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Ausgabe:

1982

Spalte:

501-503

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Weimar, Peter

Titel/Untertitel:

Die Berufung des Mose 1982

Rezensent:

Osswald, Eva

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

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gen. An einigen Stellen wirft Vf. neue Fragestellungen auf (z. B. die
Frage des Gegenübers von Stadt und Land im kanaanäischen Bereich,
die Problematik, ob das vorstaatliche Israel als „primitive Demokratie
" verstanden werden könne) oder kommt bei vielfach behandelten
Problemstellungen zu einer eigenständig nuancierten Antwort (z. B.
in der Frage der Amphiktyonie, zur Frage der „kleinen Richter", in
bezug auf die Probleme von Ri 19-20). Bei der wissenschaftlichen
Auseinandersetzung mit Thiels Arbeit wird man auf die maschinenschriftliche
Urfassung zurückgreifen müssen und bei einer Weiterführung
der Diskussion der behandelten Themen neuere Arbeiten einzu-
beziehen haben, die in Abrede stellen, daß die Vorfahren der Israeliten
Halbnomaden waren und gegen Ende der Späten Bronzezeit in
Palästina seßhaft wurden, sondern vielmehr von der These ausgehen,
daß die Vorfahren Israels von der Mittleren Bronzezeit an als Bauern
und Hirten in den Dörfern des zentralen Hochlandes in Palästina
ansässig waren (z. B. C. H. J. de Geus, The Tribes of Israel, Studia
Semitica Neerlandica, 18,1976).

Kiel Martin Metzger

Weimar, Peter: Die Berufung des Mose. Literaturwissenschaftliche
Analyse von Exodus 2,23-5,5. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag
; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1980. 399 S. gr. 8".
sfr 81.-.

Mit der vorliegenden Untersuchung setzt der Vf. seine Arbeiten
zum Pentateuch, speziell zum Buche Exodus', die der Vorbereitung
eines geplanten Exoduskommentares dienen, fort. Er erstrebt, wie es
im Vorwort heißt, „in erster Linie neue Einsichten in den Text", während
ihm „bibliographischer Ehrgeiz" fernliegt.

Nach einer Einführung werden im ersten Kapitel die Texteinheiten
in dem literarisch wie traditionsgeschichtlich höchst komplexen Abschnitt
Ex 2,23-5,5 abgegrenzt. Durch seine Analyse kommt der Vf.
zu dem Ergebnis, daß zwei parallele ursprüngliche Texteinheiten
anzunehmen sind: I Ex 3,7a*. 7ba*. 8aa. 9aa*. 16a*. 16ba. 18ba.
4,29. 3 Iba. 5,1a*. iaßba*. 4aab. = J; II 3,4b*. 6aa. 9*. 10a*. 10b*. 11.
12aa = E. Dazu kommt die nicht-quellenhafte Dornstrauch-Geschichte
, die aus zwei kleineren Texteinheiten (3,1 a*. 1 ba. 2b. 3*. 4a. 5a. 6b
und 4,2-4) besteht, die nicht unabhängig voneinander entstanden
sind. Sie gehört zu einer ursprünglich selbständigen Sammlung von
vier Exodusgeschichten in Ex 1-4*. Einen Teil einer weiteren ursprünglichen
Texteinheit stellt 2,23a/ft>-25 = Pg dar. Außerdem lassen
sich redaktionelle Elemente unterschiedlicher Herkunft erkennen.

Die literarische Entstehungsgeschichte verlief nach der Vorstellung
des Vf. so, daß durch eine erste Redaktion, die er als jehowistisch
bezeichnet, die Texteinheiten I und II (J und E) sowie die Dornstrauch
-Geschichte vereinigt wurden. Eine zweite, deuteronomi-
stische Redaktion ist an punktuellen Bearbeitungen zu erkennen.
Schließlich wurde durch die Schlußredaktion des Pentateuch
Ex 2,23a/?b-25 eingebaut und durch umfangreiche Erweiterungen,
vor allem in Ex 4, die vorliegende Textgestalt hergestellt.

In den folgenden Ausführungen werden die Texteinheiten sehr
sorgfältigen und eingehenden Analysen unterzogen. Der Vf. behandelt
in den Kapiteln II—V die jahwistische und elohistische „Be-
rufungsgeschichte", die Dornstrauch-Geschichte und die jehowisti-
sche Berufungsgeschichte unter formkritischen, semantischen sowie
kompositions- und redaktionskritischen Aspekten. Dabei zieht er aus
seinen Beobachtungen auch Folgerungen über Entstehungszeit und
-ort der jahwistischen und clohistischen Geschichtsdarstellung, der
vierteiligen Komposition einer „Exodusgeschichte" und der durch die
jehowistische Redaktion entstandenen Komposition. Er nimmt an,
daß J um 900 v. Chr. im Südreich im Kreise königstreuer Landjudäer
entstanden ist. E ist um 800/790 v. Chr. aus Prophetenkreisen des
Nordreiches hervorgegangen, wobei damit gerechnet werden muß,
daß Bethel den traditionsgeschichtlichen Haftpunkt bildete. Die

Komposition der vier ursprünglich selbständigen Exodusgeschichten
in Ex 1^1*, zu denen die Dornstrauch-Geschichte gehört, ist nach
800/790 v. Chr. in priesterlichen (levitischen) Kreisen im Umkreis
des Jerusalemer Tempels entstanden. Die jehowistische Geschichtsdarstellung
dürfte in die Zeit Manasses gehören.

In Kapitel VI und VII untersucht der Vf. die redaktionellen Bearbeitungen
der Berufung des Mose. Er beobachtet, daß die deuterono-
mistische Redaktion nur punktuellen Charakter trägt und daß sie die
Struktur der jehowistischen Berufungsgeschichte nicht verändert hat.
Auf die Schlußredaktion des Pentateuch (Rp) geht weithin die Gestalt
von Ex 4,1-5,5 zurück, während in Ex 2,23-3,22 nur wenig eingegriffen
wurde.

Im Anhang ist dankenswerterweise eine hebräische und deutsche
Synopse beigefügt, die dem Leser die Orientierung sehr erleichtert,
und am Schluß finden sich Literaturverzeichnis und Register der
Bibelstellen in Auswahl.

In der vorliegenden Veröffentlichung sind viele gute Beobachtungen
und Anregungen enthalten. Es ist sehr zu begrüßen, daß der Vf.
bei der Analyse der ursprünglichen Einheiten und der Redaktionen
nicht bei literarkritischen und literaturwissenschaftlichen Erwägungen
stehen bleibt, sondern auch die theologischen Unterschiede herausstellt
. Während beim Jahwisten das Befreiungshandeln Jahwes für
sein Volk in Auseinandersetzung mit dem Anspruch des Pharao das
eigentliche Thema ist, tritt bei E Mose als beauftragter Retter in den
Vordergrund, und in der Dornstrauch-Geschichte geht es um die Ausstattung
des Mose mit besonderer Macht und Würde. In der jehowistischen
Redaktion treten Rettungshandeln Jahwes und Sendung des
Mose hart nebeneinander. Durch die Schlußredaktion des Pentateuch
bildet Ex 2,23-25 die thematische Exposition der Moseberufung, und
die Legitimation des Mose wird zur zentralen Frage der ganzen Texteinheit
.

Positiv ist weiter hervorzuheben, daß der Vf., was bestimmte Fragen
des Sprachgebrauchs und der Datierung betrifft, besonnen urteilt
und sich vor Kurzschlüssen hütet. So zeigt er, daß „prophetische"
Darstellungsformen in Ex 3,16* und 18* (J) durch den Erzählzusammenhang
bedingt sind (S. 102f; vgl. Anm. 44). Auch wenn Wendungen
begegnen, die in der deuteronomistischen Literatur vorkommen,
urteilt er sehr vorsichtig. So betrachtet er die jahwistische Phraseologie
in Ex 3,7* und 8* nicht als Nachfolgerin deuteronomistischer
Theologie, sondern zeigt, daß der Jahwist ein sprachschöpferischer
Theologe war, dessen Schöpfungen von der deuteronomistischen
Theologie aufgenommen wurden (S. 120; vgl. Anm. 88). In ähnlicher
Weise urteilt er auch über die Wendungen und Vorstellungen zur
Schilderung der Notsituation in Ex 3,9, die nach seiner Ansicht vom
Elohisten selbst geprägt worden sind und erst in der deuteronomistischen
Literatur eine größere Rolle spielen (S. 158).

Bei der literarkritischen Analyse fällt auf, daß der Vf. am Anfang
von Ex 3 Textteile, die sonst meist zu J gerechnet werden3, einer weder
zu J noch zu E gehörenden, nicht-quellenhaften Dornstrauch-Geschichte
zuweist, so daß der Einsatz der Jahwerede in Ex 3,7 ziemlich
unvermittelt erfolgt, was wenig wahrscheinlich sein dürfte.

Hinsichtlich einiger Ansichten, die nicht ganz überzeugend erscheinen
, sei daraufhingewiesen, daß der Vf. annimmt, die Frage des Mose
nach dem Namen des sich offenbarenden Numens beziehe sich nicht
auf die Kundgabe des bis dahin unbekannten Namens, sondern auf die
Bedeutung Kundgabe des bis dahin unbekannten Namens, sondern
auf die des Jahwe-Namens, die in Ex 3,14a umschrieben wird
(S. 2610-

Die „Blutbräutigam"-Episode (Ex 4,24*-26a), die von vielen Forschern
als altes Überlieferungsgut betrachtet wird4, hat der Jehowisl
nach Meinung des Vf. nicht aus der Tradition genommen, sondern sie
selbst für den vorliegenden Textzusammenhang gestaltet. Er rechnet
mit Beziehungen zu Jos5,2f, so daß sich bei Je kompositorische
Zusammenhänge zwischen Exodus und Landnahme ergeben, und zu
Ex 12,21-23, wo" auch die schutzgewährende Kraft des Blutes eine
Rolle spielt (vgl. S. 284ff).