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Ausgabe:

1982

Spalte:

466-468

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Buri, Fritz

Titel/Untertitel:

Dogmatik als Selbstverständnis des christlichen Glaubens 1982

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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fällt, daß nämlich die rechtgläubige Apologetik Amerikas zu ihrem
eigenen Schaden nicht in der Lage ist, von der historisch-kritischen
Schriftforschung einen sinnvollen Gebrauch zu machen, sondern sich
allzusehr der Argumentation von „Und die Bibel hat doch recht"
bedient.

Angesichts des Darwin-Jahres 1982 ist auch für uns sehr lehrreich,
mit welchem Nachdruck der teleologische Gedanke mehrfach ausdrücklich
neben dem Organischen nicht zuletzt auch auf das Anorganische
bezogen wird. Das bei uns leider weithin vergessene Buch
des amerikanischen Biochemikers Prof. Lawrence J. Henderson „Die
Umwelt des Lebens. Eine physikalisch-chemische Untersuchung
über die Eignung des Anorganischen für die Bedürfnisse des Organischen
", dt. 1914, wird zwar nicht ausdrücklich genannt, steht aber
deutlich im Hintergrund.

Eindrücklich ist dann, wie im Kapitel 8 die Lebensrelevanz christlichen
Glaubens herausgearbeitet wird, denn „Menschen können
nicht überzeugt werden, daß eine Weltanschauung wahr ist, wenn sie
nicht zugleich wichtig ist" (2101. Ohne vorletzte Werte und Ziele -
wie z. B. Ökonomie, Wissenschaft usw. - in falscher Weise herabzusetzen
, wird doch ihr letztes Ungenügen rhetorisch überzeugend
aufgedeckt. In diesem Zusammenhang gelingt es auch wesentlich
besser, die Vorzüge des orthodoxen Glaubens an die Verantwortlichkeit
des Menschen vor Gott, Sündenvergebung und ewiges
Leben herauszuarbeiten. Gegen die Lehre von der Wiederbringung
aller polemisiert Carnell heftig (219-222). „Universalismus (des
Heils) annehmen, heißt, die- Lehre Jesu Christi zu verwerfen" (221).
Gegen Kierkegaards einseitige Betonung der gelebten Wahrheit wird
festgehalten: „Der Christ genießt gleichzeitig Werte des Herzens und
des Kopfes" (227), wie denn häufig auf den engen Zusammenhang der
klassischen Glaubensdefinition als notitia, assensus und fiducia
verwiesen wird.

Kapitel 9 setzt den Gedankengang von der Lebensrelevanz des
Glaubens unter mehr psychologischem Aspejü fort. Christlicher
Glaube überwindet die letzte, existentielle Todesangst und ist unter
verschiedenen Gesichtspunkten ein wesentlicher Faktor für die geistige
und körperliche Gesundheit der Person, sofern der Glaube wahr
und echt ist, denn „leider stellen immer wieder Predigten die gute
Nachricht von Erlösung und Befreiung als düster, krankhaft, weltverleugnend
, puritanisch und unterdrückend dar" und Gott als „ein
sadistisches Ungeheuer" und „einen am Buchstaben des Gesetzes
hängenden Tyrannen" (249).

Kapitel 10 zeigt die Lebensrelevanz des Glaubens unter speziell
ethischem Gesichtspunkt auf. Besonders die Ausführung zur Sozialethik
empfinde ich persönlich als reichlich oberflächlich, die Bemerkungen
über die Fließbandarbeit (273) als geradezu bedenklich.

Zusammenfassend möchte ich jedoch sagen, daß gerade auch die
Mischung von philosophischer Durchdringung und bibelwissenschaftlicher
Ungeschütztheit unser eigenes Nachdenken über die
brennenden, dringenden Aufgaben intellektueller Diakonie und
weltanschaulich-argumentativer Verkündigung m. E. durchaus anregen
und befruchten kann. Denn die notwendige und unvermeidliche
Abhängigkeit aller Theologie von der Philosophie ist bei
uns bisweilen etwas außer Blick geraten, und unserem - durchaus
berechtigten - Reflektieren auf die Theologie der biblischen Schriftsteller
, ihre Absichten und Interpretationen und Intentionen, kann es
nicht schaden, sich darauf zu besinnen, daß vor der theologischen
Deutung und Interpretation zunächst einmal die Fakten feststehen
müssen, die dann gedeutet werden können.

Berlin Hans-Hinrich Jenssen

Systematische Theologie: Dogmatik

Ruggieri, Giuseppe: La compagnia della fede. Linee di teologia
fondamentale. Torino: Marietti 1980. 170S. gr. 8'. Lire 7 500.

Das wissenschaftlich lehrreiche Buch des italienischen Theologen
G. Ruggieri versucht die Aufgabe der Fundamentaltheologie aus der
Geschichte der abendländischen Kultur zu verstehen. Als neue
theologische Perspektive entsteht Fundamentaltheologie aus dem
Bewußtsein einer Spaltung zwischen dem (inhaltlich im Sinne des
Epheserbriefs als ,Versöhnung' beschriebenen) christlichen Glauben
und der modernen Gesellschaft: eben diese Spaltung sei seit der
Reformation für die Theologie überhaupt konstitutiv.

Fundamentaltheologie wird hier als doppelte Aufgabe verstanden:
einerseits dem Gesprächspartner gegenüber Rechenschaft vom
Glauben zu geben; andererseits aber, eben im Vollzug dieser ersten
Aufgabe, Sinn und historische Notwendigkeit der Fragestellung des
Gesprächspartners auf sich zu nehmen.

Sinn der christlichen Offenbarung und Sinn der in und mit der
modernen Geschichte gegebenen Aufgabe werden dann parallel
untersucht. Ergebnis und Ausweg der Untersuchung werden vom
Begriff der ,sakramentalen' Realpräsenz der .Gesellschaft des Glaubens
' (Compagnia della fede) mitten in der Welt gebildet. Allerdings
sind für Ruggieri .prophetisch' und sakramental' synonyme Begriffe,
die sich in der Perspektive der Armut und des selbstlosen Dienstes
konkret füllen. Vf. kritisiert sowohl die traditionelle Machtausübung
der Kirche (und deren Rechtfertigung in der Theologie), als auch die
verbreitete gefahrliche und geisttötende Lebensstruktur der heutigen
Gesellschaft. Vermittlung als Aufgabe der Kirche gegenüber der Welt
ist „radikale Gabe" (S. 99). Theologie ist „rationale Auslegung der
Heiligkeit" (S. 35).

Das Buch reproduziert verschiedene Aufsätze (Lexikonartikel bis
divulgatorische Zeitschriftenbeiträge). Das Material zeugt vom
Ringen des Wissenschaftlers und des Gläubigen, der im Leben wie im
Denken authentisch voranschreiten will. Die Dialektik des prophetischen
' Sendungsbewußtseins und der Identifikation mit dem
ärmsten Teil der Welt bildet den theologischen Weg Ruggieris. Mit
seinen Thesen wird sich auch der protestantische Leser konfrontieren
lassen müssen.

Ruggieri verfolgt die Absicht, den alten apologetischen Weg endgültig
zu verlassen. Es geht hier vielmehr um die theologische
Aufgabe als solche, die sich nur dialektisch verstehen kann. In
manchem ist man an einen früheren Beitrag von Jüngel erinnert, der
hier freilich unberücksichtigt bleibt (vgl. E. Jüngel, .Theologische
Wissenschaft und Glaube' im Blick auf die Armut Jesu, EvTh 23,
1964,419^143).

Rom Sergio Rostagno

Buri, Fritz: Dogmatik als Selbstverständnis des christlichen Glaubens
. Dritter Teil: Die Transzendenz der Verantwortung in der
dreifachen Schöpfung des dreieinigen Gottes. Bern: Haupt;
Tübingen: Katzmann 1978. 767 S.,gr. 8*. Lw. DM 88,-.

Das ursprünglich auf vier Bände konzipierte Werk Buris ist seit
dem Erscheinen dieses hier anzuzeigenden dritten Bandes komplett.
Daß dieser so lang hat auf sich warten lassen müssen (10 Jahre später
als geplant), hat vorwiegend persönliche Gründe, die der Vf. auch
darlegt. Bot der l .Band (1956) die Prolegomena unter der Leitrelation
„Vernunft und Offenbarung" (vgl. ThLZ 82, 1957
Sp. 790-793), so der 2. Band (1962) die Verknüpfung von Anthropologie
und Soteriologie unter der Relation „Der Mensch und die
Gnade" (vgl. ThLZ 89, 1964 Sp. 57-62). Der nun vorliegende Band
sollte 1968 folgen. Freilich hat die Verhinderung - darunter Gastprofessuren
in den USA und Japan - eine intensive Beschäftigung des
Vf. mit der amerikanischen Theologie, den dortigen religiösen