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Ausgabe:

1982

Spalte:

551-552

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Schmid, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche 1982

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

552

knüpfung an Beiträge, die durchaus eine gewisse Nähe zu seinem
Konzept aufweisen. Dadurch aber verstärkt sich die Gefahr, daß sein
Entwurf jedenfalls in einer Hinsicht durchaus in den Bahnen klassischer
protestantischer Dogmatik verbleibt: in der Hinsicht nämlich,
daß theologische Ekklesiologie sich mit dem „Wesen" der Kirche zu
beschäftigen habe, während die Frage nach der Rechts- und Sozialgestalf
der Kirche anderen überlassen bleibt. Es ist geradezu erstaunlich,
mit welcher Selbstverständlichkeit Kreck diese klassische Prämisse
der Ekklesiologie übernimmt, ohne ihre Problematik - zum Beispiel
die darin vorausgesetzte Unterscheidung von Wesen und Erscheinung
oder die Frage, ob sich die „Kirche" solchen Gesichtspunkten wissenschaftlicher
Arbeitsteilung wirklich fügt - auch nur mit einem Wort
zu erwähnen.

Der theologische Ansatz, den Walter Kreck vertritt, verpflichtet
dazu, daß die Theologie auch für die institutionelle Gestalt der Kirche
Mitverantwortung zu übernehmen hat. Solche Mitverantwortung
kann sich nicht in Aussagen über „essentials" erschöpfen, sondern
muß sich an konkreten Gestaltungsaufgaben ausweisen. Hätte Kreck
sich dieser Einsicht nachdrücklicher gestellt, dann wäre seine Institutionenkritik
vielleicht hie und da bedächtiger, dadurch aber nicht
weniger scharf und insgesamt jedenfalls wirksamer geworden. Noch
deutlicher hätte sich dann auch gezeigt, wie nah sich Krecks Ekklesiologie
mit dem Votum des Theologischen Ausschusses der EKU zu
Barmen III (Kirche als ,Gemeinde von Brüdern' - Barmen III, Bd. 2,
Gütersloh 1981) berührt, an dem weiter mitzuarbeiten Walter Kreck
zu einem bestimmten Zeitpunkt als unfruchtbar angesehen hat.

Marburg Wolfgang Huber

Schmid, Heinrich: Die Dogmatik der evangelisch-lutherischen Kirche,

dargestellt und aus den Quellen belegt. Neu hrsg. u. durchgesehen v.
H. G. Pöhlmann. 9. durchges. Aufl. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1979.411 S. gr. 8". Lw. DM 44,-.

Diese Neuausgabe des „Kirchen-Schmid" ist zu begrüßen (Anzeige
der 7. Aufl. ThLZ 20, 1895 Sp. 190), da theologiegeschichtliche Forschung
und Systematische Theologie nach wie vor darauf angewiesen
sind, sich überblickhaft orientieren zu können. Damit ist aber zugleich
die Grenze dieser Ausgabe benannt: Der „Schmid" leistet heute
nicht das, was wir erwarten, was weder ihm noch dem Hrsg. anzulasten
ist. Jeder Kundige kennt die Diskussion, die sich fast zwangsläufig
gegen den Hrsg. zu kehren scheint. Er hat deshalb auch den
Sachstand im Vorwort nachzuzeichnen versucht und dabei den
Kriterien C. H. Ratschows (Lutherische Dogmatik zwischen Reformation
und Aufklärung, Bd. I 1964, Vorwort) erneut zum Ausdruck
verholfen. Die zwei grundsätzlichen Einwände gegen dieses Schmid-
sche Kompendium sind immer wieder angesprochen worden: 1. Die
Zweiteilung in Übersichten in deutscher und Quellenstücke in lateinischer
Sprache verführt zur ausschließlichen Lektüre der Übersichten
(so nach E. Hirsch); 2. die vorausgesetzte Einheit eines altprotestantischen
Systems hat es nie gegeben (C. H. Ratschow). Die jüngste
Zusammenfassung aller damit zusammenhängenden Probleme hat
wohl P. Cornehl in seinem Beitrag gegeben „Hilfsbücher zum Studium
der Systematischen Theologie in Vergangenheit und
Gegenwart" (VuF 23, 1978 Heft 12 S. 2-18). Beide genannten Einwände
und ihre Details haben aber bisher leider nicht zu Darstellungen
geführt, die das Studium der altprotestantischen Theologie echt
belebt hätten. Der zuerst genannte Einwand führt zu dem berechtigten
Vorschlag, „eine zweisprachige Ausgabe mit einer deutschen Übersetzung
der orthodoxen Quellentexte" (Cornehl, aaO S. 14f Anm. 11),
und zwar synoptisch, anzubieten. Das ist durch den Hrsg. nicht
geschehen-und ist zu bedauern. Der zweite Einwand ist sicher berechtigt
, scheitert aber praktisch, solange noch nicht hinreichend Kriterien
für eine Darstellung erarbeitet sind. Insofern ist der Nachdruck des
Schmid momentan zu begrüßen, wenn dieser allein auch nicht das
Optimum des Erreichbaren darstellt.

An der gegenwärtigen Forschungssituation und -anforderung wird
man also den Schmid zu allerletzt messen dürfen, da gerade sie das
Dilemma sehr deutlich aufzeigen kann. Für eine angemessene und
sachentsprechende Darstellung der altprotestantischen Dogmatik
zeichnen sich, wenn ich recht sehe, Übereinstimmungen ab, die aber
noch zu sehr zu Lasten von solchen Gebieten gehen, die nicht im Mittelpunkt
des Interesses stehen. So ist in sehr interessanter Weise die
Bemühung um die sog. vorpietistische Orthodoxie von Seiten der
Pietismusforschung vorangetrieben worden (J. Wallmann und
E. Peschke im Anschluß an H. Leube); freilich geht diese Bemühung
einher in Abgrenzung gegen die „im Kampf gegen den Pietismus verhärteten
'Spätorthodoxie" (Einleitung, in: A. H. Francke, Streitschriften
, hrsg. v. E. Peschke. Berlin-New York 1981 S. XIX). Die
Einsicht in die Differenziertheit der vorpietistischen Dogmatik fordert
aber m. E. zur verstärkten Beschäftigung mit der Spätorthodoxie
heraus. Dabei zeigt sich, daß hier, ebenso wie bei der vorpietistischen
Orthodoxie, ein äußerst differenziertes Feld vorliegt. Allein das sich
herausbildende theologische Reaktionsvermögen, das sich mehr und
mehr von der allbekannten Polemik abhebt, ist nicht erst für die
Neologie und die Aufklärungstheologie typisch, sondern in unverwechselbarer
Weise für die Spätorthodoxie. Selbstverständlich ist das
auch von den einzelnen theologischen Richtungen in unterschiedlichem
Maße zu verzeichnen. Aufgrund dieser Einsichten legt sich
eigentlich eine genetische Darstellung nahe, die u. U. auch einmal
eine historische Abfolge zugunsten der systematischen Folgerichtigkeitzurückstellt
.

Der Satz ist bis auf wenige Kleinigkeiten fehlerfrei gelungen. Vielleicht
hätte man doch eine Bibliographie der herangezogenen Werke
(neben den Angaben in Schmids Vorrede zur 2. Auflage und dem
Abkürzungsverzeichnis) erstellen sollen. Die Neuauflage wurde vom
Theologischen Ausschuß der VELKD sowie dem Lutherischen
Kirchenamt, Hannover, angeregt.

Leipzig Martin Petzoldt

Praktische Theologie: Allgemeines

Riess, Richard: Der Gott der Lilien. Studien zu biblischen Texten
und Themen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981. 200 S.
8°. Kart. DM 36,-.

„Aber die Augen sind blind. Man muß mit dem Herzen sehen." -
Diese Worte des kleinen Prinzen aus dem weltbekannten Kinderroman
für Erwachsene des Antoine de Saint-Exupery könnten als
Leitspruch über diesem Buche stehen. Richard Riess, Professor für
Praktische Theologie, Pastoralpsychologe und schon mehrfach ausgewiesener
Autor theologischer Fachliteratur hat mff dieser nicht
allzu umfangreichen Arbeit ein Werk vorgelegt, das schlicht als
richtungsweisend im Sinne einer neuen, von Spiritualität getragenen
Literatur angesehen werden muß. Beeinflußt von dem theologischen
Denken Paul Tillichs und Otto Haendlers ist die Symbolsprache für
Riess Schlüssel und zugleich Brücke, die Wirklichkeit der Erfahrung
mit Gott zu vermitteln. Hierzu allerdings muß man in der Tat „mit
dem Herzen sehen". (Im Text steht ,suhen das ist wohl ein Druckfehler
.)

Christlicher Glaube, die Gestalt des Gottesdienstes und eine vom
Symbol her sich dem Hörer erschließende Verkündigung werden auf
200 Seiten sowohl in der Sprache, als auch im Durchdenken nahezu
vorbildlich angeboten. Da werden die Lilien auf dem Felde, das zerrissene
Netz und nicht zuletzt die Freude und die Liebe zum Leid, wie
sie sich in dem Dienst in und an der Gemeinde real zeigt, zu den
großen Symbolen menschlicher Lebensexistenz. Aber es sind nicht
einfach Nachdrucke von überarbeiteten Predigten, die hier vorgelegt
werden und an denen wahrlich kein Mangel ist, sondern es sind eben
für den Zweck dieses Buches durchdachte und erarbeitete Betrachtungen
. Am Anfang steht immer ein Bibeltext, der schon im Druck den