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Ausgabe:

1982

Spalte:

547-548

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Daly, Gabriel

Titel/Untertitel:

Transcendence and immanence 1982

Rezensent:

Gerber, Uwe

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Seite 1

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547

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

548

Bekenntnis zu sein. Ohne daß die Unterschiede dadurch eingeebnet
werden, kann das fremde Bekenntnis auf diese Weise zu einer Herausforderung
für die eigenen Glaubensüberzeugungen werden. Es hilft,
den eigenen Glauben besser zu verstehen. Weitreichender noch ist
jedoch die die Dialektik vom eigenen und fremden Bekenntnis überschreitende
Einsicht in den Vorgang des Bekennens überhaupt. Die
verbindliche öffentliche Bekundung der Zugehörigkeit zu Jesus
Christus führt per se in die größere Gemeinschaft des Glaubens ein,
die von den Ursprüngen an die Glaubenden durch die Zeiten hindurch
miteinander verbindet.

Diesen Ansatz aufzunehmen, ihn gerade auch von evangelischer
Seite für die gemeinsame Aufgabe des Bekennens fruchtbar zu
machen, dürfte nach Meinung des Rezensenten für das ökumenische
Gespräch und die ökumenische Gemeinschaft äußerst hilfreich sein.

Schöneiche b. Berlin Helmut Zeddies

Daly, Gabriel: Transcendence and Immanence. A Study in Catholic
Modernism and Integralism. Oxford: Clarendon Press 1980. XII,
254 S.8°. Lw.£ 12.50.

Der Modernismus, die extreme Richtung des Reformkatholizismus
nach 1870, ist mit dem II. Vatikanum in die Diskussion zurückgekehrt
. Viele Theologen haben an die sachliche Aufarbeitung der
modernistischen Bewegung und ihrer damaligen Verurteilung durch
die Kirche die Erwartung sowohl eines innerkatholischen Aufbruches
, einer Öffnung zur „modernen Welt", als auch einer ökumenischen
, zuvorderst katholisch-evangelischen Gesprächsrunde geknüpft
.

G. Daly versucht, diese Erwartung in vier Schritten zu formulieren:
(1) Zunächst wird die römische Fundamentaltheologie (Normaltheologie
) zwischen 1870-1900 dargestellt unter Stichworten wie Neo-
scholastik, Integralismus, Neuthomismus, deduktives Denken bzw.
katholischer Zentralismus, Unfehlbarkeitsdeklaration des I. Vatika-
nums usw. - (2) Der Versuch der Modernisten, eine Synthese von
christlicher Glaubenswahrheit und modernem Humanismus (Laberthonniere
), von Religion und Modernität (Tyrrell: truth of
religion and truth of modernity), überhaupt von Wahrheit (Dogma)
und Geschichte (history) zu finden, wird in sechs Kapiteln dargestellt:
Blondeis Immanentismus als Auflösung der Transzendenz-Bezogen-
heit des Menschen; Radikaler Modernismus bei Loisy; Dogma und
Geschichte (Loisy und Blondel im Gespräch); Kritischer Mystizismus
bei Laberthonniere; Erfahrung und Transzendenz bei F. von Hügel;
Offenbarung und/als Erfahrung bei Tyrrell. - (3) Die Antwort der
kirchlichen Integralisten wurde durch Leo XIII. (1878-1903) und
konsequent durch Pius X. (1903-1914) gegeben: Verlautbarungen
gegen Bibel-Kritik, Betonung der Autorschaft Moses im Blick auf den
Pentateuch, schließlich offene Verurteilung im Dekret Lamentabili
vom 3. Juli 1907 im Blick auf die Lehre von der Kirche, der Offenbarung
, Christus und den Sakramenten, in der Enzyklika Pascendi
vom 8. September 1907 und in Sacrorum antistitum vom 1. September
1910, dem sog. Antimodernisten-Eid. Die Vorwürfe lauteten:
Agnostizismus mit der Konsequenz des Atheismus; pantheistischer
Symbolismus als Auflösung der Dogmatik (= normative Lehre von der
göttlichen Wahrheit, definiert durch das Lehramt); Immanentismus
als naturalistischer Pantheismus und Ontologismus (wie er auch
Rosmini-Serbati vorgehalten wurde) mit der Folge der Leugnung der
Notwendigkeit der Gnade zum Glaubensakt; Gefühlsirrationalismus
als Leugnung der Vernünftigkeit des Glaubens und seine Betonung als
Erfahrung, als religiöses Empfinden, r- (4) Abschließend wird der
Modernismus kritisch gewürdigt, worauf auch der Akzent der Rezension
liegen soll (218 ff).

Der Begriff „Modernist" galt und gilt noch weithin in der katholischen
Kirche als Bezeichnung für Abweichler von der neoscholastischen
Schultheologie. Heute gibt es vermehrt Stimmen, die das
Anliegen der modernistischen Bewegung als theologisches Alternativmodell
darstellen. Während sich im evangelischen Raum die Dialektische
Theologie als kritische Alternative zum liberalen Protestantismus
entfaltete, wurde im Katholizismus zwischen den beiden
Konzilen jegliche Reformbewegung durch Verurteilung und Exkommunikation
faktisch erstickt (z. B. wurden auch Schriften des Reformkatholiken
H. Schell [1850-1906] indiziert). Aber einzelne Fragestellungen
tauchen seit dem II. Vatikanum wieder auf: der tyrannous
transcendentalism von Hügels in K. Rahners thomistischem Transzendentalismus
; in Schillebeeckx' Orthopraxie die pragmatic von Le
Roy; in der Prozeßtheologie Bergsons Evolutionismus usw. Daly
greift zwei Aspekte heraus: (a) Die katholische Theologie hat heute
eine historical sensitivity (Geschichtsbewußtsein). Man versucht, die
klassische Theorie vom feststehenden Glaubensschatz (depositum
fidei) mit der Einsicht in die Geschichtlichkeit jeglicher Aussage so in
Einklang zu bringen, daß man weder in einen doctrinal positivism
zurück-, noch einem historical relativism verfällt. Lindbeck hat den
Begriff des historical situationalism geprägt, so daß der einst von den
Integralisten ins Feld geführte „Relativismus" einen neuen Stellenwert
bekommen hat. Unter dem Stichwort Hermeneutik haben katholische
Theologen den Disput mit der evangelischen Theologie aufgenommen
, z. B. H. Ott, J. Moltmann (politische Hermeneutik),
W. Pannenberg (Hermeneutik der .Tatsachen') usw., J. B. Metz,
K. Rahner, E. Schillebeeckx, H. Küng u. a. - (b) Entsprechend ist
gegenüber dem neoscholastischen Intellektualismus das modernistische
Anliegen des anti-aristotelischen mystical (im Sinne Augustins),
der religiösen Erfahrung (Tyrell, Loisy), des Dynamismus der
menschlichen Existenz (Blondel, Laberthonniere), der „Sensibilität"
im Sinne der „Logik des Herzens" (Pascal) zu würdigen (sensibility;
illative sense im Sinne von Newman). Diesen modernistischen Gedanken
liegt das Ziel zugrunde, Transzendenz mitten in der menschlichen
Erfahrungswelt zu orten, schlußendlich den menschenfreundlichen
Gott mitten in unserem Leben, in unserer modernen Welt, zur
Sprache zu bringen. Man kann nur wünschen und hoffen, daß dieses
Buch angesichts des gerade auch in Theologie und Kirche neuerdings
grassierenden Reaktionismus viele aufgeschlossene, weiterdenkende,
ökumenische Leser findet.

Stadt Rehburg Uwe Gerber

Göllner, Reinhard, Heinz-Jürgen Görtz, Klaus Kienzier: Einladung
zum Glauben. Vom Verstehen des Menschen zum Verstehen des
Glaubens. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1979. 240 S. 8 Kart.
DM 28,-.

Anzuzeigen ist ein Arbeitsbuch zur Fundamentaltheologie für die
Hand des Laien. Es geht auf einen Entwurf zurück, der^.über Jahre als
Vorlage für das Fach Fundamentaltheologie in der theologischen
Erwachsenenbildung der Erzdiözese Freiburg" (5) verwendet wurde.
Die Verfasser fühlen sich dem „vielfältigen Denken" des Bischofs von
Aachen, Dr. Klaus Hemmerle verpflichtet. Seine Gedanken zur
Fundamentaltheologie wollen sie zusammenfassend darstellen. Über
den jeweiligen Anteil der drei im Titel genannten Verfasser wird
nichts gesagt.

Schon der Titel macht deutlich, wie hier Fundamentaltheologic
verstanden wird: nämlich nicht als besonders ausgeführte Prolego-
mena zur Dogmatik, sondern in der für die katholische Theologie
üblichen Weise als Hinführung zum Glauben. Dabei spielt der
Gottesbeweis kaum eine Rolle. Eine „Einladung" wird ausgesprochen
, keine Nötigung. Dies ist zweifellos gerade für den protestantischen
Leser eine wohltuende Grundhaltung. Trotzdem geht es nicht
einfach um so etwas wie eine Aufforderung zum Glauben, vielmehr
soll Glauben verslanden werden, ein Zugang zum Glauben soll eröffnet
werden. Der Weg, der dabei beschritten wird, ist im Untertitel
gekennzeichnet: „Vom Verstehen des Menschen zum Verstehen des
Glaubens". Die Fundamentaltheologie soll die „Vorgeschichte des
Glaubens" (19) im Menschen beschreiben: