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Ausgabe:

1982

Spalte:

507-508

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Zenger, Erich

Titel/Untertitel:

Das Buch Judit 1982

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Seite 1

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507

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

508

der Wortlaut angeführt). Die bedeutenderen Texte werden (unter reichen
Literaturangaben bis 19788) eingehend kommentiert (s. o.), z. B,
Sueton Claud. 25,4 (1 Zeile Text; p. 113-117), auch über die speziell
Jüdisches betreffenden Partien hinaus. Wiederum wird in Exkursen
an bestimmten Stellen zusammenfassend über zugehörige Themen
gehandelt, so über die Bezeichnung Gottesfürchtige' (p. 103-106)
oder über höhergestellte Personen, die dem Judentum nahestanden
(p. 381-384). Der Aufbau der (70) Kap. im einzelnen bewährt sich
weiterhin in Bd. IL Das über die Ausführung zu Bd. I der editio magna
Gesagte braucht hier nicht wiederholt zu werden. Erneut wird Sterns
umfassende Kenntnis der mannigfachen (selbst abgelegener) Sachbereiche
der Antike, nunmehr bis zu ihrem Ausgang, für den besonderen
Themenbereich in hervorragender Weise dem Leser dienlich gemacht9
.

Im Vorwort überrascht Stern durch die Ankündigung eines abschließenden
Bandes mit Texten, deren Beziehung auf das Judentum
weniger sicher ist, mit einigen geographischen Stücken, die sich den in
Bd. I und II gehandhabten Maßstäben nicht einfügten, mit Erörterungen
einiger schwieriger Stellen und mit Registern zum Gesamtwerk.
Wünsche für die letzten wurden bereits in ThLZ 101 Sp. 262 angemeldet
. Sie können die Auswertung der grundlegenden kommentierten
Edition in der Tat wesentlich erleichtern. •

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Plutarch (Ende von Bd. 1) und Tacitus sind Zeitgenossen.

2 Die Texte werden von Bd. I her weitergezählt.

3 Adv. Christianos 12 (Nr. 464a-v, Exzerpte nach Hieronymus) kritisiert das
Buch Daniel, das nach Porphyrius von einem Zeitgenossen Antiochus' IV.
stammt (Nr. 464a).

4 Kommentar zum Krieg Bar-Kochbas p. 395-405.

5 Stern nimmt übrigens zahlreiche Äußerungen des Juden bei Celsus über
Jesus bzw. die Christen besonders aus Orig. c. Cels. 1,28 bis 2 Ende auf.

6 Abraham als Erfinder der Sternkunde schon im frühen hellenistischen
Judentum, Eusebpraep. ev. 9,17,3, vgl. 9,18,1 ;cf. Gen 15,5.

7 Bemerkungen z. B. über den Asphalt aus dem Toten Meer.

8 Ggf. mit Nennung der betr. Seiten, nicht nur der Titel, wie das mancherorts
heute üblich wird.

' Eine Darstellung zum Thema The Jews in Greek and Latin Literature bietet
M. Stern in S. Safrai - M. Stern [Hrsgg.], The Jewish People in the First Century
(2), Assen 1976,1101-1159 (bis Juvenal), s. ThLZ 104,1979 Sp. 43.

Kümmel, Werner Georg: Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer
Zeit, hrsg. in Zusammenarbeit mit-Ch. Habicht, O. Kaiser,
O. Plöger, J. Schreiner. I: Historische und legendarische Erzählungen
. Lfg. 6: E. Zenger: Das Buch Judit. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1981. IV, S. 427-534 gr. 8'. Kart.
DM 60,-.

In der Einleitung (429-448) werden zunächst die hauptsächlichen
Ergebnisse der Untersuchung der griechischen und der lateinischen
Textüberlieferung insbesondere durch R. Hanhart' referiert (in Vul-
gata werden mehr Partien gestrichen als zugesetzt). Anschließend
führt Z. die Indizien für einen hebräischen Urtext vor (430f) und handelt
über Zeit (etwa 2. Hälfte des 2. Jh. v. Chr.) und Ort (möglicherweise
Jerusalem2) der Entstehung (431). Literarisch ordnet er Jdt der
Gattung des Romans zu (436-439), „dessen Autor die Totalität seiner
Geschichtserfahrung innerhalb der Individualität seines Romans darstellen
will" (436). Kann man in dieser Weise Jdt kennzeichnen, so
kaum mit Z. den antiken Roman. Tatsächlich arbeitet Z. schon in der
Einleitung und bereits zum Stichwort Gattung das „literarisch und
theologisch Neue" (438) in Jdt heraus. Insgesamt wird in Jdt „in Jahwes
Treue und Macht die Basisstruktur von Welt und Geschichte" gesehen
(439). Sprachlich und gedanklich wirken dahingehend vielfältig
Darstellungen und Aussagen des Alten Testaments in Jdt ein, wie der
Alttestamentier Z. an einer Reihe von Texten zusammenfassend (Traditionen
von heldenhaften Frauen; Goliat/David; Abraham Gen 14;

usw., 440^45) und dann im einzelnen kommentierend mannigfach
sichtbar macht. In die angedeutete Richtung zeigt ebenso der Aufbau
(432f)3 mit der Kernfrage: „Wer ist Gott - Nebukadnezar oder
Jahwe?" (4,1-7,32, s. Holofernes 6,2: „Wer ist Gott als allein Nebukadnezar
?", vgl. 3,8) wie bestimmte Leitwörter, die Z. 433f zusammenstellt
(mehr im Kommentar4). „Der zeitgeschichtliche, geographische
und chronologische Rahmen" (434-436), in den der Autor das
Geschehen einordnet, erweist sich für Z. ebenfalls weitgehend als von
alttestamentlich-jüdischen Vorstellungen bestimmt (bis in die Angaben
von Zeitspannen und Kalenderdaten hinein, s. z. B. 12,7a;
14,2a5). Insgesamt tragen Geschehnisse und Personen in Jdt Modell-
charakter6 (Judits Stadt Betulia, „Gottes Haus", ist „theologisches
Kryptogramm für Jerusalem" [435.468] usw.).

Wendet Z. im Kommentar auch viel Sorgfalt an die Erläuterungen
zahlreicher (etwa kulturgeschichtlicher) Einzelheiten des weitgespannten
Rahmens, dem der Autor das Geschehen um Betulia einfügt
, so stellt er insgesamt entscheidend den theologischen Gehalt der
Erzählung überhaupt heraus, nicht zuletzt in den Rückbeziehungen
zur deuteronomistischen Geschichtstheologie7. Z. weist u. a. auf, daß
in Jdt nachdrücklich Gott als der geschichtsmächtig Handelnde
gezeigt wird (z.B. durch Achior 5,12-21, vgl. 14,10; durch Judit
8,15f; 9,5f; 11,15)8. Gott läßt es der Witwe9 gelingen, die das Gesetz in
äußerster Strenge beobachtet10 und darüber hinaus besondere fromme
Leistungen vollbringt (8,5f; 12,9b; 16,19.22).

Mannigfach macht Z. schließlich die schriftstellerischen Fähigkeiten
des Autors deutlich, gerade auch im Gestalten der religiösen Aussagen
, im Doppelsinn (1 l,3a.6b), in verborgener Ironie (z. B. 7,9a), in
beziehungsreichem Kontrast (z.B. 11,7b). Z. zeigt eine Fülle von
Querverbindungen innerhalb von Jdt auf, Verklammerungen, die
etwa durch den Gebrauch des gleichen bedeutungsvolleren Wortes in
(auch gegensätzlich) entsprechenden Aussagen zustande kommen.
Gelegentlich kann man freilich fragen, ob bestimmte Formulierungen
nicht etwas überdeutet werden.

In der Übersetzung bemüht sich Z., sprachliche Nähe zum Text und
Sinngemäßheit in Balance zu halten. Mancherorts scheint der ursprüngliche
hebräische Hintergrund des griechischen Textes durch
(etwa 5,8 „viele Tage" = lange Zeit; 5,10 „Angesicht des Landes").
Andererseits werden z. B. parataktische Sätze gegebenenfalls in Neben
- und Hauptsatz gefaßt.

Es ist sehr zu begrüßen, daß das Tempo des Erscheinens der Lieferungen
sich bemerkenswert beschleunigte: 1980 und im l, Vj. 1981
erschienen deren4(von bisher insgesamt 16;dieersten 1973,s. ThLZ
101,1976 Sp. 114-116).

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Text und Textgeschichte des Buches Judith, MSU 14, Göttingen 1979;
Ders., Septuaginta Gottingensis 8,4,1979.

2 Z. schließt Entsprechungen zu jüdisch-hellenistischen Literaturformen
(zur Missionshomilie in der Rede Achiors 5,5-19 [436]; zum Roman s. gleich)
nicht aus.

Der gesamte erste Teil 1,1-3,10 - Nebukadnezar wird „der Herr der ganzen
Erde" (2,5; 6,4) - ist dazu bestimmt, „den Machterweis Jahwes durch Judit
auf einem imposanten theatrum mundi spielen zu lassen" (434). Judit tritt erstmals
8, lauf.

4 Ein Register dafür hätte sich gelohnt; Namen und Bibelstellen 523-534.

5 Buchstaben hinter den Verszahlen bezeichnen in JSHRZ die Anm. - Der
Text der A. 16,18b ist versehentlich als A. 16,17d eingesetzt. -Zu 1,16c fehlt
die Stellenangabe (Herodot) 7,55. - Die Angabe nur des Erscheinungsjahres ist
jedenfalls bei Periodica wie Semeia (oder etwa ZPE) unzureichend, da nicht
(nur) jährlich ein Band erscheint.

6 SoZ.z.B. 12,11a

7 Nicht o. w. leuchtet mir etwa ein, daß in Jdt die Exodusperspektive als solche
eine Rolle spielt (445 f usw.), oder daß das rettende Handeln Jahwes des öfteren
eschatologisch akzentuiert sein soll.

* Dazu wäre auch häufiger das Passivum divinum zu beachten.
' Ihr Mann ist seit drei Jahren tot (8,4).

10 Kultische und zumal Reinheitsvorschriften spielen in Jdt eine erhebliche
Rolle, 10,5; 11,12-15; 12,1-9.15.19a; 16,18.