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1982

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

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mutlich jene Dichte der Argumentation und Bildhaftigkeit erreichen,
die die Darstellung auszeichnet. Allen Einwänden und kritischen Anfragen
also zum Trotz: Hier ist ein Buch, dessen Lektüre intellektuellen
Gewinn vermittelt - aber daneben und darüber hinaus: ungeteilte
Lesefreuden!

Gießen Martin Greschat

Breitenborn, Konrad: Der Friedensbund Deutscher Katholiken
1918/19 - 1951. Berlin: Union Verlag 1981. 176 S. 8°. Kart.
M 10,80.

Das Buch Konrad Breitenborns „Der Friedensbund Deutscher Katholiken
1918/19-1951" ist aus einer Diplomarbeit entstanden, mit
der der Verfasser sein historisches Studium an der Universität Jena im
Jahr 1973 abschloß.

Die Arbeit will einen Beitrag zur Erforschung „des progressiven
Wirkens nichtproletarischer Derrokraten" leisten. Im Mittelpunkt
der Untersuchung steht die Frage, „auf welche Weise und in welchem
Ausmaß der Friedensbund Deutscher Katholiken (FDK), eine Organisation
katholischer Pazifisten, aus der christlich-humanistischen
Grundüberzeugung seiner Initiatoren und Mitglieder heraus, den
Kampf gegen Militarismus und Krieg sowie für den gesellschaftlichen
Fortschritt führte".

Mit diesen Worten beschreibt der Vf. die Aufgabe, die er sich stellte.
Es geht dem Vf. also nicht um eine Geschichte des Friedensbundes
Deutscher Katholiken, die ein Desiderat der zeitgeschichtlichen Forschung
bleibt, sondern um das „gesellschaftspolitische Engagement"
des Friedensbundes. Dieses Engagement „trug dazu bei, Teile der
katholischen Bevölkerung über die Ursachen von Kriegen und über
die Notwendigkeit des antimilitaristischen Kampfes aufzuklären. Mit
diesem Wirken wurde ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen den Einfluß
der reaktionären Agitation und Propaganda auf die Volksmassen
geleistet."

Breitenborn stützt seine Darstellung auf die Ergebnisse seiner Forschungen
, die er im Zentralen Staatsarchiv Potsdam, das den archiva-
lischen Nachlaß des Friedensbundes bewahrt, durchführte.

Der Vf. befragte eine Reihe ehemaliger Mitglieder des Friedensbundes
(Christa Thomas, Joseph C. Rossaint, Walter Dirks, Josef
Knecht)! So floß ihm wichtiges Material für seine Arbeit zu.

Leider fehlt der Arbeit ein Verzeichnis der benutzten Literatur,
auch ein Register vermißt man. So ist der Leser gezwungen, sich die
benutzte Literatur mühsam aus den 394 Anmerkungen herauszusuchen
. Das Ergebnis dieser Mühen enttäuscht.

Man vermißt so wichtige Arbeiten wie:

K. Epstein, Matthias Erzberger und das Dilemma der Deutschen Demokratie
, Berlin/Frankfurta. M. 1962;

H. Lutz, Zu Erzbergers zweiter römischer Reise (Ostern 1915), in: Römische
Quartalschrift 57,1962;

Festschrift für P. E. Kirschbaum, S. 268-286;

J. Rovan, Le catholicisme politique en Allemagne (Histoire de la Democratie
chretienne II, [Paris 1956] daraus die einschlägigen Abschnitte; diese Analysen
bestechen durch Ernsthaftigkeit und Schärfe, sie machen das Fehlen von deutschen
Arbeiten zu dieser Frage besonders deutlich);

H. Plessner, Die verspätete Nation. Über die politische Verführbarkeit des
bürgerlichen Geistes, Stuttgart 1959.

Der Tagungsbericht «Atti del Convegno di Studio «Benedetto XV, i cattolici
e la prima guerra mondiale» », Rom 1963, über die 1962 in Spoleto gehaltene
Studientagung: „Benedikt XV., die Katholiken und der erste Weltkrieg" ist
nicht eingesehen worden.

Auch einen Hinweis auf H. Lutz, Demokratie im Zwielicht - Der Weg der
deutschen Katholiken aus dem Kaiserreich in die Republik 1914-1926, München
1963, eine für das Thema unverzichtbare Arbeit, findet man nicht unter
den Anmerkungen.

In zehn Kapiteln stellt der Autor den Weg des Friedensbundes
Deutscher Katholiken von der Gründung 1918/19 bis zum Neubeginn
und der Auflösung (1951) dar. Er hält sich bei seiner Schilderung
streng an die gestellte Aufgabe und fördert dabei wichtiges Material

für eine Geschichte der katholischen Friedensbewegung zutage. Sein
Standort ist parteilich, seine Sprache kämpferisch.

Bei der Darstellung des deutschen Katholizismus im ersten Weltkrieg
stützt sich Breitenborn wesentlich auf die Arbeit von Heinrich
Misalla „Gott mit uns", Die deutsche katholische Kriegspredigt
1914-1918, München 1968. Stärkere Beweiskraft für die Auffassung
des Autors besitzt das Werk der deutschen und österreichischen
Bischöfe und Theologen: St. Michael, ein Trutzbuch in eherner Zeit.
Gern würde man zu diesen Fragen einen Hinweis auf Max Scheler finden
, dessen „überwältigende geistige Potenz gerade in den ... zu
befragenden Jahren meteorhaft aufsteigend in der Mitte der Probleme
und Hoffnungen deutscher Katholiken gewirkt hat. Es ist andererseits
nicht zu bestreiten, daß in den Kriegsjahren seit 1914 keiner Gruppe
innerhalb des Weltkatholizismus ein Denker gleicher Wahrnehmungskraft
und Intuitionsfähigkeit zugehörte, wie ihn die deutschen
Katholiken an Scheler besaßen." (H. Lutz) Vgl. M. Scheler, Der
Genius des Krieges und der deutsche Krieg, Leipzig 1915, und
M. Scheler, Krieg und Aufbau, Leipzig 1916.

Der Vf. spricht in seinem Vorwort von der christlich-humanistischen
Grundüberzeugung der Initiatoren und Mitglieder des
Friedensbundes, aus der heraus der Kampf gegen Militarismus
und Krieg geführt wurde.

Schon vor dem ersten Weltkrieg begann auch im deutschen Katholizismus
eine religiös-ganzheitliche Erneuerung, eine Hinwendung
zur Liturgie und zur Heiligen Schrift, eine neue Christozentrik, die vor
allem, getragen von der Jugendbewegung, der katholischen Kirche
eine neue Blüte schenkte. R. Guardinis Wort: „Die Kirche erwachte
in den Seelen" (1921) und „Die Kirche zieht aus dem Ghetto", ein
Wort von P. Wust (1924), charakterisiert diesen Vorgang.

Waren die Gründer des Friedensbundes, P. Stratmann, Dr. Metz--
ger, Magnus Joacham u. a., auch von dieser ganzheitlich-religiösen
Erneuerung für ihre Friedensarbeit motiviert oder haben sie nur auf
Anstöße von außen reagiert (Friedensbemühungen Benedikts XV.,
Eintritt Amerikas in den Krieg, Oktoberrevolution in Rußland, 14
Punkte Wilsons)?

Der Weg des Friedensbundes Deutscher Katholiken ist in der Zeit
seiner Blüte von Männern und Frauen getragen worden, die aus der
katholischen Jugendbewegung kamen: Nikolaus Ehlen, Walter,
Dirks, Joseph C. Rossaint. In der Analyse und Beurteilung dieser Zusammenhänge
zwischen religiös-ganzheitlicher Erneuerung und politischer
Orientierungssuche steht die Forschung noch vor sehr vielen
offenen Frage. Der Friedensbund Deutscher Katholiken gehört zu
jenen kleinen Gruppen im deutschen Katholizismus, die neue Wege
politischer Orientierung suchten (vgl. Nikolaus Ehlen „Lotsenrufe",
der Kreis um die Rhein-Mainische Volkszeitung, die Westdeutsche
Arbeiterzeitung) und deshalb Schwierigkeiten mit der Hierarchie
hatten.

Trotz der genannten Mängel ist die Arbeit von Breitenborn ein Beitrag
zur Geschichte dieser politischen Neuorientierung deutscher
Katholiken, vor allem in der Weimarer Republik.

Erfurt Franz Peter Sonntag

Blaser, Klauspeter: Die Abschaffung des Glaubensbekenntnisses in der
Schweiz, dargestellt am Beispiel der Waadt (1839) (Zwing. XV, 1981
S. 382-396).

Brenning, Joachim: Christentum und Sozialdemokratie. Paul Göhre: Fabrikarbeiter
- Pfarrer - Sozialdemokrat. Eine sozialethisch-historischc Untersuchung
(Theol. Promotion, Marburg 1980).

Christliches Engagement in Gesellschaft und Politik. Beiträge der Kirchen
zur Theorie und Praxis ihres Sozialauftrages im 19. und 20. Jahrhundert in
Deutschland. Hrsg. von L.Koch und J. G. Stanzel. Frankfurt/M. - Bern -
Cirencester: Lang 1979: Wittkämper. Gerhard W.: Soziales Engagement der
Kirchen als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Curricula, S. 17-29 - Christ.
Günter: Bettelwesen und Armenfürsorge im Hochstift Würzburg vor und unter
Franz Ludwig von Erthal, S. 31-56 - Real, Willy: Franz von Baader und die