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Ausgabe:

1982

Spalte:

522-524

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Reinerth, Karl

Titel/Untertitel:

Die Gründung der evangelischen Kirchen in Siebenbürgen 1982

Rezensent:

gál, vladimir

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521

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

522

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Lutherjahrbuch. Organ der internationalen Lutherforschung, hrsg.
von H. Junghans. 48. Jg. 1981. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1981. 222 S. 8°. Kart. DM 34,-.

Dieser Jahrgang ist nahezu ein Themaband. Alle Beiträge befassen
sich mit der Theologie Luthers 1518/19, vier davon mit der Heidelberger
Disputation, die seit einiger Zeit neu in den Mittelpunkt des
Interesses an Luthers früher Theologie getreten ist.

Jos E. Vercruy sse schreibt über „Gesetz und Liebe. Die Struktur
der .Heidelberger Disputation' Luthers (1518)" (S. 7^13) und untersucht
in vier Abschnitten kursorisch Gesamtzusammenhang und
Struktur der Thesen 1 bis 28. Er möchte die „eigene Kohäsion" der
Thesen untereinander aufzeigen und sieht in der Disputation „ein
Stück engagierter und bekennender Theologie", nicht ein „akademisches
Prachtstück". Den Thesen 1 und 28 möchte er eine Schlüsselfunktion
zuweisen.

Unter dem Titel „Der meritum-Begriff der .Heidelberger Disputation
' im Verhältnis zur mittelalterlichen und zur späteren reformatorischen
Theologie" (S. 44-53) setzt Rune Söderlund bei der positiven
Aufnahme des meritum-Begriffs durch Luther ein, skizziert den
meritum-Begriff der älteren Franziskanerschule, der thomasischen
Theologie und Gabriel Biels, arbeitet ihr Verhältnis zu Luther heraus
und setzt sich dafür ein, im Gefolge Melanchthons dem meritum-Begriff
einen positiven Platz in der lutherischen Theologie zu gewähren.
Söderlund stützt diese Tendenz mit der Lehre Luthers und Melanchthons
von verschiedenen Graden der gloria bei Gleichheit der salus.
Bei dieser Argumentation aber - das bliebe zuzufügen - müssen auch
der meritum-Begriff selbst und sein Kontext eine Wandlung erfahren.

„Luthers Kritik am scholastischen Aristotelismus in der 25. These
der .Heidelberger Disputation von 151.8" (S. 54-79) nimmt Karl-
Heinz zur Mühlen zum Anlaß, nach Ort und Bedeutung der
These 25 innerhalb der Disputation zu fragen, den scholastischen
Aristotelismus zu beschreiben, seine Kritik durch Luthers theologia
crucis zu untersuchen, die Vorgeschichte dieser Kritik bei Luther aufzuspüren
und sie in den Rahmen mittelalterlicher Aristoteleskritik zu
stellen. Das von Luther letztlich theologisch kritisierte aristotelische
Prinzip ist das Prinzip, daß die Seele Prinzip ihrer eigenen Bewegung
sei und sich erst in sittlicher Praxis selbst verwirkliche. Damit führt
Luther die mittelalterliche Aristoteleskritik „einen entscheidenden
Schritt weiter": er „deckt die Aporien auf, in die die scholastische
Gnadenlehre durch die Rezeption ontologischer Kategorien des Aristotelesgeraten
ist". Luther hat erneut deutlich gemacht, „daß es zwischen
christlicher Eschatologie und aristotelischer Ontologie keine
Vermittlung gibt."

Systematisch orientiert ist der Beitrag von Edgar Thaidigsmann
„Kreuz und Wirklichkeit. Zur Aneignung der ,Heidelberger Disputation
' Luthers" (S. 80-96), in dem anhand von Walter von Loewenich,
Oswald Bayer, Karl Stürmer, Edmund Schlink, Hans Joachim Iwand,
Wilfried Joest und Jürgen Moltmann gezeigt wird, wie „das erkenntnistheoretische
und das ontologische Problem der Theologie im weiteren
Sinne" jeweils unter Anregung durch Luthers Aussagen in den
theologischen Thesen der Heidelberger Disputation angegangen wird.
Thaidigsmann beobachtet, daß These und Probatio 28 in der gegenwärtigen
Theologie aulfallend wenig beachtet und systematisch rezipiert
worden sind, obwohl sie einen eigenen theologischen Zugang zur
Wirklichkeit und einen entsprechenden Ansatz für die Praxis enthalten
.

An diesen vier Studien ist bemerkenswert nicht nur der jeweils
unterschiedliche Gesichtswinkel, unter dem ein zentraler theologischer
Text des frühen Luther gesehen wird, sondern auch die parallele
Beschäftigung mit schwierigen Aussagen des Textes (vgl. zu These 14
und 15: VercruysseS. 22-25 und zur Mühlen S. 58-59).

Tief in die Zusammenhänge der Frömmigkeitsgeschichte hinein
führt Werner Goez mit seinem Aufsatz „Luthers ,Ein Sermon von

der Bereitung zum Sterben' und die spätmittelalterliche ars moriendi"
(S. 97-114). Er bespricht die pädagogische Ausrichtung der stratfen
Disposition der Lutherschrift, ihre Einbettung in die soziale Welt des
Spätmittelalters, vergleicht sie mit gleichartigen Schriften des 15. und
frühen 16. Jahrhunderts und entdeckt so die Eigenart der Lutherschrift
: Knappheit des Umfangs, Ausrichtung auf den Betroffenen
selbst (nicht den Priester als Beistand im Sterben), Konzentration von
Gedankenführung und Sprache, Wegfall der Bezugnahme auf die
soziale Umgebung des moribundus.

Horst Beintker äußert sich zum Thema „Das Gewissen in der
Spannung zwischen Gesetz und Evangelium" (S. 115-147) und greift
die moderne Problematik von Sinnfrage und Gewissen auf, indem er
Passagen von Luthers Römerbriefvorlesung von 1515/16 auf die Thematik
hin befragt und immer wieder neben Kants Aussagen stellt. Er
umschreibt Luthers Beitrag zum Problem mit der These: „Der Glaube
ist nicht Gewissenssache, sondern das Gewissen ist Glaubenssache."

Hinzuweisen ist noch auf die Anzeige von Hermann Scherb: „Das
Institutum Lutheranum" (S. 178), der die Einrichtung einer „Arbeitsstelle
zur Erforschung von Theologie und Kirche des älteren Luthertums
" an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen mit
dem Forschungsgegenstand lutherische Theologie im Zeitraum zwischen
1560 und 1700 bekanntgibt.

Daß die Lutherbibliographie 1981 auf nahezu 1200 Ziffern kommt,
liegt u. a. an der Bibliographierung der Literatur zu drei Jubiläen: zum
Jubiläum der Konkordienformel, des Marburger Religionsgesprächs
und der Confessio Augustana. Allerdings sind auf sie bezügliche Titel
teilweise schon in den Vorjahren bibliographiert worden.

Leipzig Ernst Koch

Reinerth, Karl: Die Gründung der evangelischen Kirchen in Siebenbürgen
. Köln-Wien: Böhlau 1979. XI, 348 S., 1 Taf. gr. 8° = Studia '
Transylvanica. (Ergänzungsbände des Siebenbürgischen Archivs),
5. Lw. DM 88,-.

Der Verfasser deutet im Vorwort an, daß er sich an die Werke aus
dem Jahre 1923 und 1928 anschließe, die sich auf die Geschichte der
Reformation in Siebenbürgen beziehen. Gegenüber den früheren Arbeiten
ist vorliegendes Werk von rein lutherischem Charakter. Der
Vf., einst Pfarrer in Hermannstadt, ist bestrebt, die Anfänge der Sächsischen
Evangelischen Kirche in Siebenbürgen darzustellen.

Einleitend erörtert der Vf. die Lage der katholischen Kirche vor der
Reformation. Aus der Klage des Hermannstädter Kapitels, die es dem
Graner Erzbischof vorgelegt hat, geht hervor, daß die ersten Verbreiter
des reinen Evangeliums Ambrosius der Schlesier und Konrad
Weich waren. Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen
" hat der Ratsherr Johann Hecht verbreitet. Selbst der Stadtrat
in Herma'hnstadt stellte sich gegen das dortige Kapitel. Auch in Siebenbürgen
versuchten die Gegner die Gesetze aus den Jahren 1523
und 1525 gegen die Evangelischen zur Geltung zu bringen. Nach der
Schlacht bei Mohäcs 1526 regierte Johann Zäpolya; obzwar er ein
Gegner der Reformen war, wurde das Abendmahl ab und zu unter
beiderlei Gestalt gereicht.

Ein eifriger Verbreiter der Reformation war Johannes Hontems. Er
wurde im Jahre 1498 in Kronstadt geboren, studierte die freien Künste
in Wien, wo er die Gradus des Bakkalaureats und des Magisters
erwarb, nachher in Krakau, Nürnberg, Freiburg und Basel. Trotz seines
Aufenthaltes in Basel, wo er Hörer von Oekolampad war, wurde er
kein Anhänger der Schweizer Reformation. Im Jahre 1533 kam er
nach Kronstadt zurück und wurde betraut, das Schulwesen nach
humanistischen Grundsätzen zu reformieren. Hier gründete er eine
Druckerei (1535), gab Augustins Sentenzen und den Ketzerkatalog
heraus. Beachtenswert ist, daß er das Vorwort bereits im Geiste der
Reformation schrieb. Obzwar ihm, als Humanisten, die Rechtfertigung
durch den Glauben nur eine Randfrage war, stellte er sich dennoch
gegen Meßopfer, Fegefeuer, Fasten, gegen den Marienkult sowie