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Ausgabe:

1982

Spalte:

24-25

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Myths in the Old Testament 1982

Rezensent:

Müller, Hans-Peter

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. I

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Recht; § 10 Das Deuteronomium; § 11 Das deuteronomistische Ge-
• schichtswerk; § 12 Das chronistische Geschichtswerk). III. Die Pro-
phetie (§ 13 Die Form des Prophetenwortes; §§ 14 - 23 die einzelnen
Propheten in geschichtlicher Reihenfolge; § 24 Daniel). IV. Dichtung
aus Kult und Weisheit (§25 Der Psalter; § 26 Hoheslied, Klagelieder,
Rut und Ester; §27 Die Spruchweisheit; §28 Kohelet, der Prediger
Salomo; § 29 Das Hiobbuch; § 30 Für und wider das Alte Testament).

In einem Anhang werden Register, ein Abkürzungsverzeichnis
sowie ein austührliches Literaturverzeichnis, das auf die einzelnen
Paragraphen aufgeschlüsselt ist, gebracht. Nur zu dem letzten Paragraphen
, „Für und wider das Alte Testament", der aber mehr den
Charakter einer Skizze trägt, fehlen Literaturhinweise. Erfreulich ist,
daß das Thema überhaupt aufgegriffen worden ist.

Auch wenn eine knappe Einführung wie die vorliegende keine erschöpfende
Auseinandersetzung in wichtigen Einleitungsfragen bringen
kann, interessiert den Leser, welche Position der Vf. hier bezieht.
Seine Grundtendenz ist von einer erfreulichen Nüchternheit gekennzeichnet
. Das zeigt sich etwa bei der Skepsis gegenüber einer immer
weitergetriebenen Quellenscheidung in der Pentateuchforschung. „Je
aufwendiger und komplizierter eine Theorie ist, desto unwahrscheinlicher
wird sie" (S. 51). So lehnt Sch. die Aufteilung des Jahwisten in
j' und J2 o. ä. ab und neigt dazu, gewisse Unebenheiten im Bereich
des Jahwisten überlieferungsgeschichtlich zu erklären. Im Elohisten
sieht er einen selbständigen Erzähler. Bei der Datierung folgt er den
„klassischen" Ansätzen (Jahwist um 950; Elohist um 800). Hinter
dem deuteronomistischen Geschichtswerk steht kein Einzelerzähler,
sondern eine Schule.

Bei dem Eheproblem Hoseas folgt Sch. in Kap. 1 Wolff (Heirat
einer Frau, die sich einem kanaanäischen Sexualritus unterworfen
hat) und in Kap. 3 Rudolph (Kaufund Einsperrung einer Dirne, die
nicht mit der Frau des Propheten identisch ist). Weit mehr als etwa
G. Fohrer ist Sch. geneigt, wichtige Heilsverheißungen, besonders
messianische, den Propheten zuzusprechen, in deren Büchern sie stehen
. Das trifft nicht nur auf Micha 5,1-5 zu, sondern auch auf die bekannten
messianischen Stellen im Jesajabuch, deren „Echtheit" für
möglich zu halten sei, „zumindest von Jes 11, dem aber Jes 9 nahesteht
" (S. 220).

Läßt sich dem auch mit guten Gründen widersprechen, so ist doch
eine deutliche Stellungnahme, wie sie hier erfolgt, dem anderwärts so
häufigen In-der-Schwebe-lassen vorzuziehen. Wer eingeführt
werden will, braucht nicht nur einen Überblick über die hauptsächlichen
Diskussionspunkte in der Forschung, sondern verlangt auch
Richtlinien und Wertungen. Wenn die verschiedenen Meinungen in
Fragesätzen nebeneinandergestellt werden, wie es allzu oft bei Sch.
geschieht, so entsteht der Eindruck einer Gleichwertigkeit. An die
Stelle dessen müßte m. E. eine abgewogene Abstufung der Wahrscheinlichkeit
treten.

Für eine Neuauflage, die gewiß zu begrüßen wäre, sei dies als Anregung angemerkt
. Für diesen Zweck seien noch einige Hinweise gestattet! Auf der Tafel
„Hauptepochen der Geschichte Israels" könnten die Angaben zu den Jahren
597 und 587 (S. 9) präzisiert werden. Besser wegzulassen wäre die auf S. 24 in
Klammern stehende Bemerkung über die Neubabylonier: „die im alt-babylonischen
Reich eine Restauration unter dem Mardukkult unternahmen". Das
führt zu weit zurück und ist für das Verständnis der Sachlage nicht dienlich.
Die Überschrift c) auf S. 146 sollte stilistisch richtiggestellt werden. Auf S. 337
sollte es zu Hiob 19,25 f heißen, daß Hiob „angesichts des Todes oder schon im
Tode" Gott schauen werde.

Blickt man auf die Gesamtkonzeption, so läßt sich urteilen: Der Vf.
hat ein wirklich brauchbares Arbeitsbuch vorgelegt, das eine Lücke
füllt und von dem zu erwarten ist, daß es eine ganze Reihe von Auflagen
erleben wird.

Berlin Ludwig Wächter

Otzen, Benedikt, Hans Gottlieb and Knud Jeppesen: Myths in the
Old Testament. London: SCM Press 1980. 143 S. 8". Kart. £ 4,95.
Das vorliegende Werk dreier Alttestamentier der Universität Ärhus
ist die englische Fassung der 2. Auflage des dänischen Buches «Myter
i det Gamle Testamente» (Kopenhagen 1976; '1973), das somit jetzt
- zwar ohne Verarbeitung der in den letzten Jahren erschienenen
Literatur, dafür mit einem kurzen Vorwort des bekannten Assyrio-
logen Th. Jacobsen - einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit
bekannt wird. Für einen dänischen Autor wie B. Otzen ist die
Einsicht in den Stellenwert des Mythos für die Theologie und das
Verständnis elementarer (vor-)literarischer Gattungen wie Mythos,
Sage, Märchen und Legende mit der Erinnerung an N. F. S. Grundt-
vig verbunden, dessen bei uns kaum bekannte frühe Arbeit zur nordischen
Mythologie das Fundament seiner weitgespannten dichterischen
, kirchlichen und pädagogischen Aktivitäten war. Aus H. Gun-
kels Urzeit-Endzeit-Schema und M. Eliades „Mythos der ewigen
Wiederkehr" ist das Verständnis der mythisch-kultischen Zeit übernommen
. Sodann aber verbindet Otzen den Schöpfungsmythos in
Anlehnung an V. P. Granbech und vor allem S. Mowinckel mit dem
Neujahrsfest, wie denn überhaupt „Mythos" im Sinne der englischen
myth-and-ritual-sehool als „Kultmythos" verstanden ist, und zwar
zunächst im Blick auf Babylon und Ugarit. Eine vergleichende Interpretation
von Stücken aus Gen 1-11, die an Israels unabhängiger
Haltung gegenüber dem Mythos durchaus nicht achtlos vorbeigehen
möchte, führt dennoch zu dem Ergebnis, „daß, gleichgültig wie diese
Mythen im Kult verwendet wurden, der israelitische Kult jedenfalls
auf allen Ebenen durchdrungen war von dem, was ,die ganzheitliche
Weltsicht des Mythos' genannt wurde, von einem Verstehen des Daseins
aus dessen Determination durch die Spannung von Chaos und
Kosmos". Auch die Daten der Heilsgeschichte werden dabei „als die
fundamentalen Ereignisse der Urzeit betrachtet und entsprechend in
den Kult eingefügt", so daß „Entmythisierung" eines Kultmusters
und „Mythisierung der Geschichte" zur Konvergenz gelangen
(59/60).

Diese grundsätzliche Kultorientierung lenkt unseren Blick auf die
Psalmen, deren mythische Gehalte H. Gott lieb einerseits am
öffentlichen Charakter der von den Psalmen getragenen Gottesverehrung
, andererseits am Zusammenhang etwa der Thronbesteigungspsalmen
, aber auch anderer Gruppen mit dem Neujahrstag festmachen
möchte. Obwohl er die Abwesenheit der Motive: Tod und
Auferstehung des Gottes - hl. Hochzeit des Gottes ausdrücklich betont
, tendiert seine Auffassung zentraler ,heilsgeschichtlicher' Topoi
sowie der Rolle Gottes und der des Königs in Psalmen des einzelnen
wie 22; 69; 88 doch am Ende zu einer Nivellierung spezifisch israelitischer
Erfahrungen in ein Kultdrama, wobei durch die Fixierung auf
eine Neujahrsthematik auch der Kult zu monolithisch gesehen ist. So
wird der Möglichkeit etwa eines familialen Kults in Israel (E. Ger-
stenberger, Der bittende Mensch, Diss. habil. Heidelberg 1971, Publikation
1980) und Babylonien (W. Mayer, Untersuchungen zur Formensprache
der babylonischen „Gebetsbeschwörungen", 1976),
eines Kultes, in dem die Bittpsalmen des einzelnen zu Hause sein
dürften, nicht Rechnung getragen - ganz zu schweigen von der bekannten
Vielfalt des offizielleren israelitischen Kultkalenders.

Schließlich beschäftigt sich K. Jeppesen mit dem „Mythos in der
prophetischen Literatur": Gericht und Heil, Tod und Auferstehung,
hl. Hochzeit, messianische Königsideologie, Zions- und Neujahrstraditionen
sind seine Einzelthemen. Da die Prophetie als solche nach
I. Engneil u. a. eine kanaanäische Institution sei, mache auch ihre
Sprache Situationen bedingten Gebrauch von einer kanaanäisch
durchdrungenen Psalmensprache, soweit sie jeweils mit der eigenen
Position des betr. Propheten korrespondiert. „Obwohl die Propheten
so im Prinzip als Verteidiger des wahrhaft Israelitischen gesehen
werden, müssen wir erkennen, daß viel von dem, wofür sie eintraten,
sich aus kanaanäischem Milieu herleitet" (95). - Freilich wird hier
wie in den vorangehenden Arbeiten auf längst vorgebrachte Einwände
im Grundsatz wie im Detail kaum oder gar nicht eingegangen.