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Ausgabe:

1982

Spalte:

469-471

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

White, Reginald E. O.

Titel/Untertitel:

The changing continuity of Christian ethics 1982

Rezensent:

Haufe, Günter

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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erblickt. Denn der'Mensch kann „den Geist Christi und den Geist
Gottes nur als einen erkennen, sofern die persönliche Gegenwart Jesu
bei uns vorausgesetzt wird, das Erfaßtsein des Glaubenden vom
Lebensgeiste des geschichtlichen Christus, von seinem Innenleben.
Das ist der pneumatologische Zirkel, der Sinn und Notwendigkeit für
die Christologie erhält." Dieser pneumatologischen Darstellung der
Christologie schließt sich auch die Ekklesiologie an. Hier lesen wir:
„Wie das Wort zur richtenden und erlösenden Realität durch den
göttlichen Geist und wie der auferstandene Jesus Christus im Geiste
präsent wird, so entsteht die Kirche des Wortes oder die Kirche Jesu
Christi im Wirken des Heiligen Geistes" (S. 64). Diese Kirche wird
dann bestimmt als ein „pneumatischer Organismus" (S. 64).

„Fragen wir nach dem Wirklichkeitsverständnis Schaeders. . ."
(S. 77), so geraten wir auf die Kernfrage: „Wie wird das Verhältnis
von göttlichem Geist und Wirklichkeit bestimmt?" (S. 78). Die
Antwort hierauf muß in der Lehre von der Schöpfung gesucht
werden. Ist Gott der allmächtige Schöpfer der gläubigen Existenz im
Geiste, so muß er auch der allmächtige Schöpfer der Welt sein, die er
in der Kraft seines Geistes aus dem Nichts ins Dasein ruft.

Der Verfasser schließt seine Darstellung ab mit einer kritischen
Konfrontation Karl Barths zu Schaeders Theologie (S. 940- Dabei
geht es um die Frage bzw. den Vorwurf, ob Schaeder ein Vertreter der
neuprotestantischen Bewußtseins-Theologie ist, die aus dem Bewußtwerden
Gottes im Menschen Rückschlüsse auf die Existenz
eines Gottes zuläßt. Die Anwort hierauf kann nur lauten: „Noch
niemand hat auf dem Wege eines solchen Schlusses Gott oder seinen
Geist erfaßt" (S. 99). -

Das, was diese Arbeit an-pneumatologischen Einsichten und Erkenntnissen
Erich Schaeders wieder in Erinnerung ruft, kann als
wesentlicher Beitrag für die gegenwärtige Geist-theologische Forschunggelten
.

Berlin (West) Otto A. Dilschneider

Systematische Theologie: Ethik

White, R. E. O.: The Changing Continuity of Christian Ethics. Vol. 1:
Biblical Ethics. 256 S. 8 Vol. 2: The Insights of History. 442 S. 8
Exeter: Paternoster Press 1979/81.

Die Geschichte der christlichen Ethik gehörte lange Zeit nicht zu
den bevorzugten Interessengebieten theologischer Darstellung. Die
allzu deutliche Situationsgebundenheit ethischer Weisung und Entscheidung
sowie das Wissen um mancherlei Fehlentscheidungen im
Laufe der Kirchengeschichte trugen nicht unwesentlich dazu bei. Das
scheint sich neuerdings zu ändern. 1979 begannen gleich zwei umfängliche
Darstellungen zu erscheinen, einmal G. W. Forell, History
of Christian Ethics, Vol. 1: From the New Testament to Augustin,
Minneapolis 1979, und das hier anzuzeigende zweibändige Werk aus
der Feder des Principal of the Baptist Theological College of
Scotland, das inzwischen komplett vorliegt. Der Obertitel für beide
Bände markiert das leitende Interesse des Autors: Kontinuität und
Wechsel sind für christliche Ethik konstitutiv.

Der erste Band unternimmt es, im Rahmen von 12 Kapiteln das
gesamtbiblische Erbe an ethischer Belehrung interpretierend nachzuzeichnen
. Die häufige Zitation älterer Literatur - teilweise aus der
Zeit vor dem ersten Weltkrieg - läßt erkennen, daß es dem Vf. nicht
um eigene neue Forschungen geht, sondern um eine systematisierende
Aufarbeitung des biblischen Befundes ohne allzu weit-
Behende historische Differenzierung. Das „Vermächtnis der frühhebräischen
Religion" wird zunächst ganz allgemein im theokratischen
Zugang zur Ethik, d. h. in der unlösbaren Verbindung von Ethik und
Religion gesehen. Sodann zeigt der Autor, wie sich diese Verbindung
lm Dekalog, im Bundesbuch, in der frühprophetischen Lehre und im
Heiligkeitsgesetz konkret darstellt, wobei in Jes 40-66 der „ethische

Monotheismus" seinen Gipfel erreicht. Als „Vermächtnis des Spätjudentums
" werden die Frömmigkeit des Psalters, die moralische
Weisheit, die Unsterblichkeitshoffnung, die Entwicklung der Gesetzesfrömmigkeit
bis hin zu den Pharisäern und Essenern und das
Wiedererwachen der Prophetie bei Johannes dem Täufer vorgestellt.
Breiteren Raum nimmt die Ethik Jesu ein, deren über das zeitgenössische
Judentum hinausführender Beitrag nach drei Modellen
gegliedert wird: die Familie Gottes und das Leben der Sohnschaft, die
Königsherrschaft Gottes und das Leben des Gehorsams, der Sohn
Gottes und das Leben der Imitatio, die über aller erlaubten Variabilität
der Interpretation der biblischen Überlieferung „das Herz der
christlichen Ethik" bleibt (109). Ein knappes Kapitel gilt der „Ethik
der Urkirche", ehe dann in zwei großen Kapiteln die „paulinische
Moraltheologie" und die „ethischen Direktiven des Paulus" zur
Darstellung gelangen. Sachlich ist Paulus die Übersetzung der drei
ethischen Modelle Jesu in für Heiden verstehbare Begriffe und damit
überhaupt das Vertrauen in die Umsetzbarkeit der Ethik zu danken.
Die nachpaulinische Entwicklung findet unter den Stichworten
„Petrinische Ratschläge", „Johanneischer Rigorismus" und „Nachapostolische
Disziplin" entsprechende Berücksichtigung. Als spezifische
Züge biblischer Moralität erscheinen abschließend deren
religiöse Wurzel, der soziale und irdische Kontext als Ausdruck ihres
Inkarnationscharakters, die Identifikation des moralischen Ideals mit
der historischen Person Jesu und die Fähigkeit zu kontinuierlicher
Entwicklung im Zeichen der Gegenwart des Geistes Christi in der
Kirche.

Die Darstellung des zweiten, wesentlich umfänglicheren Bandes,
die von den Apologeten bis zu Barth, Brunner und Bultmann reicht,
ist getragen von der Überzeugung: "the story to be told contains a
great deal more light than shade, and at least as much of courage,
earnestness, flexibility, faith and fidelity, as most modern Christian
can summon to their aid" (10). Ziel der Darstellung ist es, den
Studenten wohlausgerüstet an die Schwelle der gegenwärtigen Diskussion
heranzuführen (12). Natürlich kann das nur auswahlweise
geschehen. Nach Erörterungen zum heidnischen Kontext altchristlicher
Ethik behandelt der Vf. zunächst die moralische Apologetik bis
Ambrosius, um sich anschließend den mit Wohlfahrt, Sklaverei,
Staat, Todesstrafe und Naturgesetz gegebenen neuen Problemen
zuzuwenden. Die verschiedenen, bis tief ins Mittelalter reichenden
Gestalten von Askese, Mönchtum und Mysiil bereiten auf die
"Christian Moral Philosophy" Augustins vor, deren anthropologische
Begründung in dem Imago-Dei-Motiv gesehen wird.
Abaelard erscheint als Vertreter einer "Ethical Psychology",
Aquinas (Thomas v. A.) als Vertreter einer "Moral Theology". Ist
Erasmus Vorkämpfer eines „christlichen Humanismus", so vermag
der Vf. bei Luther nur eine "conservative reformed moralitiy" zu
erkennen; seine Antwort auf die soziale Protestbewegung der Zeit
wird sogar als "reactionary" beurteilt. Calvin dagegen vertritt eine
"radical reformed morality", deren zentralem Disziplin-Motiv der
Autor freilich kaum größere Erfolgschancen testiert als Luther's
"transforming faith". Die nachreformatorische Ethik sieht er unter
den Aspekten von "conservation and change", während für die Ethik
der Folgezeit "The Inner Ligth" die Basis bildet, entweder in Gestalt
von Gewissen und Vernunft (Butler, Kant) oder im Sinne des Geistlichtes
(Puritaner, Quäker, J. Edwards). Auf dem Hintergrund von
J. Wesley erscheint für das England und Amerika des 19. Jahrhunderts
die Reich-Gottes-Ethik des "Social Gospel" wesentlich.
Weiter führt allerdings die "Christian Social Theory", der sogar
R. Niebuhr und D. Bonhoeffer zugeordnet werden. Ein eigenes
Kapitel erörtert auswahlweise "Extraneous Influences" auf das
soziale, ethische und theologische Klima des 20. Jahrhunderts. Als
vorläufig letzte Phase der Geschichte der christlichen Ethik erscheint
"The Ethic of the Word", als deren klassische Vertreter Barth,
Brunner und Bultmann vorgestellt werden. Damit hat der Vf. die
Schwelle zur gegenwärtigen Diskussion erreicht, an der er sich im
Schlußkapitel - dem 18. - durch grundsätzliche Überlegungen zur