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Ausgabe:

1982

Spalte:

498-501

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Thiel, Winfried

Titel/Untertitel:

Die soziale Entwicklung Israels in vorstaatlicher Zeit 1982

Rezensent:

Metzger, Martin

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 7

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Kultur blühte, während doch Cypern mit seinen Bergwerken und Verhüttungsbetrieben
in erster Linie ein bedeutender RohstofFproduzent gewesen ist. Noch
in Text 13 (Jubil 8.21) klingt zutreffend an, sofern von den „Inseln von Kaftur"
gehandelt wird, daß das Gebiet geographisch auch der Ägäis zugeordnet werden
muß. Der Rückschluß auf eine Insel in der Nachbarschaft von Syrien überzeugt
weder vom Wortlaut noch vom Zusammenhang her, in dem viele Namen bunt
zusammengewürfelt sind. In Text 14 (röm. Zeit) steht Keftiu u. a. in einer Linie
hinter Punt.den Berbern, Susa und Persien, wohl weil immer als relativ entferntes
Gebiet geltend. Indessen war andererseits längst der Name Kypros üblich
geworden, was zur Verdrängung zutreffender älterer Vorstellungen führte. Aus
der Zeit Tuthmosis DL stammt das Gemälde mit den Texten 16 A und B im
Grab des Rechmire, wobei u. a. die Wendung „Keftiu und die Inseln in der
Mitte des Meeres" ein klarer Hinweis auf Kreta mit den benachbarten kleineren
Inseln der Ägäis ist. Strange betont nur, es handle sich um "clearly a different
country" (S. 50). Die Texte 17 und 18 weisen aber auf ein nördliches Land
(S. 52.54). In Text 19 kann Keftiu vor „Mcnnus" (mnnws) auf einen Inselstaat
weisen, der im Zusammenhang mit der Herrschaft und dem Gebiet des
..Minos" nennenswert war, was der Vf. überhaupt nicht in Betracht zieht (S. 54:
"has not yet been satisfactorily explaincd"). Im Grab des Amcncmhab heißt es
überdies deutlich genug: "Keftiu. Mcnnus. all lands united". Den Gemälden
kommt gewiß ein nur zweitrangiger Beweiswert zu, obschon nicht überzeugt,
warum der Vf. auf die absolute Trennung von Keftiu und den „Inseln in der
Mitte des Meeres" dringt (S. 68). Text 21 (21./22. Dyn.) bezeugt in der Tat
"that Keftiu was farther away than Byblos" (S. 73), wobei nur hinzugefügt
werden muß, daß Keftiu dem Text zufolge die äußerste Entfernung der Route
signalisiert, was in keiner Weise an das Byblos gegenüber gelegene Cypern
denken läßt. Text 22 (Tuthmosis III.) bestätigt dies, weil darin klar zwischen
Keftiu-Schiffen und Byblos-Schiffcn. vermutlich Schiffen verschiedener Bauart
und Seetüchtigkeit, unterschieden wird. Dies wäre im Falle von C ypern ■ Keftiu
aber relativ unwahrscheinlich, da doch Cypern praktisch auf einer Höhe und
Strecke mit Byblos liegt. Es wäre ferner recht merkwürdig, daß in der Zeit der
18. und 19. Dynastie, einer Periode nachweislich engster Beziehungen zur kretischen
Welt, „Kreta" in den Namenlisten der Ägypter unerwähnt geblieben
wäre, also ganz im Gegensatz zur letztendlich behaupteten Annahme Keftiu =
Cypern. Text 26 vom Kanopus-Dekret (ca. 240 v. Chr.) ist ein dreisprachiger
Text (griechisch, hieroglyphisch und demotisch), wobei der griechische Text
das Original bezeichnet. Im Hieroglyphentext stehen für die griech. Namen
Syrien. Phönizicn und Cyprus die Übersetzungsvarianten Rentenu. Kefet (Keftiu
) und Insel von Sbynjy. im Demotischen: isr (vermutlich Syrien). Hrwlauch
Syrien?) und 13 mj S3lmin.l (Salamine = Cypern). Es ist einsichtig, daß von einer
so fraglichen Überlieferung niemals auf Keftiu = Cypern zurückgeschlossen
werden darf, zumal die Reihenfolge umgestellt werden müßte. Text 27 (Jubil
24,28 - 30) verbindet nach biblischem Vorbild Philister und Leute aus Caphtor.
Die späte Überlieferung bleibt in der Tat geographisch unergiebig. In dem Text
28, einem Scholion des 4./5. Jh. n. Chr., wird Pamphyle, die Frau des Stämme-
rührers Mopsos, als „Tochter des Kapteros" bezeichnet. Diese späte ätiologische
Erzählung schleppt ein vages Wissen um Kaptara fort, wobei die geographische
Verwandtschaft von Pamphylien zu diesem Gebiet eine relativ enge gewesen
sein muß. Da es um die griechischen Einwanderer Pamphyliens von
Westen her geht, ist eine Deutung von Kaptara auf Kreta wahrscheinlicher als
eine solche aul'Cypern. Der Text 29 (aus Ugarit) nennt Kptr in Verbindung mit
Kothar-wa-Hussus, in der phönizischen Religion der göttliche Handwerker,
Palastbauer und Schmied. Strange folgert daraus nur die besondere Bedeutung
von Caphtor in der Bronzezeit. Aber liegt es nicht ebenso nahe, die ugaritische
Mythologie mit der kretischen Sage von Dädalus. dem kunstvollen Schmied
und Palastbauer von Knossos, zu verbinden?(S. 85). Text 31 (Ramscs VI.) lokalisiert
„Kefta" dort, wo die Regionen des Himmels und der nördlichen See sich
verbinden ("their land is the northern horizon"). Jede Deutung auf Cypern ist
abseitig. Der Vf. meint indessen (S. 89), der Aussagewert des Textes sei gering.
Ahnlich ist in Text 32 die Angabe „Keftiu" als äußerster nördlicher Gegensatz
zu Äthiopien gewählt, Text 33 (Mari um 1770 v. Chr.) ordnet vermutlich a-na
Kap-ta-ra-i-im und a-na Ka-ra-i-im als gentilicia einander zu, wobei weitreichende
Handelsbeziehungen über See angesprochen sind. Das Dokument fügt
sich dem skizzierten Bild ein. Text 34 (Mari um 1770 v. Chr.) handelt von einer
Waffe aus Kaptar mit Gold- und Lapislazuli-Arbeiten, woraus folgt: "Kaphtor
was a country that had skillcd mctallurgists" (S. 92). Für die Mittclminoische
II/III gibt es durchaus auf Kreta herausragende Beispiele solcher Waffen.
S° hegt es näher, die spezifischen Hinweise auf Kaphtor-Arbcitcn (auch Texte
35 bis 37) nicht auf Cypern zu beziehen (s. aber S. 92 Anm. 557).

Fragen bleiben, was richtig gesehen ist, Tür Text 37. in dem eine Keftiu-
Frucht ("bean of Keftiu") erwähnt wird. Aufschlußreich dagegen ist Text 39
'Tuthmosis III.) mit einer Liste von Personennamen aus Keftiu, in der auch die
Namen iw-ki-sl-ti und iw-k.l-s.1-w vorkommen. Astour hat sie zuletzt mit dem

Philisternamen Akis in Verbindung gebracht, worauf sich auch der Vf. bezieht
(S. 95), andere argumentierten von a-ka-söu her und verbanden damit die
Achäer-Problematik. Insgesamt steht die Namenliste für enge Beziehungen zwischen
Keftiu und Ägypten (s. S. 95), die in der Zeit der 18. Dynastie vor allem
für Kreta außer Frage stehen. Nicht auf die Ausfuhr von Roherz, wohl aber auf
den Export von Metallarbeiten weist der Text 40 (Tuthmdsis III.), der von
einem Tribut des Prinzen von „Tinay" handelt und des näheren Geräte in
Keftiu-Arbeit erwähnt. Daraus folgt doch wohl eher eine Nachbarschaft von
Tinay mit Keftiu, die im übrigen auch Text 3 klar bezeugt, als eine Nachbarschaft
von Tinay mit Tunip oder Kadesch, gegen die damals der Pharao Krieg
führte (so aber S. 97). Die Texte 41 und 42 sind ebenfalls Beweis für einen intensiven
Handel im 15. Jh. v. Chr., besonders am Anfang der Regierung Ameno-
phis III., wobei letztlich schwerlich Kreta ausgeblendet werden kann.

Insgesamt ist der Vf. genötigt, Sachverhalte in Frage zu stellen, die
längst einer plausiblen Antwort zugeführt sind. Es hängt damit
zusammen, daß er sich je länger je mehr auf einen ganz abwegigen
Widerspruch eingelassen hat, welcher anderwärts der Behauptung
einer Hohlwelttheorie gleichkommt. Es zwingt ihn dazu, das gesamte
Material zu entwerten, die alttestamentlichen Texte (Jer47,4;
Hes25,6 und Sach 2,4ff) ebenso wie die mythologischen Überlieferungen
von Gaza (S. 123), und dies immer unter dem Vorbehalt:
"Taken as a whole the material does not exclude Crete as a possible
identification of Caphtor/ Keftiu" (125). So bleibt die Anfrage, warum
mit einer „hohen Wahrscheinlichkeit" Kreta nicht eigens von den
„Inseln in der Mitte des Meeres" unterschieden werden.darf. Der Vf.
läßt auf diese Weise den bedeutendsten Inselstaat des Mittelmecrcs
glatt im Nebel der ägäischen Inselkette verschwinden, als ob Kreta
letztlich nie mehr gewesen sei als das Kykladeneiland Milos oder los.
Im Blick auf Alasija/Enkomi, einer der bedeutendsten Siedlungen von
Cypern, hat die Interpretation ihre Folgen, denn nun muß ein so eindeutiges
Dokument wie die Inschrift von Talmosses auf Cypern, die
einen Zeus Alasiotes benennt, ebenfalls entwertet werden, weil nicht
auszuschließen sei, daß hier ein Göttername über Land und Meer
transplantiert wurde. Ob Alasija ein Küstenstaat gewesen sei, wird
überdies ausführlich problematisiert, obschon die Geschichte des
Wen Amon, der nach seiner Ausfahrt von Byblos in einen Sturm
geriet und an die Küste von Alasija geschleudert wurde, in dieser Hinsicht
eindeutig ist, auch übrigens gerade im Blick auf die mit Enkomi/
Cypern gegebene Gegenküste. Durcheinander gemengt wird öfters,
was es um Erzgewinnung auf Cypern und um Metallbearbeitung auf
Kreta sein könnte. Trotz seines ungeheuren Aufwandes an Überlegung
und Können wird daher der Vf. auch jene Fachleute schwerlich
überzeugen, die es wie K. A. Kitchen längst besser wissen dürften.

Neuendettelsau August Strobel

Altes Testament

Thiel, Winfried: Die soziale Entwicklung Israels in vorstaatlicher
Zeit. Berlin: Evang. Verlagsanstalt; zugleich Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins 1980. 185 S. 8".

Das zur Besprechung stehende Buch bietet eine gekürzte und komprimierte
Fassung einer Habilitationsschrift, die der Sektion Theologie
der Humboldt-Universität Berlin (Promotor: K.-H. Bernhardt)
vorlag. Forschungsgeschichtliche Exkurse, exegetische Detailuntersuchungen
und Auseinandersetzungen mit der Fachliteratur, die in
der maschinenschriftlichen Urfassung enthalten sind, wurden in der
Druckfassung auf ein Minimum reduziert.

In der Einleitung (9) stellt der Vf. in knappen Zügen die Leitlinie
seiner Arbeit heraus: „Die Sozialgeschichte Israels läßt sich weitgehend
als den spannungsreichen Prozeß eines Mit-, In- und Gegeneinander
der nomadischen Traditionen Israels und der Zustände des
Kulturlandes mit seiner agrarischen Lebensweise und seiner spezifischen
gesellschaftlichen Struktur beschreiben." Dementsprechend ist
die Arbeit aufgebaut und behandelt im ersten Hauptteil nomadische
Gemeinschaftsformen (10-51), im zweiten Hauptteil „die spätbronze