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Ausgabe:

1982

Spalte:

533-535

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Daly, Robert J.

Titel/Untertitel:

Christian sacrifice 1982

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

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W. Neuser untersucht sehr sorgfältig den Weg Zwingiis und der
Zwinglianer, Calvins und der Calvinisten, wobei auf Verzahnungen
und Abhängigkeiten (z. B. der Übergang eines Teils der Melanchthon-
schüler zum Calvinismus) besonders Wert gelegt wird. Er verfolgt die
Entwicklung der reformierten Orthodoxie in West- und Nordwesteuropa
bis zur abschließenden Bekenntnisbildung in der Westminster
Konfession 1647.

G. Gaßmann folgt noch weiträumiger der gesamten Lehrentwicklung
des Anglikanismus von der Kirchengründung Heinrichs VIII. bis
in den zweiten Weltkrieg unseres Jahrhunderts hinein. Das Verständnis
des geistlichen Amtes im Anglikanismus, sein Weg zwischen
Katholizismus und Puritanismus, seine Bekenntnis- und Frömmigkeitssituation
durch die Jahrhunderte (besonders pointiert das Book of
Common Prayer und die Oxford-Bewegung) werden präzise nachgezeichnet
, so daß ein hervorragender Einblick in die Welt der anglikanischen
Kirche gewonnen wird.

W. D a n t i n e versucht, die systematisch-theologische Welt des großen
Konzils in Trient (1545-1563) in drei großen Abschnitten zu
erschließen. Er sieht im Wandel des Kirchenverständnisses, in der
Lehre vom Heil und von den Sakramenten die großen Themen, die
den Weg der römisch-katholischen Kirche bis in die heutige Zeit, teilweise
sogar verstärkt (etwa im Kirchenbegriff) in den zwei Vatikanischen
Konzilien bisher, bestimmen.

R. SlenczJxa nimmt in seiner Untersuchung der Orthodoxen Kirche
vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart eingangs die Beziehungen
der Reformatoren zur Orthodoxie auf und geht der Begegnung der
Orthodoxen Kirche im Rußland Peters [. mit westlichen Denkweisen
nach. Die akademisch-theologische Arbeit in Rußland wird bis zum
Jahre 1917 dargestellt, und für die Zeit danach werden panorthodoxe
theologische Strömungen und die Mitarbeit in der ökumenischen
Bewegung besonders beachtet.

G. A. Benrath schließlich unterzieht sich der überaus schwierigen
Aufgabe, der Lehrbildung außerhalb der Konfessionskirchen nachzugehen
. Er versucht dieses in Herausarbeitung von zwei Gruppen, die
er in Gestalt der Spiritualisten und der Täufer sieht. Die Rubrizierung
ist hier sicher ganz besonders kompliziert und bedarf weiterer Erörterung
. In die erste Gruppe sieht er viele Outsider eingeschlossen. Von
Müntzer bis zum Quäkertum reicht hier die Liste. Für die Täufer findet
Benrath Belege in Theologie und Frömmigkeit bei vielen, die er
zwar außerhalb der Kirchen, aber wirksam für christliches Denken
und Leben vorfindet. Hier reicht die Kette von Hubmeier bis zu den
Baptisten im anglo-amerikanischen Bereich. Daß hierzu die letzte
Feststellung noch nicht getroffen ist. darf angenommen werden. Auf
jeden Fall ist die dargebotene Übersicht sehr lehrreich.

Herausgeber und Mitarbeitern gebühren große Anerkennung und
herzlicher Dank, daß sie es in der Verzweigtheit und bisweilen auch
Undeutlichkeit der Forschungssituation in verschiedenen Teilen der
Welt gewagt haben, ein Werk in Angriff zu nehmen, das seinen Standardcharakter
wohl recht bald erweisen wird.

Berlin Joachim Rogge

Daly, Robert J.: Christian Sacrifice. The Judeo-Christian Background
beforc Origcn. Washington, D. C: The Catholic University of
America Press 1978. XVIII. 587 S. gr. 8" = The Catholic University
of America. Studies in Christian Antiquity, 18. Lw. $ 25.-.

Es liegt etwa ein halbes Jahrhundert zurück, daß Hans Wenschke-
witz, angeregt von Johannes Leipoldt, in seiner Dissertation die „Spi-
ritualisierung der Kultusbegriffe Tempel, Priester und Opfer im
Neuen Testament"' untersucht hatte. Das Stichwort ist seither nicht
verlorengegangen. Jedoch ist die jener Arbeit zugrunde liegende Sicht,
die die Spiritualisierung als einen Aspekt der Hellcnisierung verstehen
wollte, inzwischen gründlich korrigiert worden. Hans-Jürgen Hermis-
son2 hat gezeigt, daß sie tief im Alten Testament selbst einsetzt; Bertil
Gärtner hat auf die Qumrangemeindc und ihre Vorstellung von der

Gemeinschaft als einem Tempel verwiesen. Die längst fällige neue
Gesamtdarstellung ließ wohl deshalb so sehr auf sich warten, weil sie
eines Autors bedurfte, der im Alten Testament und in der intertestamentarischen
Literatur, im Neuen Testament und der Patristik gleichermaßen
zu Hause ist. Sie liegt nun aus der Feder des amerikani
sehen Jesuiten Robert J. Daly vom Boston College vor, der mit de
Erstfassung dieser Monographie 1972 in Würzburg promovierte.4

Ihr Hauptaugenmerk liegt beim Opfergedanken, dem die Priester
und die Tempelvorstellung untergeordnet ist. Die Nennung des Ori-
genes im Untertitel bezeichnet nicht nur eine chronologische Begrenzung
, sondern läßt die Zielrichtung erkennen.'' Der Begriff der Spiritualisierung
- von Hermisson bereits in Anführungszeichen gesetzt -
wird vom Vf. maßvoll verwendet, aber keineswegs gemieden.

Daß das Werk bei aller Fülle des präsentierten Materials und der
Breite der verarbeiteten Literatur7 gut lesbar bleibt, verdankt es der
Begabung des Autors zu klarer Stoffdarbietung und präziser Gliederung
. In drei fast gleich langen Teilen behandelt er das Alte Testament
, die intertestamentarischen und neutestamentlichen Schriften
und die altchristliche Literatur. Jede der zahlreichen Unterabschnitte
schließt mit einer summary conclusion. Die Mehrzahl der relevanten
Stellen erscheint ausgedruckt in englischer Übersetzung, was zwar den
Umfang des Buches erhöht hat, dem Leser jedoch den Nachvollzug
erleichtert.

Der alttestamentliche Teil ist zunächst lexikographisch orientiert
und registriert die Opferterminologie der verschiedenen literarischen
Schichten und Schriftgruppen (S. 11-32). Eine breitere, zur phänome-
nologisch-historischen Sicht vorstoßende Behandlung ergibt sich
beim Brandopfer einschließlich der religiösen Bedeutung des Feuers
und des Räucheropfers (33-86) und beim Opferblut mit Bundesopfer,
Passa und Versöhnungstag (87-136). Die Weichenstellungen zeigen
sich jeweils am Ende der Unterabschnitte: eine „Theologie der
Akzeptanz" und der Substitutionsgedanke, der die Vorstellung der
Stellvertretung beim Opfer ermöglicht.8 Anderes, wie etwa die
Gebetsfrömmigkeit (Ps 141,2), tritt zurück.

Intertestamentarische und neutestamentliche Zeugnisse sind zu
einem Hauptteil zusammengeschlossen. Dies jedoch weniger aus
Gründen der Proportion, es soll vielmehr verdeutlicht werden, wie die
urchristliche Opfervorstellung in die frühjüdische eingebettet und aus
ihr herausgewachsen ist. So folgt auf eine Bestandsaufnahme, die
LXX, die Pseudepigraphen und die Qumranschrifbn9 einschließt, die
Heraushebung der tragenden Elemente. Es sind di;s: die Akedah (das
Isaaksopfer), die als Urbild des Selbstopfers mit soteriologischer Wirkung
gilt (185), die als Initiationsopfer gedeutete Beschneidung und
das Passa als Gedächtnishandlung und Opfer, dessen prägende Wirkung
mit den synoptischen Abendmahlstexten einsetzt. Im neutestamentlichen
Teil liegen die Schwerpunkte bei Paulus, Hebr, Apoc, die
jeweils etwas schematisch auf ihr Verständnis des Opfers Christi, des
Opfers der Christen und des spirituellen Tempels befragt werden
(208-309).

Diese Trias bestimmt auch die Darbietung der altchristlichen Zeugnisse
von der Didache bis Hippolyt (311-388), deren Kontinuität zur
neutestamentlichen Gedankenwelt auf solche Weise unterstrichen
wird. Doch tritt Bedeutsames hinzu: die Abgrenzung gegen heidnische
und jüdische Opfer bei Justin, die Hineinnahme der Inkarnation in
das Christusopfer in der Theologie des Irenäus und die Ausbildung
einer eucharistischen Opferterminologie durch Hippolyt. ■

Beim Übergang zum dritten Teil bemerkt man, daß ein Bereich
unberücksichtigt geblieben ist: die Synagoge und die dort entfaltete
Vorstellung vom Gebet als Opfer, wie sie sich in der Ordnung der
Gebetszeiten und ihrer Benennung, aber auch in der Aboda, der zum
Wortgottesdienst gewordenen Begehung des Versöhnungstags, ausdrückt
. Hier ist nicht nur eine Parallelentwicklung, sondern wohl ein
Modell zu erkennen. Die Zurückhaltung des Vf. erklärt sich wohl daraus
, daß bei ihm der soteriologische Gesichtspunkt gegenüber dem
ekklesiologisch-liturgischen dominiert. So hat andererseits Philo seinen
Platz durchaus gefunden, und zwar nicht im intertestamentari-