vorliegende
Ausgabe den Maßstab einer kritischen Edition anzulegen; diese zu
ersetzen hatten die Herausgeber weder die Absicht noch die Möglichkeit
(über die Probleme einer Werkausgabe als Reprint s. S. 410- Zu einer
skeptischen Betrachtung dieser Reprint-Ausgabe besteht allerdings kein
Anlaß, da die gründliche Einführung und die konzentrierten, inhaltsreichen
und zum Studium stimulierenden Einleitungen zu den aufgenommenen
Schriften (einschließlich der Nachträge umfaßt dieser Text die Seiten
9-122) diese von Fachkennern betreute Reprint-Ausgabe von manchen
.zufälligen' Neudrucken abheben.

In den Einleitungen (von D. Blaufuß zu den P. D., von E. Beyreuther
zu den übrigen Schriften) findet man neben den notwendigen Hinweisen
auf die Literatur nicht nur detaillierte Angaben zur Ent-
stehungs- und Druckgeschichte, zum geschichtlichen Kontext und
»Sitz im Leben" der jeweiligen Schriften, sondern auch Besitzvermerke
zu Bibliotheksexemplaren und spezielle Erörterungen, u. a.
zum Forschungsstand.

Für die Textgeschichte der „Pia Desideria" (P. D.) wird auf die
Untersuchungen von Grünberg, Aland und Wallmann Bezug genommen
. - Die Übersicht w.ird erleichtert (1) durch eine nützliche Tabelle
der zu Lebzeiten Sp.s gedruckten Ausgaben der P. D., ergänzt durch
Textausgaben im 20. Jh., S. 60-63, und (2) durch eine Synopse, die
einen Textvergleich der Edition von K. Aland (zuerst 1939, dann als
Nr. 170 der „Kleinen Texte" 1940 u. ö.), der die 1. Separatausgabe
(Herbst 1675) der P. D. zugrundeliegt, mit dem vorliegenden Text der
5. Separatausgabe von 1680 ermöglicht. - Die Einleitung erschöpft
sich jedoch nicht in der souveränen Kenntnis der Forschungsgeschichte
und Markierung der Forschungslage, sondern setzt eigenständige
Akzente; auf den Briefwechsel Sp.s - nach Grünberg „die wichtigste
Fundgrube für die Geschichte Sp.s" - hatte Blaufuß bereits in
seinen Quellenstudien zu Ph. J. Sp.s Briefwechsel (Spener-Arbeiten,
2. Aufl. S. XXVI u. 61 ff) hingewiesen.

Die den mit Sp. befreundeten Geistlichen J. L. Hartmann - Rothenburg
/T. und Gottl. Spizel - Augsburg' gewidmete, vom Frankfurter
Predigerministerium approbierte Schrift über das „Geistliche Priesterthum
" hat als authentische Interpretation der P. D. durch den
Autor, der seine Argumentation bezeichnenderweise mit Schriftzeugnissen
begründet, einen besonderen Rang. Als Indiz nicht nur der Belesenheit
, sondern des ausgesprochenen Kontinuitäts- und Traditionsbewußtseins
Sp.s verdienen auch die für die Lehre vom geistlichen
Priestertum aller Getauften zitierten Zeugnisse „alter und
neuer Lehrer", vornehmlich Luthers, Beachtung. Auf einige von der
Forschung weiter zu behandelnde Probleme (u. a. zur Bewertung der
collegia pietatis, S. 74ff, zu Herkunft und Stellenwert der Eschatologie
bei Sp., S. 31 f) wird in den Einleitungen zu dieser wie zu den folgenden
Schriften aufmerksam gemacht.

Der Absicherung seiner Position (bes. der collegia pietatis) gegenüber
Mißdeutungen diente auch „D. Ph. J. Sp.s Sendschreiben . . ."
Auch in dieser Schrift findet Sp.s christozentrisch-personales, jedoch
mit Luther unverrückbar auf dem extra nos der Heilsgeschichte begründetes
Glaubensverständnis gültigen Ausdruck. Sp.s Betonung der
lutherischen Rechtgläubigkeit wird man als die dem Selbstverständnis
des Autors gemäße verbindliche Interpretation beachten müssen,
ohne das Eigengewicht und die Dynamik der neuen, trotz des grundsätzlichen
Gegensatzes zur Separation auch von Labadie und von spi-
ritualistischen Impulsen beförderten Reform zu nivellieren.

Auf die „Abgenöthigte Erörterung dreyer Lehr-Puncten" wird die
Sp.-Forschung aufmerksam zu achten haben. Auch wenn die Akzentverlagerung
gegenüber der Reformation und die gegenüber der Orthodoxie
veränderten Intentionen zu betonen sind, bleibt Sp. von Mystik
und Spiritualismus geschieden: „Eine Verschmelzungs- und bzw.
Vergottungsmystik wird eindeutig abgelehnt." (S. 103) Jedoch wird
man wohl nicht umhin können, die von der veränderten geschichtlichen
Situation bedingten Umprägungen des Luthertums bei Sp. zu
konstatieren und im Kontext der Reformbewegung (der vorangehenden
wie nachfolgenden) zu präzisieren (ohne Sp.s Verwurzelung in der
- so differenziert wie möglich zu zeichnenden - lutherisch-orthodoxen
Tradition zu unterschätzen). - Auf die wichtigen Ausführungen zur
Entstehungs- und Druckgeschichte (S. 88 ff) und zur Überlieferung des
Textes (S. 98) kann hier nur verwiesen werden: Da die dem Abdruck
zugrundeliegende editio prineeps nicht Sp.s Vorstellungen entsprechend
gestaltet wurde (ein Beispiel dafür, „wie Sp. schon zu Lebzeiten
mißverständlich und gegen seine Intention rezipiert werden
konnte", S. 96), wird im Band VIII/1 dieser Ausgabe die von Sp. autorisierte
Fassung („Erklährung des Verstandes 1. Der von dem sei. Lut-
hero gebrauchten Formul, daß ein Gläubiger sagen könne: Ich bin
Christus ...", Halberstadt 1678) nach der Ausgabe von 1699 vorgelegt
werden.

Der geschichtliche Zusammenhang, in den die „Christliche Predigt
Von Nothwendiger Vorsehung vor den falschen Propheten", die einzige
anticalvinistische Schrift Sp.s, gehört (Sp. ließ sie 1686 nicht in
das Verzeichnis seiner Schriften aufnehmen), wird in der Einleitung
kundig dargestellt; auf Sp.s Abwendung von den überkommenen Stereotypen
der konfessionellen Polemik wird hingewiesen.

Die mit dem vorliegenden Band beginnende Ausgabe könnte eine