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Ausgabe:

1982

Spalte:

27-28

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Coats, George W.

Titel/Untertitel:

From Canaan to Egypt 1982

Rezensent:

Zobel, Hans-Jürgen

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 1

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Kreis bewegte. Neben dieser, von jedem Leser gewiß dankbar entgegengenommenen
Unterrichtung aber sind von uns die Partien des
Büchleins stärker akzentuiert worden, in denen Vf. neue Wege einzuschlagen
andeutet. Sie betreffen vorab Grundsatzfragen im Verstehen
der Erzvätererzählungen. So ist man schon jetzt gespannt auf die Ausführung
dieser neuartigen Ansätze im großen Genesis-Kommentar
des Vf.

Greifswald Hans-Jürgen Zobel

Coats, George W.: Front Canaan to Egypt. Structural and Theological
Context for the Joseph Story. Washington: The Catholic Biblical
Association of America 1976. IX, 101 S. gr. 8" = The Catholic Biblical
Quarterly. Monograph Series, 4. $ 2.50

Der Vf., akademischer Lehreram Lexington Theological Seminary
(Kentucky), hat sich schon mehrmals mit Fragen der Joseph-
Erzählung befaßt. In dieser Arbeit zieht er unter Berücksichtigung
der bereits erzielten Ergebnisse das Fazit seiner langjährigen Untersuchungen
. Ausgehend von der unbestreitbaren Feststellung,
daß sich die Joseph-Erzählung von den ihr voraufgehenden Erzvätererzählungen
klar unterscheidet, aber auch nicht zu den Exodus
-Erzählungen paßt, ergibt sich für den Vf., daß diese Erzählung
ein literarisches Produkt sui generis ist. Zugleich aber läßt die
strukturelle Funktion dieser Erzählung, die Lücke zwischen Erzväterzeit
und Ägyptenaufenthalt zu schließen, danach fragen, wie
unsere Erzählung diese Überbrückungsfunktion erfüllt und wo ihr
struktureller und theologischer Kontext liegt. Die Antwort des Vf.
lautet: Die Joseph-Erzählung zeigt mit Ausnahme von c. 37 und
47,13-26 eine bemerkenswerte Einheitlichkeit. Sie ist kunstvoll gestaltet
: Auf die Exposition (37,1-4) folgen die Complication
(37,5-36), dann die Digression (c. 39-41) und abermals eine Complication
(c. 42) sowie die Denouement (c. 43-45) und danach die
Conclusion (46,1-47,27). Mit 47,28 beginnt eine nicht zur eigentlichen
Joseph-Erzählung gehörende Rahmenerzählung. Die strukturelle
Mitte der Joseph-Erzählung sieht der Vf. darin, die Veränderung
von Jakob in Kanaan zu Israel in Ägypten zu erzählen.
Damit aber sei die Erzählung strukturell weder von den Erzväter-
noch von den Exodustraditionen zu trennen. Das führt zu der Feststellung
, daß die Joseph-Erzählung nicht eine ursprünglich selbständige
, erst sekundär in den jetzigen Kontext eingebrachte Erzählung
war, sondern daß sie bewußt für diesen Zweck geschaffen und
gestaltet wurde.

Mit diesen Erhebungen ist notwendigerweise die nächste Frage
nach eventuellen Quellenschriften eigentlich schon beantwortet.
Denn wenn die Joseph-Erzählung einheitlich ist, kann es keine lite-
rarkritisch erheblichen Merkmale geben. Und so kommt denn der
Vf. auch zu dem Schluß, daß ein so kunstvolles Meisterwerk nicht
von einem Redaktor durch Verschmelzung zweier Quellenschriften
gebildet, sondern von einem einzigen Verfasser so geschrieben
wurde, wie sie dasteht, als eine „alte literarische Symphonie"
(S. 74). Und weil die meisterliche Schöpfung bewußt die Lücke
zwischen Erzvätern und Exodus schließen sollte, gibt es weder
mündliche Vorstufen noch eine Traditionsgeschichte. Ihr Verfasser
hat mit hoher Wahrscheinlichkeit z. Z. Salomos in Jerusalem gelebt
. Ob es der Jahwist war, ist nicht mehr zu erhellen.

Als ein solches Meisterwerk weist die Joseph-Erzählung auch mancherlei
universale Elemente auf. In dem Schlußkapitel entfaltet der
Vf. das in dreifacher Hinsicht: an dem Phänomen der Versöhnung
und an dem der politischen Macht sowie an dem theologischen
Kontext der Joseph-Erzählung. Er weist darauf hin, daß sich die
Versöhnung ohne eine ausdrückliche Vergebung vollzieht und
somit weniger auf die Vergangenheit als vielmehr auf die Zukunft
gerichtet ist, die als Zukunft die Verheißung für Volk, Land und
Welt bereit stellt. Ähnlich verhält es sich mit der politischen
Macht, die nicht gehandhabt wird zur Sicherung und Stärkung der

eigenen Macht, sondern zum Wohl der anderen und zur Gewährung
von Zukunft. Diese Thematik: die Versöhnung, die Zukunft
ermöglicht, wird schließlich als die theologische Mitte der Joseph-
Erzählung bestimmt und darin die Antwort auf das Wie der Überbrückung
von Kanaan und Ägypten gefunden. „Joseph, Benjamin
und schließlich Jakob steigen hinab von Kanaan nach Ägypten. Sie
verlassen das Land. Doch sie werden zurückkehren. Der Abstieg
ist, in gewisser Weise, ein Abstieg in die Scheol. Doch sie werden
zurückkehren. Aus dem Tod zum Leben. Aus Ägypten nach Kanaan
" (S. 97). So lautet der Schluß der Abhandlung.

Diese Arbeit ist ein engagiertes Plädoyer für die kunstvolle Gestaltung
und Einheitlichkeit der Joseph-Erzählung. In dieser Absicht
steht sie nicht allein da. Andere haben das auch schon versucht. Im
Vergleich zu jenen Arbeiten aber führt diese insofern ein Stück
weiter, als sie vor allem der Frage nachgeht, wie die Erzählung ihre
Aufgabe der Überbrückungsfunktion zwischen Kanaan und Ägypten
erfüllt. In der Herausarbeitung ihres strukturellen und theologischen
Kontextes liegt für uns ihr eigentlicher Wert. Damit berührt
sich die weitere Beobachtung, daß die Erzählung für genau
diesen Zweck gestaltet wurde, also die Suche nach möglichen Vorstufen
kaum noch sinnvoll erscheinen kann. So richtig und weiterführend
das alles auch sein mag, so bleibt doch die Kernfrage die
nach der Einheitlichkeit der vorliegenden Erzählung. Die Auskunft
, daß etwa in c. 37 „symmetrische Strukturen", „symmetrische
Linien" vorlägen und somit dieses Kapitel eine „symmetrische
Einheit" darstelle, überzeugt Rez. nicht. Ebenso steht es mit
der Erklärung, daß der Israel-Name jeweils dort erscheine, wo eine
Bewegung von Kanaan nach Ägypten, vom Erzvater Jakob zum
Volk Israel stattfinde (S. 71). Will man wirklich überzeugend die
Einheitlichkeit der Erzählung herausarbeiten, müßte man eben
doch größere Eingriffe im Text vornehmen und eine Reihe von
Stücken als späteren Zuwachs deklarieren. Daß Vf. das nur ungern
täte, ist zwar verständlich, bringt ihn aber um den letzten Erfolg
seiner Bemühungen. So wjrd man diese Arbeit, auch wenn sie nicht
die allseitig überzeugende Lösung des Problems bietet, doch mit
viel Gewinn lesen, weil man ihr eine Fülle von neuen Einsichten
und Anregungen verdankt.

Greifswald Hans-Jürgen Zobel

Freedman, David Noel: Pottery, Poetry, and Prophecy. Studies in
Early Hebrew Poetry. Winona Lake, Indiana: Eisenbrauns 1980.
XV, 376S.gr. 8 Lw. $ 15.-.

David Noel Freedman, als Alttestamentier, biblischer Archäologe
und Herausgeber bedeutender Fachzeitschriften bekannt und angesehen
, hat in einem stattlichen Bande achtzehn seiner Arbeiten, die
poetische Texte des Alten Testaments untersuchen, zusammengestellt
. Diese Aufsätze sind zwischen 1968 und 1979 erschienen, etwa
zur Hälfte in wenig verbreiteten Festschriften und Sammelbänden.
Im Zentrum der Untersuchungen steht die Frage nach der Struktur
poetischer Texte des Alten Testaments und nach den Konsequenzen,
die aus der möglichst genauen Kenntnis dieser Struktur für das Verständnis
der Texte, die Beurteilung bzw. Herstellung ihrer ursprünglichen
Gestalt und ihre Datierung zu ziehen sind.

K.-H. B.

Knudsen, Ebbe Egede: A Targumic Aramaic Reader. Texts from
Onkelos and Jonathan, with Introduction and Glossary. Leiden:
Brill 1981. X, 123 S. 8' = Semitic Study Series, N. S. 5. Kart,
hfl 40,-.

Auf der Grundlage von A. Sperbers 'The Bible in Aramaic' bietet
Ebbe Egede Knudsen eine für studentische Übungen bestimmte Auswahl
von Texten aus dem Targum Onkelos und dem Targum Jona-