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Ausgabe:

1982

Spalte:

557-558

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Badry, Elisabeth

Titel/Untertitel:

Die erzieherische Aufgabe der Familie 1982

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

558

teile zu beenden. Für diese Anleitung wird der Leser dem Herausgeber
danken.

Borken Fritz Krotz

' Vgl. K. Hunsche, Der Kampf um die christliche Schule und Erziehung
1933-1945, in : J. Beckmann [Hrsg.], Kirchliches Jahrbuch f. die EKiD 1949,
76. Jg., Gütersloh 1950, S. 455ff; M. Albertz, Die Kammer der Bekennenden
Kirche Deutschlands für kirchliche Unterweisung und Erziehung 1936-1945,
in: Mission draußen und drinnen. Festgabe f. H. Lokies, Berlin 1955, S. 61 ff.

2 H. Gloy [Hrsg.], Evangelischer Religionsunterricht in einer säkularisierten
Gesellschaft (Paedagogica, Bd. 4), Göttingen 1969.

P. C. Bloth [Hrsg.], Christenlehre und Katechumenat in der DDR,
Gütersloh 1975.

Badry, Elisabeth: Die erzieherische Aufgabe der Familie. Frankfurt
/M.: Knecht 1980. 189 S. 8* = Familie in Kirche, Gesellschaft
und Staat. Kart. DM 24,80.

Dieses Buch will (vor allem in.seinem ersten, grundlegenden Teil:
„Prinzipielle Aspekte der Erziehung in der Familie", 15-41) Antwort
auf die Frage nach dem „Wozu" erzieherischer Bemühungen geben
und Eltern wie Erziehern einen „gültigen Maßstab" für ihr pädagogisches
Handeln vermitteln (12). Dieser - gewiß nicht bescheidene -
Anspruch wird eingelöst auf der Basis eines Erziehungsverständnisses,
das sich selbst als ,christlich' (sprich: kirchlich-katholisch) versteht.
Zweifel an dieser Position läßt die Vfn. nicht aufkommen: Das
Attribut .christlich' - so macht sie deutlich - benennt nichts, was zu
„normaler" Erziehung gleichsam als „Beigabe" hinzutritt, meint
eigentlich auch keine spezifische, unterscheidbare Qualifikation bzw.
Motivation solcher Erziehung, sondern deckt „unverzichtbare Elemente
in der Zweckbestimmung des Pädagogischen überhaupt ab"
(19). Im Klartext heißt das doch wohl: Rechte Erziehung ist - in dem
beschriebenen Sinne - .christliche' Erziehung, oder sie verfehlt ihr
eigentliches Ziel. Die Begründung: Letzter Zweck christlicher' Erziehung
ist die Ermöglichung eines „unverkürzten Menschentums" (23 ff
u. ö.). Solches „unverkürztes Menschentum" verwirklicht sich in
einem dreifachen Bezug: in der „Beziehung des menschlichen Ich zu
sich selbst", in der „Beziehung dieses Ich zu anderem" (sachlicher
Bezug) und zum Anderen (personaler Bezug) und in der „Beziehung
des menschlichen Ich zum Absoluten, zu Gott" (156 u. ö.). Diese
„christliche Zielidee" deckt sich jedoch inhaltlich „mit der Zweckbestimmung
des Pädagogischen überhaupt"; auch hier darf es um
nichts anderes gehen, als „dem Heranwachsenden die personale
,Durchformung' seiner Existenz zu ermöglichen" und ihm so zu „unverkürztem
Menschentum" - in der notwendigen und unverkürzten,
weil Tür sein Menschsein konstitutiven Interdependenz der drei Relationen
- zu verhelfen (34f). Die - im Anschluß an J. Ratzinger formulierte
- Frage, ob „Christsein als Weg zum gelungenen Menschentum
oder gar als gelungenes Menschentum" betrachtet werden könne (23),
wird von der Vfn. positiv beantwortet: Jesus Christus verkörpert „den
gültigen Entwurf gelungenen Menschentums"; in der christlichen
Offenbarung erhält das Menschliche „einen bleibend tragenden
Cirund"; vor allem ist der - für jede Zweckbestimmung des Pädagogischen
unaufgebbare - „Personbegriff und die hinter diesem Begriff
stehende Idee christlichen Ursprungs" (36). Legt das - so die Frage, die
den Leser bewegt, auf die er eine eindeutige Antwort freilich nicht
erhält - nun den Umkehrschluß nahe, daß gelungenes, unverkürztes
Menschentum eigentlich nur auf dem Weg über so verstandene
.christliche' Erziehung möglich ist?Es scheint so - ausgeführt wird das
nicht -, daß die Vfn. hier eine Stufung zuläßt: Die Bindung an ein
„Letztgültiges", an eine verpflichtende „letzte Wirklichkeit" (32IT), in
der Reflexivität (Selbstbezug) und Bezug auf den anderen (Nächstenliebe
) gründen, wird aller Erziehung auferlegt, die „unverkürztes
Menschentum" verwirklichen will; ein personale.'* Verständnis jener
„letzten Wirklichkeit" (zusammen mit der gnadenhaften Erfahrung,

von diesem ,Du' angenommen zu sein) bleibt freilich einer explizit
.christlichen' Erziehung vorbehalten (37).

Solche .Verchristlichung' allgemeiner pädagogischer Zielvorgaben
gewinnt in der Polemik der Vfn. gegen bestimmte Erscheinungen in
der Erziehungswirklichkeit ihres Landes eine sehr konkrete Gestalt.
Hier ergreift die Vfn. - ganz buchstäblich - .Partei', und es braucht
kaum erläutert zu werden, mit welchen Kräften sie sich dabei verbindet
. Ihr Lasterkatalog ist lang: Da ist die Kritik an den Schul- und
Bildungsreformen früherer Jahre, insbesondere an allen Versuchen,
eine größere „Gleichheit der Bildungschancen" zu verwirklichen
(11,120ff, 127); da sind Ausfälle gegen die emanzipatorische (93 f) und
antiautoritäre Bewegung (95f), gegen „Konflikttheoretiker" (90) und
„ideologische Leistungsverächter" (139); da sind Einwände gegen die
Berufstätigkeit der Frau, verbunden mit einem Lobpreis auf das häusliche
Heim als Stätte der Selbstverwirklichung (71 0; da ist die Klage
über die allgemeine ethische Orientierungskrise, verbunden mit dem
Ruf nach „Letztverbindlichem" und „unverbrüchlicher Ordnung"
(1291).

Es soll nicht verschwiegen werden, daß das Buch in seinem zweiten
Teil („Schwerpunkte der Erziehung in der Familie", 43-181) auch
eine Fülle brauchbarer praktischer Hinweise enthält. Hier finden sich
entwicklungspsychologische Überlegungen, Hinweise zur Erziehung
in den ersten Lebensjahren (z. B. zum „Spiel des Kindes"), zum
Fragenkreis „Autorität und Gehorsam", zur schulvorbereitenden und
schulbegleitenden (unterstützenden und ausgleichenden) Aufgabe der
Familie. Sicher kann man der Vfn. nur zustimmen, wenn sie (im Anschluß
an A. Petzelt) menschliche Entwicklung als „das Resultat einer
Wechselbeziehung zwischen Einwirkungen aus der Umwelt und aktiver
Stellungnahme und Verarbeitung durch das sich entwickelnde
Individuum auf der Grundlage biologischer Vorgegebenheiten"
beschreibt und deutlich macht, daß das Kind sich entwickelt, indem
es „Aufgaben" bewältigt (57). Es überrascht freilich, mit welcher Ausschließlichkeit
die Vfn. sich hierbei an die Phasenlehre dieses Autors
bindet, ohne auf die grundsätzliche Problematik solcher Phasen- und
Stufenlehren überhaupt zu verweisen (600- Es mag sein, daß eine solche
Bindung ihrem Bestreben entgegenkommt, das „bleibend Richtige
" in allem gesellschaftlichen Wandel auszumachen und festzuhalten
(12).

Das Buch schließt mit einem Abschnitt, der die Erziehung zum und
im Glauben zum Gegenstand hat (156-181). Die Weichen hierfür
werden freilich bereits in den vorhergehenden Abschnitten gestellt:
Jeder ,Phase' menschlicher Entwicklung entspricht eine spezifische
Fragehaltung; im .Fragen' und .Antworten' vollzieht sich die Persönlichkeitsentfaltung
des Heranwachsenden. Hierbei stößt er freilich
fortgesetzt an Grenzen, die auf eine „endgültige Antwort", einen
„letzten Grund" verweisen: „Sein Fragen führt ihn notwendig zu
Gott" (57). Hier schließt sich demnach der Begründungszusammenhang
, in dem allgemeine und religiöse Erziehung letztlich zur Deckung
gebracht werden. Die Vfn. zitiert A. Petzelt: „Bildung muß
ihrem Begriff nach religiös sein, d. h. hier die Frage nach Gott für alle
ihre Aufgaben mit allen Konsequenzen einschließen" (57). So sind
auch religiös nicht gebundene Eltern gehalten, ihren Kindern zumindest
den Zugang zu jener dritten Grundrelation (Gottesbezug) „unverkürzten
Menschentums" offenzuhalten (161). „Glaubenserziehung"
im engeren Sinn zielt dann auf die Ermöglichung des freien Bekenntnisses
zur konkreten geschichtlichen und gesellschaftlichen Gestalt
religiöser „Rück-bindung", genauer: zum „christlichen Glauben in
seiner katholischen Ausprägung" (162).

Man kann der Vfn. nur dankbar sein, daß sie mit all dem den allumfassenden
Anspruch, der sich mit der von ihr eingenommenen Position
verbindet, so deutlich zum Ausdruck bringt. Daß dieser Anspruch
evangelische Theologie und Religionspädagogik zu einer
ebenso umfassenden Auseinandersetzung auffordert, versteht sich von
selbst.

Diipzig Karl-Heinrich Bicritz