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Ausgabe:

1982

Spalte:

468-469

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Goertz, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Geist und Wirklichkeit 1982

Rezensent:

Dilschneider, Otto A.

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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Strömungen sowie mit verschiedenen Formen des Buddhismus,
besonders mit der Zen-Philosophie der Kyoto-Schule, gebracht.
Darüber hinaus sind die prägenden und vertiefenden Einflüsse durch
A. Schweitzer und K. Jaspers wie auch die profilierenden Auseinandersetzungen
mit der Theologie Karl Barths und Rudolf Bultmanns
spürbar.

Buri legt mit dem 3. Band die Lehre von der dreifachen Schöpfung
(Die Schöpfung aus dem Nichts, 41-129; Die fortgesetzt-gegenwärtige
Schöpfung, 133-274; Die neue Schöpfung, 277-576) und die
Trinitätslehre vor (Der dreieinige Gott, 579-767). Wie schon in den
beiden vorangegangenen Bänden fehlt auch hier eine explizite
Christologie, da für den Vf. die Christologie im „Selbstverständnis
des christlichen Glaubens" die Funktion der strukturierenden Mitte
einnimmt, oder anders gesagt: „Die Verwendung des Drachenkampfmythus
im biblischen Reden von Schöpfung (findet) ihre Vollendung
darin, daß nicht nur die neue Schöpfung am Ende, sondern schon die
Schöpfung am Anfang christologisch, das heißt, als Überwindung der
Chaosmacht durch Christus als Schöpfungsmittler verstanden wird,
und von hier aus die ganze folgende Geschichte bis zu ihrer Vollendung
in der Neuschöpfung als Kampf mit dem Urweltdrachen in
seinen verschiedenen Erscheinungsweisen gesehen wird" (97). Fragt
man danach, was in dieser Weise strukturiert wird, so ist es das Selbstverständnis
verantwortlichen Personseins, dessen Geheimnis und
dessen Verwirklichung. Das Ziel einer solchen Dogmatik besteht
darin, „zur Gewißheit zu gelangen, daß Gott ist, und zwar als die
Offenbarung des Seinsgeheimnisses als des besonderen Sinngrundes
der menschlichen Existenz" (38).

Es versteht sich daher von selbst, daß in diesem Band in besonderer
Weise die anthropologische Tendenz und das auf die Sinnfrage und
die Verwirklichung von Verantwortung ausgerichtete Nachdenken
des Vf. ausgebreitet wird: Die Seinsfrage ist immer irgendwie von der
Sinnfrage begleitet (59ff); die an der Drachenkampfmythologie
orientierte Sinnfrage stellt eine besondere Sinnmöglichkeit der
menschlichen Existenz dar, die darin besteht, daß dieser Mythologie
der Welt, wie sie ist, eine Welt, wie sie sein sollte, gegenüber gestellt
wird, und im Vollzug des Heilsgeschehens die letztere an die Stelle
der ersteren tritt (95ff); im mißlingenden Versuchen einer Vergegenständlichung
soteriologischer Aussagen erweist es sich, daß die
soteriologischen Transzendenzaussagen nur ihrer besonderen Form -
nicht aber ihrem letzten Grund nach - ihren Platz im Rahmen des
Selbstverständnisses haben (125ff); der Vollzug unseres Selbstverständnisses
als eines Bestimmtseins zu personalem Verantwortlichsein
und dessen Verwirklichung ist nur möglich auf Grund
der nicht von uns geschaffenen und nicht in unserer Verfügung
stehenden, sondern uns zur Verfügung gestellten Möglichkeit des
Daseins in Raum und Zeit (162ff); das gnadenhafte Wesen des
Transzendenzbezuges wird im concursus divinus in regno gratiae
Christi zum Ausdruck gebracht, dessen wir in der uns in unserem
Selbstverständnis begleitenden und sich in seinem Vollzug realisierenden
Möglichkeit zum Personsein in personaler Gemeinschaft
inne werden (214ff); die Ver-Herr-lichung des Daseins in der Sinnverwirklichung
durch Beugung unter das Unvermeidliche und Veränderung
des Veränderbaren in der Versöhnung mit sich selber und
dem Mitmenschen durch Anerkennung der Schuld des Bösen und im
Ergreifen von Möglichkeiten der Sühne begründen wir metaphysisch
nicht im Sinn des Seins schlechthin, sondern in der besonderen
Sinnoffenbarung des Seinsgeheimnisses, wie sie im Symbol des
regnum gloriae Christi gemeint ist (einschließlich der Art und Weise,
wie Jesus Sinnverwirklichung des menschlichen Daseins in seinem
Lehren und Handeln, Leiden und Sterben verkörpert) (2730; daraus
entwickelt der Vf. dann im Abschnitt über die neue Schöpfung u. a.
das Kirchenverständnis, Kirche als Gemeinschaft der Verantwortung
(verantwortliches Einanderbegleiten), der auch eine Zukunft der
Verantwortung zukommt (384ff, 457ff); denn „in der Übernahme
von Verantwortung ereignet sich die sonst ausgebliebene Parusie und
wirkt sich auf Zukunft hin aus" (457). - Ähnlich wie die in einigen

Linien gezeigte anthropologische Tendenz ließen sich auch andere
Beispiele bringen, etwa dem Symbolbegriff nachzudenken, oder die
eigentümliche Art und Weise der Aufnahme traditioneller Lehrformen
und -Schemata zu verfolgen. Auch die nun hier nicht näher
dargestellte Trinitätslehre vermittelt Buris eigenwilliges, aber dabei
konsequentes Denken.

Insgesamt kommt F. Buri mit seiner Dogmatik einer Tendenz
entgegen, die gerade in der Gegenwart immer erneutes Nachfragen
erbringt: das Nachfragen nach der ethischen Relevanz christlichen
Glaubens bzw. die Frage, ob und wie die Ethik Konsequenz von
dogmatischem Nachdenken sein kann. Der Vf. löst das Problem
aufgrund des durchaus nicht neuen Grundkonzeptes, daß „Theologie
. . . immer auch zugleich Philosophie" ist (7). Freilich hängt
davon alles ab; Erik Schmidt hat 1964 zu Recht betont, daß „B.s
hermeneutisches Prinzip ... nur dem Leser einleuchten (wird), der
auf B.s erkenntnistheoretischem Standpunkt steht, wer also B.s
Philosophie teilt" (ThLZ89,1964 Sp. 58). Auch dieser 3. Band ist
eine imposante Denkleistung, verschiebt insgesamt aber die genannte
Problematik von der theologischen auf die philosophische bzw.
anthropologische Seite. Unverkennbar ist aber, daß Buri gegenüber
dem l. und 2. Band zu einer durch bestimmte Themen (Kirche,
Reich Gottes, Ökumene) erzwungenen Öffnung der subjekti-
vistischen und individualistischen Engführung kommt. Eine heilsame
Denkschule bleibt Buris Werk für jeden Leser allemal.

Leipzig Martin Petzoldt

Goertz, Hans-Jürgen: Geist und Wirklichkeit. Eine Studie zur
Pneumatologie Erich Schaeders. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1980. 128 S. gr. 8° = Forschungen zur systematischen
und ökumenischen Theologie, 42. Kart. DM 24,-.

Es sei voraus bemerkt, daß Erich Schaeder (1861 bis 1936) Vertreter
der Systematischen Theologie war. Gegenüber einer anthropozentrischen
Theologie, wie er sie etwa bei Schleiermacher vorfand,
verfocht er einen streng theozentrischen Ansatz der Theologie. Gott
war für ihn die Majestät, der allmächtige Herr. Gegen alles menschliche
Heilsverlangen gründet die Glaubensgewißheit allein in der
Erfahrung des Geistes Gottes, in der sich Herrlichkeit, Heiligkeit und
Liebe Gottes erschließt. Schaeder hat diese Grundzüge vorgetragen in
seiner Arbeit „Das Geistproblem der Theologie" 1924 und in einem
Beitrag der Zeitschrift für Systematische Theologie 1926 „Zur Geistfrage
in der neueren Theologie". In der vorgelegten Studie von
Hans-Jürgen Goertz werden uns die Gedanken und Entwürfe
Schaeders kritisch vorgestellt und nahegebracht.

Wichtig für uns ist, was Goertz in dem Abschnitt über „Pneu-
matologische Methode und Erfahrung des Glaubens" aus Schaeders
Texten herausgearbeitet hat. Es ist das Problem des pneumato-
logischen Zirkels (S. 54). Und das bedeutet: „Die Subjekt-Objekt-
Relation, die dem normalen Erkenntnisprozeß zugrunde liegt, wird
so außer Kraft gesetzt, daß sie umgekehrt wird: Wir sind die Objekte
Gottes, nicht er ist für uns Objekt" (S. 27). Desgleichen: „Die
Wirklichkeit Gottes wird ... nur so von uns erfaßt, daß sie sich uns
freitätig, in einem Akte schlechthin souveränen Wollens, zu erfassen
und zu erkennen gibt" (S. 39). So geht es also um „die Vergewisserung
des Heiligen Geistes durch sich selbst im Glaubensvollzug
des Menschen" (54). So kommt unser geistliches Erkennen immer
schon von einem Erkannt-sein durch Gottes Geist her. Zeitgeschichtlich
sehr eng liegen hier beieinander die Ausarbeitung des
hermeneutischen Zirkels durch Martin Heidegger und die Darstellung
des pneumatologischen Zirkels durch Erich Schaeder.
Jedenfalls dürfte wohl Schaeder das Verdienst zukommen, die Überwindung
des Subjekt/Objekt-Denkens als eine geistliche, erkenntnistheoretische
Grundposition klar und entschieden genug aufgewiesen
zu haben.

In dieser pneumatologischen Grundeinstellung wird auch das
christologische Problem, die Beziehung des Glaubenden zu Christus