Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1982

Spalte:

595-597

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Die Propheten des Alten Testaments 1982

Rezensent:

Westermann, Claus

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

595

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 8

596

nianischen Codices in reichstem Maße zu finden ist, die südslavische
Tradition eingeschlossen.

Obwohl es auch einen altslavischen Apokryphenfndex in mannigfaltiger
Variation gibt, dessen Umrisse sich bereits in der Zeit der
Kiever Rus ausbilden, erfahren die Apokryphen als fester Bestandteil
in der Regel kirchlich-liturgischer Handschriften weiterhin eine
merkwürdig ungehinderte Publikation und Verbreitung (z. B. in Anhängen
zum Neuen Testament, in den Lese-Menäen, inmitten der
Prolog-Viten, in den verschiedenen Homilien-Sammlungen wie etwa
dem Zlatoust, dem Izmaragd und dem Margarit, oder auch in den
Sammelbänden - den Sborniks - verschiedensten Inhalts, im Damas-
kin vor allem, auch in den Chroniken und in der tolkovaja paleja, die
alttestamentliches apokryphes Material enthält). Diese auffällige
Inkonsequenz von offizieller Indizierung und breiter Publikation, die
vielleicht aus dem relativ starken Eigenleben der Kloster- und anderer
Skriptorien gegenüber der bischöflichen Kontrollinstanz als auch aus
der ungebrochenen Hochschätzung des tradierten Sakraltextes resultiert
, ist lange Zeit übersehen worden, als man in der Forschung versuchte
, die altslavischen Apokryphen und deren Überlieferung hauptsächlich
dem häretischen Bereich, besonders der Bewegung der Bogo-
milen zuzuschreiben, eine Zuweisung, in der nicht selten der mittelalterliche
kirchliche Index vorangegangen war.

Wer sich dem Arbeitsfeld der altslavischen Apokryphen, von welcher
Seite auch immer, in Zukunft nähern wird, wäre schlecht beraten
, wenn er nicht auch, um annäherungsweise die Breite der textlichen
Überlieferung ins Auge zu bekommen, die Zusammenstellungen
von de S. O. als Wegweiser benutzte. Das baldige Erscheinen
des angekündigten dritten Bandes für die altslavischen alttesta-
mentlichen Apokryphen ist zu wünschen.

Halle (Saale) Hermann Goltz

Altes Testament

Fohrer, Georg: Die Propheten des Alten Testaments, 1: Die Propheten
des 8. Jahrhunderts. 176 S. Kart. DM 19,80. 2: Die Propheten
des 7. Jahrhunderts. 175 S. Kart. DM 19,80. 3: Die Propheten des
frühen 6. Jahrhunderts. 237 S. Kart. DM28,-. 4: Die Propheten
um die Mitte des 6. Jahrhunderts. 159 S. Kart. DM 28,-. 5: Die
Propheten des ausgehenden 6. und des 5. Jahrhunderts. 182 S. Lw.
DM 32,-. 6: Die Propheten seit dem 4. Jahrhundert. 134S. Lw.
DM 28,-. 7: Prophetenerzählungen. 195 S. Kart. DM 42,-.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1974/75/76/77.8°.

In erstaunlich kurzer Zeit hat G. Fohrer ein Werk über sämtliche
Propheten des AT geschrieben, in zeitlicher Reihenfolge vom 8. bis
nach dem 4. Jh. in Bd. 1 bis Bd. 6, dazu Prophetische Gestalten im
frühen Judentum (Bd.6) und Prophetenerzählungen im ganzen AT
(Bd.7).

Im Unterschied zu den alten Werken über die Prophetie, etwa von
Duhm oder Hölscher, ist dies keine zusammenfassende, zusammenhängende
Darstellung, sondern eine Wiedergabe ausgewählter Texte
der einzelnen Prophetenbücher in eigener Übersetzung, zeitlich oder
nach dem Inhalt geordnet. Die Texte sind jeweils eingeleitet durch
einen geschichtlichen Überblick (z. B. „Israel im 8. Jh. vor Christus")
und einen weiteren „Der Prophet und sein Buch" und abgeschlossen
durch einen seine Botschaft zusammenfassenden Teil (z. B. „Die Botschaft
des Arnos"). Der Text sämtlicher Prophetenbücher ist sorgfältig
philologisch durchgearbeitet mit kritischen Anmerkungen, insbesondere
einer ganzen Fülle von nachträglichen Zusätzen zum Text. Dies
für sich schon ist eine enorme Leistung; eine ebenso umfassende Vorarbeit
dazu war die Literaturübersicht zur gesamten Prophetie von G.
Fohrer in der Theologischen Rundschau.

Die Fülle der Texte mit jeweils einzelner Erklärung machte es einmal
notwendig, die zusammenfassenden Teile, die die Texte einrahmen
, äußerst kurz zu halten, auch wenn man diese Kürze oft bedauern
wird; außerdem schloß sie es aus, die wissenschaftliche Diskussion
einzubeziehen. Man muß daher ständig im Auge haben, daß
es sich sowohl bei der philologischen Arbeit an den Texten wie auch
bei den Überblicken um die Meinung eines Forschers handelt, die bei
dieser Fülle von Texten auch nicht begründet werden konnte in der
Auseinandersetzung mit anderen Auffassungen. So ergibt es sich aus
der Anlage des ganzen Werkes von selbst, daß es viele Fragen von
vielen Seiten her herausfordert. Da eine ins Einzelne gehende Besprechung
aus Raumgründen nicht möglich ist, beschränke ich mich auf
einige Fragen.

1) Der Einleitungsteil „Die alttestamentliche Prophetie" umfaßt
nur die Seiten 1,8-13 und darin handelt von den prophetischen Redeformen
nur eine Seite (Punkt 5, S. 12f)- Obwohl der Vf. durchweg von
der „Botschaft der Propheten" spricht, fehlt hier ein Hinweis darauf,
daß die Prophetensprüche zum großen Teil die Form eines Botenwortes
haben. Es fehlt auch ein Hinweis darauf, daß die Sprache der
Propheten sich durch die Jahrhunderte wandelt und wir in gewissen
Grenzen eine Geschichte der Prophetenworte erkennen können. Es ist
zu fragen, ob man die Geschichte der Prophetie ohne die Geschichte
des Prophetenwortes verstehen kann.

2) Es fällt auf, daß in den abschließenden Teilen das, was die Propheten
gesagt haben, auf sehr allgemeine, abstrakte und zeitlose
Begriffe gebracht wird und dahinter das Spezifische, was nur dieser
Prophet und nur in seiner Situation zu sagen hatte, zurücktritt. Ein
Beispiel: S. 95 sagt der Vf.: „Wie Arnos kennt Hosea zwei Bereiche
der Sünde in seiner Gegenwart: die kultische und die politische
Sünde". Für Arnos trifft das nicht zu. Daß in der Verkündigung des
Arnos die soziale Anklage beherrschend ist, ist offenkundig und niemals
bestritten worden. „Politische Sünde" begegnet bei Arnos so gut
wie gar nicht. - Diese stärke Tendenz zu einem zeitlosen oder überzeitlichen
Verständnis der Prophetie zeigt sich bei dem Vf. auch darin,
daß er auf die Herkunft der Sprache und des Denkens der einzelnen
Propheten wenig Gewicht legt. Bei der Einleitung zum Propheten
Jesaja z. B. wird von den spezifisch jerusalemischen Traditionen, die
sich vielfach in seinen Worten zeigen (vgl. von Rad: „Zion-
■ Traditionen"), nichts gesagt. Man kann darüber verschiedener Meinung
sein; aber kann man sie ganz ignorieren? Positiv hebe ich an der
Einleitung zu Jesaja die genaue Bestimmung der Wirkungsperioden
und der einzelnen Sammlungen hervor.

3) S. 98 nennt der Vf. die Texte in Jes 1-39, die bei ihm „völlig
außer acht bleiben" und begründet das: „da sie keinerlei Beziehung
zur Prophetie aufweisen". Dazu gehört nach ihm auch Jes 12. Nun ist
aber Kap. 12 als Abschluß des Buches 1-11 deswegen sehr wichtig,
weil es auf das Weitergehen der Jesajaworte in späteren Zeiten im
Gottesdienst weist. Von der Geschichte der Traditionen, die zu den
Propheten hinführen und die von ihnen ausgehen, kann man wohl
nicht ganz absehen. In anderer Weise zeigt sich das bei Jeremia. In
dem Teil „Der Prophet und sein Buch" ist ein Hauptbestandteil des
Buches nicht genannt: die Prosatexte in dtr Sprache, die als solche in
der neueren Forschung allgemein anerkannt sind und um die sie besonders
bemüht ist. Auch hier kann man anderer Meinung sein, aber
man sollte das doch, wenn es um einen der Hauptteile des Jeremia-
buches geht, anmerken.

4) In der das Wesentliche gut herausstellenden Zusammenfassung
zur Prophetie Ezechiels (217-219) fragt man, warum gar nicht
erwähnt wird, daß Ez bis zur Eroberung Jerusalems Gerichtsprophet
war und von da an Heil verkündete. Ebenso erstaunlich ist, daß von
dem erneuerten Gottesdienst, der für Ez grundlegend wichtig ist, so
wie bei keinem anderen Propheten vor ihm, in der Zusammenfassung
fast nichts gesagt ist. Was Ez von der Zukunft sagt, ist nach Meinung
des Vf. im wesentlichen auf den einzelnen Menschen bezogen. Es wird
S. 217-219 durchgehend von „dem Glaubenden" gesprochen, ein
Begriff, den die Prophetie Ezechiels nicht kennt.

5) Den Text Jes 63,7-64,11 (226-231) reiht der Vf. unter „Sprüche
unbekannter Propheten" ein, obwohl er ihn zutreffend als „Volksklagelied
" bezeichnet. Wenn er das ist, kann er kein Prophetenspruch