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Ausgabe:

1982

Spalte:

550-551

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Kreck, Walter

Titel/Untertitel:

Grundfragen der Ekklesiologie 1982

Rezensent:

Huber, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

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Damit ist dann auch die Abfolge der einzelnen Kapitel bestimmt.
Nach einer Einleitung über Gegenstand und Methode wird in den
beiden ersten Kapiteln die Frage nach dem Menschen gestellt. Ergebnis
: „In der Sorge, in der Kommunikation, in der Suche nach Sinn .. .
transzendiert sich" (43) der Mensch. Sein Wesen gestaltet sich in
verschiedenen Grundakten (dem funktionalen, dem theoretischen,
dem ästhetischen und dem ethischen), in denen der Mensch jeweils an
seine Grenze und damit zugleich an das „Unbedingte" stößt. So kann
gesagt werden, daß der „religiöse Grundakt" die anderen Grundakte
„umschließt" (76). Auf diese grundlegenden Erörterungen folgen zwei
Kapitel über „Religion und Religionen" und über „das unterscheidend
Christliche", in denen deutlich gemacht wird, daß die eingeschlagene
Methode nicht auf die Ableitung des christlichen Glaubens
aus dem allgemein Menschlichen aus ist. Christentum bedeutet nicht
nur die „radikale Steigerung des religiösen Grundakts" (114).
sondern zugleich seine „Umkehrung". Damit ist das entscheidende
Stichwort für die folgenden Kapitel gefallen: „Der Mensch bedarf. . .
des Glaubens und der Offenbarung als der erfüllenden Umkehrung
des mitgebrachten Menschlichen" (118). Diese Umkehrung geschieht
im Jesuanischen Gottesereignis" (118), in dem „Gott sich selbst gibt
und nichts von sich draußen läßt" (102). Das folgende Kapitel
beschäftigt sich mit der „christlichen Offenbarung", seine eindrücklichste
Aussage: „Offenbarung stiftet Kommunikation zwischen Gott
und Mensch" (138ff). Kapitel 7 ist der „Frage nach Gott" gewidmet.
Hier erst wird das Problem der Gottesbeweise erörtert. Dabei geht es
„nicht um ihre Beweiskraft, sondern darum, wie sie die Offenheit des
Menschen verstehen und in ihr die Möglichkeit beschlossen sehen, zu
Gott vorzustoßen" (146). Schließlich folgen Erörterungen über die
„Offenbarung durch Jesus Christus". Sie werden bestimmt durch den
Gedanken der Nachfolge: Sie ist „der Ort der Erfahrung dessen, wer
Jesus ist" (165). Dabei ist beachtlich, wie stark unter diesem Gesichtspunkt
nicht nur biblische sondern auch dogmatische Überlieferungen
berücksichtigt werden. Den Abschluß des Buches bildet das neunte
Kapitel über den „christlichen Glauben". Damit ist der Kreis geschlossen
: Die Fundamentaltheologie ist wieder beim Menschen, von
dem sie ihren Ausgang nahm, freilich beim Menschen als Empfänger
der Offenbarung. Paradox wird dieser Zusammenhang so formuliert:
„Alles hängt am Glauben und damit am Menschen, denn es ist der
Mensch, der glaubt. Alles aber hängt so am Menschen, daß alles an
Gott liegt" (195).

Der Rez. gibt zu, daß ihn dieses Buch auf weite Strecken fasziniert
hat. Da ist zunächst der klare systematische Ansatz, der mit aller
Konsequenz vom Menschen ausgeht, der aber dennoch den ganz
anderen offenbarungstheologischen Ausgangspunkt immer mit bedenkt
. Dies alles vollzieht sich in einer wohltuend durchsichtigen
Sprache. Die einzelnen Kapitel sind klar aufgebaut und haben
zusammenfassende Thesenreihen am Ende. Und schließlich dürfen
die im guten Sinne erbaulichen Partien, besonders im Zusammenhang
mit der Auslegung der „Beispieltexte", die in jedes Kapitel eingefügt
sind, bei der Aufzählung der Vorzüge nicht vergessen werden. Da
werden dogmatische Begriffe so aufgeschlossen, daß sie für meinen
Glauben relevant werden. Freilich die Bibel selbst spielt in den Erörterungen
eine geringe Rolle. Die wesentlichen Aussagen werden eher
spekulativ gewonnen.

Übrigens fühlt sich der Rez. in entscheidenden Partien an Schlcier-
machers berühmte Einleitung zu seiner Glaubenslehre erinnert. Auch
dort wird zunächst vom Menschen her deduziert, und auch dort gibt
es dann im § 14 mit dem Verweis auf Christus die Kehre. Natürlich
sind bei ihm die Gefahren eines solchen Unternehmens nicht so
deutlich gesehen, wie in unserem Buch. Immerhin deutet auch dies
auf eine tiefe Verwandtschaft hin: Schleiermacher hat von der Ellipse
mit den beiden Brennpunkten als Bild für die Art seines theologischen
Denkens geredet. Hier heißt es, daß die Fundamentalthcologie zwei
Ausgangspunkte habe: den Menschen und Gott (119).

Karl-Marx-Stadt Friedrich Jacob

Systematische Theologie: Dogmatik

Kreck, Walter: Grundfragen der Ekklesiologie. München: Kaiser
1981.315 S. 8'. Kart. DM 45,-.

Den „Grundfragen der Dogmatik" (2. Aufl. 1977) und den „Grundfragen
christlicher Ethik" (2. Aufl. 1979) läßt Walter Kreck nun
„Grundfragen der Ekklesiologie" folgen. Zwar hält er das Buch, wie er
im Vorwort erklärt, für bruchstückhaft; doch es erfüllt genau, was der
Autor von dogmatischer Arbeit erwartet: es bietet eine Beschäftigung
mit den „essentials" des Kirchenverständnisses (vgl. S. 140): es entwirft
nicht eine Gestalt der Kirche im einzelnen, sondern fragt nach
„Wegweisungen", die auch für die Rechts- und Sozialgestalt der
Kirche bestimmend sein können (vgl. S. 179).

Krecks Buch über die Kirche schließt sich gerade darin in höchst
erfreulicher Weise an seine beiden Vorgänger zur Dogmatik und zur
Ethik an, daß es in transparenter Sprache ein klares Konzept der
Ekklesiologie im Anschluß an Karl Barth und die Barmer Theologische
Erklärung von 1934 vorträgt. Dies geschieht im Durchgang
durch folgende Themenbereiche: die Erkenntnis der Kirche; Jesus
Christus und die Kirche; der heilige Geist, das Wort und die Kirche;
die Gemeinde, ihre Charismen und Dienste; die apostolische Kirche
(Kirche und rechte Lehre); die Einheit der Kirche; die Zukunft der
Kirche. Die von Kreck entfaltete Position reformatorischer Theologie
wird sehr häufig kontroverstheologisch im Verhältnis zur römischkatholischen
Tradition präzisiert. Dabei verfährt Kreck durchgängig
so, daß er zunächst die vorkonziliare Position der römisch-katholischen
Kirche darstellt und dann fragt, ob sich durch das IL Vaticanum
in ihr Wesentliches verändert habe. Diese Darstellungsform
tendiert - dies sei am Rande vermerkt - dazu, den Einschnitt zu nivellieren
, den das Q. Vaticanum für die katholische Lehrentwicklung
darstellt.

Besonders in den Exkursen, die jedem Kapitel beigefügt sind, spitzt
Kreck seine Überlegungen auf die aktuelle Situation zu. Das Interesse,
unter dem diese Zuspitzung vollzogen wird, tritt schon aus den Überschriften
der Exkurse deutlich hervor: Geglaubte oder konstatierte
Kirche? Christus Subjekt oder Objekt der Kirche? Heilsanstalt oder
Zeugendienst? Gemeinde von Brüdern oder Herrschaftsstrukturen?
Tradition als Fessel oder Wegweisung? Scheinein'ieit oder Einheit in
Wahrheit? Neutralität oder Parteinahme? Die Entscheidungsfragen,
an denen sich die Relevanz seiner Ekklesiologie zeigen soll und an
denen zugleich die Kirche der Gegenwart um ihrer Glaubwürdigkeit
willen zu eindeutigem Reden und Handeln herausgefordert ist, sieht
Kreck vorrangig im Bereich der politischen Verantwortung der Kirche
. Die Gefahrdung des Friedens und das Wettrüsten, der Antagonismus
gegensätzlicher Gesellschaftssysteme und die Ausbeutung der
Dritten Welt sind die Themen, an denen die Kirche ihre Glaubwürdigkeit
heute zu erweisen hat.

Schon um seines erfrischenden Engagements und um seiner theologischen
Klarheit willen ist dies Buch zu begrüßen. Kreck verzichtet
konsequent darauf, seine Position durch vermeintliche systematische
Subtilitäten unangreifbar zu machen: was er vorträgt, ist ein klassischer
Fall von „positioneller Theologie". Dabei verfällt auch er gelegentlich
in die Gefahr solcher positioneller Theologie, die Polemik
gegen abweichende Auffassungen an die Stelle einer eigenen systematischen
Begründung zu setzen. Auch in diesem Buch also zeigt Walter
Kreck sein theologisches Temperament.

Wenn also sein Temperament im Verhältnis zu den früheren
Büchern unverändert, ja die Eindeutigkeit der Aussage sogar in
mancher Hinsicht gesteigert ist, so hat doch offenbar die Neugier des
Theologen Kreck nachgelassen. Der Bezug dieser Ekklesiologie auf
die zeitgenössische Diskussion zu Fragen des Kirchenverständnisses
ist ausgesprochen spärlich und, wo er stattfindet, zufällig und unscharf
. Kreck weicht nicht nur der Auseinandersetzung mit neueren
abweichenden Konzepten aus; sondern er vermeidet auch jede An-