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Ausgabe:

1982

Spalte:

460-463

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Maas, Cornelius

Titel/Untertitel:

Affektivität und Zölibat 1982

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

460

ergänzte in der Regel den Namen des Orgelbauers, gab teilweise den
Klaviaturumfang an, notierte Angaben zum Gebläse und fügte
gelegentlich Bemerkungen wie „schöner Prospect" bei. Dieses jeder
wissenschaftlichen Grundlage entbehrende Werk hatte - weil es auf
diesem Gebiete nichts Besseres gab - dennoch einen solchen informatorischen
Wert, daß es 1978 in Leipzig als Peters-Reprint nachgedruckt
wurde (ergänzt um einen Supplementband mit 120 Dispositionen
aus dem Nachlaß Oehmes). Mit Dähnerts Buch wird nun
endlich dem Organologen ein qualifiziertes Nachschlagewerk in die
Hand gegeben.

Berlin Christoph Albrecht

Werner, Christof Martin: Sakralität. Ergebnisse neuzeitlicher Architekturästhetik
. Zürich: Theologischer Verlag Zürich 1979, 165 S.
8'. Kart. DM 35,-.

Christof Martin Werner hatte sich bereits in seiner Dissertation (in
veränderter Form 1971 im gleichen Verlag unter dem Titel „Das
Ende des »Kirchen«-Baus") mit der modernen Kirchenbaudiskussion
tiefgründig und kritisch auseinandergesetzt. In der nun veröffentlichten
theologischen Habilitationsschrift konzentriert sich der Blick
des Verfassers auf Herkunft, Gehalt und Aussagekraft der Kategorie
Sakralität. Der Begriff geht auf die der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
entstammende neulateinische Wortbildung „sakral" zurück
und ist zu einer Qualitätsbezeichnung für den Kirchenbau geworden,
die sich jedoch als „fragwürdig" erweist. Die Frage nach den Vorstellungen
, die mit der Rede von Sakralität gemeint sind, erwächst bei
Werner aus einer Analyse des langen, von Krisen gekennzeichneten
Weges, den Architekturästhetik, Kirchenbautheorie und Kirchenbau
seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gegangen sind. Das Streben
nach einer verbindlichen Gestalt des Kirchenbaus spielte dabei
eine wichtige Rolle. Aus der Infragestellung des Argumentes
„Sakralität" ergibt sich für Werner die grundsätzliche und zugleich
aktuelle Frage nach der Kenntlichkeit und Identifizierbarkeit, anders
gesagt, nach der semantischen Praxis der Kirche heute. Dieser
Gesamtsicht der Problematik, die bereits in der Einleitung (S. 9-14)
und in Abschnitt I (S. 15-18) angesprochen wird, folgt der Aufbau des
ganzen Buches.

Als in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das in der Renaissance
neubegründete vitruvianisch-normative System der Architekturästhetik
zu zerfallen beginnt, bietet sich die sensualistisch motivierte
Charakterlehre als Ergänzung und Ausweg für die ästhetische
Bewältigung architektonischer Aufgaben an (Abschnitt II, S. 19-47).
„Durch die Einwirkung der Revivals transformiert sich schließlich
das Charakterproblem in das unter historischen Vorzeichen gestellte
Stilproblem" (S. 47).

Das nächstliegende Anwendungsfeld für die Charakterlehre war
der sentimentale Landschaftsgarten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts
mit seinen Stimmungen weckenden, oft nur kulissenhaften
Kleinarchitekturen in verschiedenen Stilen, die ihrerseits zur Vergangenheit
hin assoziieren (Abschn. III, S. 48-57).

Die Gotik, von dem Leipziger Kunstschriftsteller Christian Ludwig
Stieglitz (1805) um ihres „romantischen Charakters" willen geschätzt
, wird in Assoziation zum christlichen Mittelalter und unter
den Bedingungen des Historismus zum bevorzugten Stil des Kirchenbaus
, womit eine zeitweise Lösung des Gestaltproblems erreicht zu
sein scheint (Eisenacher Regulativ 1861). Dieses an der Wahl des
Stilvorbildes orientierte Bauen wird schon seit Beginn des 19. Jahrhunderts
(Louis Catel 1813) von „funktionalistischen" Auffassungen
begleitet, die sich vor allem im späten 19. Jahrhundert (Wiesbadener
Programm 1891) Geltung verschaffen. Das 20. Jahrhundert charakterisiert
dann die Tendenz, über die liturgisch begründete funktionale
Ordnung hinaus dem Bauwerk einen sakralen Habitus zu verleihen
(Abschn. IV, S. 58-92).

Damit soll eine Neubesinnung auf die dem Kirchenbau wesenseigene
Gestalt aus der Krise des historisch normierten Kirchenbaus

herausführen. Dem Streben nach „Sakralität", nach einem dem
christlichen „Kultus" voll entsprechenden „Raum" gibt Otto
Bartnings theologisch und religionsphänomenologisch motivierte
Schrift „Vom neuen Kirchenbau" (1919) entscheidende Impulse. Der
Wille, zum „Mehr-als-Zweckhaften" zu gelangen, bestimmt auch
Kirchenbautheorie und -praxis nach 1945. Exemplarisch hierfür sind
die von Oskar Söhngen in Beschäftigung mit der Wallfahrtskirche
von Ronchamp (1955) erarbeiteten „Schemata des Sakralen", bei
deren Analyse sich allerdings herausstellt, daß die Aussagen vom
Kirchenbau weniger an konkreten architektonischen Vorstellungen
als eher an jenen sensualistisch geprägten Allgemeinbegriffen orientiert
sind, wie sie der Charakterlehre um 1800 eignen (Abschn. V,
S. 78-92).

In Abschnitt VI (S. 93-97) wird das Verhältnis des Arguments
„Sakralität" zur Charakterlehre näher untersucht und schließlich in
Abschnitt VII (S. 98-113) die ihm innewohnende „religions-
historisierende Assoziation" erfaßt. Es ergibt sich, daß gleichsam
unterschwellig die Argumentation von einem „diffusen Historismus"
getragen ist. Vf. legt dar, daß man mit der Kategorie des Sakralen
auch bei Bestimmung von Architektur vergangener Epochen wenig
ausmachen kann (in Auseinandersetzung mit Hubert Schrade,
S. 105-108).

Die durch Krisen gekennzeichnete Geschichte des Kirchenbaus des
19. und 20. Jahrhunderts läßt erkennen, daß die Aufgabe nicht durch
wechselnde „ausdrucksästhetische Gestaltpostulate", die letztlich
vom Glauben an den Künstler und seine Kunst getragen sind, gelöst
werden kann, sondern eher durch die Sache selbst, die die Kirche
mitzuteilen hat (Abschn. VIII, S. 114-120).

„Entsakralisierung", eine um 1970 entwickelte Position mit der
praktischen Verwirklichung in „multifunktionalen Gemeindekomplexen
", hat sich jedoch als falsche Alternative erwiesen, gerade weil
der Sakralitätsbegriff „semantisch auf diffus assoziierende Impression
angelegt ist" (Abschn. IX, S. 121 f).

Der abschließende X. Abschnitt (S. 123-128) macht deutlich, daß
Werner kein Rezept zur Lösung der Gestaltfrage anbieten will. Die
Kirche muß sich fragen, ob und wie sie im heutigen architektonischen
Geschehen ihre „Kenntlichkeit und Identifizierbarkeit"
wahren soll. Wie wird kirchliche Gestalt zu einer „lesbaren Aussage",
welche „Figurationen" sind möglich, welche „repetierbaren Motive"
sollen eingeführt bzw. fortgeführt werden? Bei Beantwortung dieser
Fragen müßte nach Ansicht des Verfassers jedoch beim „vorästhetischen
Ausgangspunkt" aller „identifizierbaren kirchlichen
Gestalt" eingesetzt werden.

Die Anfragen Werners stellen mithin eine ernst zu nehmende Aufforderung
an Theologie und Kirche dar, Gestaltungsfragen, insbesondere
im Umkreis des Kirchenbaus, systematisch und unter
gleichzeitiger Beachtung des historischen Kontextes zu bedenken.
Bemerkenswert an der vorliegenden Arbeit ist weiterhin, wie
manches historische Faktum durch den ideengeschichtlichen Zusammenhang
in neuem Lichte erscheint. Hierbei verdienen die Analysen
der kunstschriftstellerischen Arbeiten von Christian Ludwig Stieglitz
(1756-1836) besondere Aufmerksamkeit.

Leipzig Hartmut Mai

Systematische Theologie: Allgemeines

Maas, C: Affektivität und Zölibat. Dargestellt aufgrund einer
Untersuchung der holländischen Literatur 1960-1978. Aus dem
Niederl. von H. Drenkelfort. St. Augustin: Steyler Verlag 1979.
256 S. gr.8' = Veröffentlichungen des Missionspriesterseminars
St. Augustin bei Bonn, 31.

Seit Papst Paul VI. die vorgesehene Erörterung der Zölibatsfrage
von der Tagesordnung des II. Vatikanischen Konzilsam 11. 10. 1965
kurzerhand absetzte und mit seiner Enzyklika „Sacerdotalis caeli-