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Ausgabe:

1982

Spalte:

463-465

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Lewis, Gordon Russell

Titel/Untertitel:

Testing Christianity's truth-claims 1982

Rezensent:

Jenssen, Hans-Hinrich

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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auch auf die z. T. starke Kritik an diesem Buch ein, ohne jedoch
seinen Standpunkt zu verlassen. Der protestantische Leser legt das
Buch mit Verwunderung und innerer Anteilnahme aus der Hand.
Erstaunlich ist schon die Tatsache, daß die Publikation - samt den
vielen Veröffentlichungen, die hier verarbeitet sind! - überhaupt
möglich war. Sie fiel ja gerade in die Anfangszeit des Pontifikats von
Johannes Paul IL, der dann mit seinem Gründonnerstagsschreiben
von 1979 alle enttäuschte, die auf eine Lockerung des Zwangszölibats
gehofft hatten. Das Buch von Maas trägt immerhin auf der Rückseite
des Titelblatts ein „nihil obstat" des Rector Magnificus Pont. Univ.
Lateranensis vom 11.11.1978 und ein „imprimi potest" des
Superior Generalis der SVD in Rom. Es ist das Symptom einer
Bewegung, die weitergehen wird. Im Zusammenhang mit dem
Augustana-Jubiläum haben wir Anlaß, auf unser Bekenntnis in CA
Art. XXIII hinzuweisen, in dem es u. a. heißt: Nec est humanae
potestatis, sine singulari dono et opere Dei, creationem Dei mutare.
Igitur quo non sunt idonei ad caelibatum, debent contrahere
matrimonium.

Rostock Ernst-Rüdiger Kiesow

Lewis, Gordon R.: Testing Christianity's Truth Claims. Approaches
to Christian Apologetics. Chicago, HJ.: Moody Press 1976. 347 S.
gr. 8 Lw. $ 8,95.

Gordon R. Lewis ist Professor der systematischen Theologie und
christlichen Philosophie am Konservativen Baptistischen Theologischen
Seminar in Denver/Colorado. In seinem Buch „Prüfung der
Wahrheitsansprüche des Christentums. Zufahrtswege zu christlicher
Apologetik", das während eines achtmonatigen Arbeitsurlaubs entstand
, vermittelt er einen interessanten Überblick über eine Reihe
von Grundtypen der amerikanischen Apologetik, die seit 1945 ein
starkes Wiederaufleben verzeichnet. Es ist wirklich beeindruckend zu
sehen, in welcher Breite in Amerika apologetisch gearbeitet wird.
Dabei beschränkt sich Lewis bewußt auf die rechtgläubige evangelische
Apologetik, die katholische und evangelisch-liberale wird
ausgeklammert.

Freilich muß er sich in einem ersten Kapitel zunächst einmal mit
den auch bei uns üblichen Einwänden gegen Apologetik auseinandersetzen
, wobei er Apologetik definiert als „die Wissenschaft und
Kunst, die fundamentalen Wahrheitsansprüche des Christentums zu
verteidigen" (21 bzw. 340). Ausgangspunkt ist für ihn der miteinander
konkurrierende Geltungsanspruch der Weltreligionen; als
das eigentliche Gegenüber stellen sich aber die Gott-ist-tot-
Theologie, der marxistische Atheismus, der logische Positivismus
und der nichtchristliche Existentialismus dar (9,14-17) und dann
immer wieder der Versuch psychologischer Relativierung des
Wahrheitsanspruches christlichen Glaubens. Aber es sei falsch,
Wahrheit und Bedeutsamkeit im Sinne der Lebensrelevanz des
Glaubens gegeneinander auszuspielen (17), und sowohl Glaube als
auch Unglaube könnten auf Wunschdenken, Kindheitserfahrungen
usw. zurückgeführt werden (18). Der genetische Trugschluß, der
„denkt, daß eine Beschreibung der Umstände der Entstehung von
Gedanken die Wahrheit oder Falschheit ihres Inhalts bestimmt",
müsse durchschaut werden (19). „Die Frage der Wahrheit des Christentums
ist keine psychologische Frage, die nach einer biographischen
Beschreibung von Gläubigen ruft, sondern eine philosophische
Frage, die nach einer sinnvollen Rechtfertigung der christlichen
Überzeugung ruft" (23).

Ganz gewiß „kann ein apologetisches Argument nicht Glauben
erschaffen, aber es schafft die Atmosphäre, in welcher der Glaube
zum Leben kommen kann. Ist die (irdische) Atmosphäre nutzlos, weil
sie nicht Leben erschafft?" Er zitiert Austin Farrer: „Wenn auch das
Argument keine Überzeugung bewirkt, so zerstört jedenfalls sein
Fehlen den Glauben" (S. 23).

Gewiß könne man auch die Bibel einem Lxiwen vergleichen, der
nur in Freiheit gesetzt werden müsse, um seine Kraft zur Selbstverteidigung
zu zeigen. Aber wenn der Löwe auch in seiner eigenen
Heimat keine Verteidigung brauche, so sei er doch auf einer belebten
Fernverkehrsstraße oder angesichts moderner Waffen überfordert. So
brauche auch die Bibel im Grundsatz keine Unterstützung ihrer
Wahrheit, aber die massiven Vorurteile junger Leute, denen die
öffentliche Schule eingeimpft habe, daß sie nur veraltete Ratschläge
und vörwissenschaftliche Mythen enthalte, müßten zunächst abgebaut
werden. Die einfache Wiederholung dessen, was sie als veraltet
und vorwissenschaftlich ansehen, genüge da nicht (25/26).

„Ein Christentum, das Argumente vermeidet, ist nicht das Christentum
des Neuen Testamentes". „Keine Häufung gefühlvoller
Appelle kann die Leute reizen, eine Botschaft anzunehmen, die sie als
falsch ansehen" (26).

Die glaubenschaffende Kraft des Hl. Geistes dürfe nicht gegen das
Argumentieren ausgespielt werden. Der Hl. Geist „hat gewählt, sich
menschliche Werkzeuge nutzbar zu machen". Benjamin B. Warfield
sage zu recht: „Die Tat des Heiligen Geistes, wenn er Glauben
schafft, ist nicht abgesondert von Beweisen, sondern zusammen mit
Beweisen und besteht zunächst darin, die Seele für die Aufnahme von
Beweisen vorzubereiten." Wer den Hl. Qeist gegen eine überzeugende
Gedankenführung ausspiele, könne ihn ebenso gegen Predigt, Unterricht
, persönliches Zeugnis usw. ausspielen. „Weil Beweisführung
(reasoning) unzureichend ist, darum ist sie nicht unnötig" (26).

Der Bibel seien Beweise und Argumente keineswegs fremd. Man
denke an die handgreiflichen Argumente von Mose gegenüber Pharao
und von Elia gegenüber den Baalspropheten und die Götzenpolemik
von Jesaja 40,12-48,5. Aus dem NT führt Lewis die Täuferanfrage
und die Zeugnisse für die Auferstehung an. Von zunehmender Bedeutung
sei die Areopagrede als Musterbeispiel der Bibel, um die
Wahrheit des Christentums gebildeten Außenstehenden aufzuzeigen
(27-34).

Dann stellt Lewis ausführlich sechs Grundtypen der Apologetik
vor, wobei er jeweils in bemerkenswerter Weise ihre Beziehungen zur
Philosophie, insbesondere der Erkenntnistheorie herausarbeitet. Die
Namen Hume und Kant und auch Sören Kierkegaard fallen immer
wieder. Er unterscheidet einen reinen Empirismus (45-75), einen
rationalen Empirismus (76-99), einen Rationalismus (100-124),
einen biblischen Autoritätsstandpunkt (125-150), einen Mystizismus
(151-175) und den ihm besonders zusagenden synthetisierenden
Standpunkt von Edward John Carnell und anderen, den er als "the
verificational approach" bezeichnet, was man wörtlich wohl mit
beglaubigender, wahrmachender Zufahrtsstraße übersetzen muß, was
inhaltlich vielleicht am besten bezeichnet wird als ein Standpunkt,
der seinen Ausgangspunkt nimmt von zunächst anzunehmenden
Hypothesen, die dann aber der Bewahrheitung bedürfen, nicht auf
einem einzigen Wege, sondern auf unterschiedlichen, aber konvergierenden
Wegen. Im Anhang werden weitere neun Apologeten mit
ihren Systemen vorgestellt (296-339).

Welche konvergierenden Wege sind es nun, die Lewis im Anschluß
an E. J. Carnell und andere Autoren beschreitet? Zunächst einmal
bewahrheitet sich der christliche Glaube durch Übereinstimmung
sowohl mit der äußeren Erfahrung als auch der Logik. So erklärt z. B.
der christliche Glaube an den Schöpfer die durchgehende, objektive
Ordnung der Natur, die zwar Voraussetzung aller Naturwissenschaft
ist, von ihr aber nicht weiter begründet werden kann, außerdem auch
die Anpassungsfähigkeit der menschlichen Vernunft an diese objektive
Ordnung. „Die Ordnung der Natur und des Geistes verschmelzen
... Die Wechselbeziehung zwischen Wissenschaft und
Natur wird einfach erklärt, wenn Gott die Welt erschuf und den
Menschen, um sie zu erkennen und zu unterwerfen" (191, vgl. auch
202).

Man ist erschrocken, zu sehen, wie auf solche beachtlichen Argumente
dann unmittelbar eine Lückenapologetik folgen kann, die
behauptet, der Genesisbericht widerspreche nicht der Entwicklung
der Arten, aber die der Gattungen sei ja auch nicht bewiesen (191 f)-
An einem solchen Punkt wird deutlich, was auch sonst mehrfach auf-