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Ausgabe:

1982

Spalte:

477-478

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Hartung, Marianne

Titel/Untertitel:

Angst und Schuld in Tiefenpsychologie und Theologie 1982

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Seite 1

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477

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

478

die Begriffe „psychologisch" und „psychotherapeutisch" in diesem
Buch inhaltlich eng definiert und damit für eine generalisierende
Phänomenologie unbrauchbar gemacht sind.) Verständigung statt
Behandlung - das ist Guhrs gute Alternative.

Trotzdem bleibt, bei aller Übereinstimmung in der Tendenz, ein
schaler Nachgeschmack: Daß wir vom. aristotelischen zum gali-
leischen Weltbild fortschreiten und einer partnerschaftlich-personalen
Beratung den Vorzug vor einer autoritär-manipulativen
geben müssen, daß Begegnung statt Vergegenständlichung nicht nur
nützlicher, sondern auch dem Evangelium gemäßer ist, daß Seelsorge
insofern nicht mit einer schulmedizinisch verobjektivierenden
Therapie identifiziert werden darf und daß die theologische Ausbildung
derzeit noch kaum personal-kommunikative Kompetenz
vermittelt, wie es zu fordern wäre - all das und vieles mehr ist bei den
zitierten Autoren der Seelsorgebewegung längst zu lesen. Mit ihnen
hätte sich der Vf. besser verbündet und sie erst einmal gründlich zur
Kenntnis genommen, sodann sorgfältiger und gezielter ausgewählt,
angemessener referiert und diskutiert, anstatt sie nur oberflächlich zu
paraphrasieren und allzu rasch polemisch zu erledigen.

So aber entsteht der Eindruck einer nur eklektizistisch bewältigten
Materialfülle und des theologischen Nullwachstums, der um so
bedauerlicher erscheint, als es sich um einen gerade auch theologisch
vielversprechenden Ansatz handelt.

Dessen inhaltlich in Darstellung wie Argumentation unbefriedigender
Durchführung entspricht übrigens eine miserable Redigierung
des Textes: Autorennamen sind seitenweise konsequent
falsch geschrieben, die Regeln des Duden immer wieder außer Kraft
gesetzt.

Daß wichtige Beiträge zur poimenischen Debatte der letzten fünf
Jahre überhaupt nicht zur Kenntnis genommen sind, muß als ein
weiterer Mangel vermerkt werden.

Marburg Dietrich Stollberg

Härtung, Marianne: Angst und Schuld in Tiefenpsychologie und
Theologie. Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer 1979.
156 S. 8' = Urban-Taschenbücher, 647: T-Reihe. Kart. DM 14,-.

Der Veröffentlichung liegt eine Lizentiatenarbeit aus dem Fachbereich
Katholische Theologie der Universität Münster zugrunde, die
vom Direktor des Ökumenischen Instituts, Prof. Dr. Peter Lengsfeld,
betreut wurde. Die Vfn. ist sich darüber im klaren, daß die Phänomene
Schuld und Angst eng zusammenhängen und daß zur theologischen
Problemstellung heute die Berücksichtigung der tiefenpsychologischen
Erkenntnisse unabdingbar ist. Sie referiert darum
sowohl die bekannten Theorien von Freud und Jung über die Angstund
Schuldentstehung und deren therapeutische Konsequenzen wie
auch die Konzeptionen von Angst und Schuld bei den Theologen
P. Tillich, H. U. von Balthasar und P. Schoonenberg. Sehr kurz - und
darum leider simplifizierend - werden auch die Anschauungen von
O. Pfister und O. Haendler über das Wesen der Angst erwähnt.
Davon abgesehen, werden in sachlich ausgewogener Kritik die
Gemeinsamkeiten der genannten tiefenpsychologischen und theologischen
Entwürfe ebenso wie ihre Differenzen aufgewiesen und die
Einseitigkeiten oder kurzschlüssigen Hypothesen als solche gekennzeichnet
.

Wesentlich neue Einsichten sind von dieser Darstellung nicht zu
erwarten, da das Thema schon oft behandelt wurde und die Vfn. die
wichtigste Sekundärliteratur berücksichtigt und vielfach zitiert hat.
Das gilt erst recht für das immer wieder erörterte Verhältnis von
Tiefenpsychologie bzw. Psychotherapie zur Theologie und Seelsorge,
mit dem sich die Vfn. auf den letzten zehn Seiten des Buches
beschäftigt. Im Schlußwort weist sie selber darauf hin, daß Schuld
und Angst auch gesellschaftliche Hintergründe haben und darum die
tiefenpsychologisch-theologische Analyse eigentlich nicht ausreicht,
sondern der sozialwissenschaftlichen Ergänzung bedarf. - Innerhalb
der von Titel und Inhalt markierten Grenzen kann das Buch

zumindest dem bisher Unkundigen als kurze, zuverlässige Einführung
in diese Problematik empfohlen werden.

Rostock Ernst-Rüdiger Kiesow

Ökumenik: Allgemeines

Bettscheider, Heribert [Hrsg.]: Das Problem einer afrikanischen
Theologie. St. Augustin: Steyler Verlag 1978. 134S. gr. 8° =
Veröffentlichungen des Missionspriesterseminars St. Augustin, 30.

„Afrikanische Theologie" wird bis heute im ökumenischen
Bereich gelegentlich mit „Schwarzer Theologie" vermengt. Diese ist
eine der revolutionären „Theologien der Befreiung", während die
Afrikanische Theologie dem Leitbild einer akademischen Bemühung
afrikanischer Theologen um „innere Anpassung" von christlicher
Theologie und afrikanischem Leben und Kulturerbe folgt. Auf evangelischer
Seite haben seit 1974 nur wenige Afrikaner erste Entwürfe
einer solchen adaptierten Theologie und auch nur in Umrissen
vorgelegt (z. B. John Mbiti, Gabriel Setiloane, Judah Kiwovele).
Um so beachtenswerter ist, daß der vorliegende Sammelband nachweist
, daß auf römisch-katholischer Seite das Problem einer afrikanischen
Theologie bereits seit 1957 bearbeitet wird. Das Lovanium
in Kinshasa/Zaire hat in zwanzigjähriger Arbeit den Boden bereitet
für eine Studientagung, die 1977 in der Phil.-Theol. Hochschule in
St. Augustin afrikanische Theologen und deutsche Fachgelehrte vereinte
.

Dr. Gaspard Mudiso, Zaire, gab einen „Überblick über die Bemühungen
um eine afrikanische Theologie" (S. 11-30). Dr. Filipe
Couto aus Mozambique sprach über „.Innere Anpassung' als Prinzip
einer afrikanischen Theologie" (31-50) und steuerte einen Aufsatz
„Kritisches zum Begriff der göttlichen Offenbarung" (51 -71) bei. Der
Lutheraner Judah Kiwovele aus Tanzania stellte der Tagung den
Aufsatz „Begriff und Funktion afrikanischen Lebens und afrikanischer
Kulturen (Afrikanität)" zur Verfügung (87-95). Diese
afrikanischen Beiträge wurden durch das religionswissenschaftliche
Referat von Prof. Hans-Jürgen Greschat, Die Bemühungen der
messianischen Kirchen um ein afrikanisches Christentum (73-86),
und die ethnologische Studie von Prof. Josef Franz Thiel, Begriff und
Funktion der Afrikanität (97-105), ergänzt. Die „Einleitung" (7-9)
und der Bericht über die Diskussion (107-122) vom Herausgeber
sowie ein überaus hilfreiches Literaturverzeichni; (123-130) runden
den Studienband ab.

Der sehr differenzierte Inhalt der Beiträge läßt sich durch folgende
Grundaussagen charakterisieren. „Einzig Jesus Christus ist und bleibt
das Zentrum und ... ,1a matiere exportable' des Christentums, nicht
die Kulturen der Völker" (Mudiso; S. 16). Bei seiner „inneren
Anpassung" an Afrikanität begegnet Christus dem afrikanischen
Menschen. Dieser „ist Familie auf allen Ebenen,... in Stabilität und
Unstabilität und selbst im Tode und in der Verwirklichung der
unbegrenzten Stabilität der Existenz mit den Ahnen und der korporativen
Schar der grenzenlosen Existenz im Jenseits" (Kiwovele;
S. 880- Den Kontrapunkt zu dieser völlig autarken „Eschatologie"
setzt Couto: „Mehr als eine feste Tradition ist afrikanische Kultur
eine Aufgabe der Gegenwart, eine Erwartung, eine werdende Ethik".
Denn „Afrika hat sich einiges von den Einflüssen der kolonialen
Vergangenheit angeeignet,... damit aber zahlreiche kulturelle Inhalte
und besonders religiöse Überlieferungen, alles Einflüsse, die
nicht einfach vernichtet werden können oder gar müßten" (38).

So bleibt der auch die Diskussionen beherrschende Gesamteindruck
, daß afrikanische Theologie noch in den Anfängen steht.
Dies ist kein Ausdruck für Inferiorität, wohl aber für Besonnenheit
und Nüchternheit von afrikanischen Theologen, die sich die allgemeinmenschliche
Gültigkeit der christlichen Heilsbotschaft zu
eigen gemacht haben, aber auch wissen, daß europäischer Individualismus
und Intellektualismus ihrer Verpflichtung für ihre die
Generationen umgreifende Mitmenschlichkeit nicht gerecht werden.

Hildesheim August Kimme