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Ausgabe:

1982

Spalte:

453-455

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Obst, Helmut

Titel/Untertitel:

Apostel und Propheten der Neuzeit 1982

Rezensent:

Graf, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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1923. Für diese Beziehung Grabmanns kann man das von ihm
verfaßte Lebensbild Baeumkers, „CL B. und die Erforschung der
mittelalterlichen Philosophie", in Band 25/26 der „Beiträge", den
1926 erschienenen Gesammelten Vorträgen und Aufsätzen von
Clemens Baeumker. „Studien und Charakteristiken zur Geschichte
der Philosophie insbesondere des Mittelalters", lesen.

Schließlich mag noch ein Hinweis auf den jüngsten Beitrag des
Grabmann-Instituts zur Erschließung der Lebensleistung Grabmanns
dienlich sein: Hermann Köstler - Ludwig Ott: M. G.s Nachlaß und
Schrifttum. Mit einem Nachlaßteil von Clemens Baeumker, Paderborn
1980.

Grabmanns Leistung führt von der neuscholastischen Selbstbehauptung
zur Grundlagenforschung und genetischen Geschichtswissenschaft
in einer positiv-soliden und auch positiv-beschränkten
Form, die der katholischen Lehre keine Schwierigkeiten bereitet. Es
ist die Zeit der beginnenden Modernismuskrise, in der sein Werk
wurzelt. Daß die Zeit dieser Art wissenschaftlicher Beschränkung und
Gründlichkeit zugleich heute vergangen ist und doch in ihrem
Besten, nämlich der Exaktheit, nicht vergehen soll, kann man dem
Vorwort von Schmaus und dem ganzen Editionsunternehmen entnehmen
, für das die Geschichtswissenschaft dem Grabmann-Institut
Dank schuldet.

Berlin (West) Kurt-Victor Selge

Kirchen- und Konfessionskunde

Obst, Helmut: Apostel und Propheten der Neuzeit. Gründer christlicher
Religionsgemeinschaften des 19./20. Jahrhunderts. Berlin:
Union Verlag 1980. 376 S., 38 Taf. gr. 8 Lw. M 18,20.

-: Apostel und Propheten der Neuzeit. Gründer christlicher Religionsgemeinschaften
des 19./20. Jahrhunderts. 2., erw. Aufl.
Berlin: Union Verlag 1981. 384 S., 54 Abb. aufTaf.gr. 8 Lw.
M 18,20.

Zwar ist es unüblich geworden, von einem „langgefühlten Bedürfnis
" zu reden, doch gibt diese Formulierung im vorliegenden Fall
wohl am besten wieder, welcher Stellenwert dem angezeigten Buch
zukommt. Erstmals wird mit großer Gediegenheit und Ausführlichkeit
über jene christlichen Religionsgemeinschaften informiert,
die in der DDR neben den „Großkirchen" und „Freikirchen" staatlich
anerkannt sind. Wiewohl dabei die Darstellung historisierend
verfährt, sind die Linien doch bis heran an die Gegenwart ausgezogen
, und man erhält insofern höchst brauchbare Ausführungen
zu folgenden Gemeinschaften: Katholisch-Apostolische Gemeinden;
Neuapostolische Kirche; Apostelamt Juda (Gemeinschaft des göttlichen
Sozialismus); Apostelamt Jesu Christi; Reformiert-Aposto-
lischer Gemeindebund; Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten
Tage (Mormonen); Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten;
Gemeinschaft in Christo Jesu (Lorcnzianer); Christliche Gemeinschaft
Hirt und Herde; Johannische Kirche (Weißenberger); Christengemeinschaft
.

Unter den vielerlei interessanten Aspekten, die dieses Buch in sich
vereint, seien nachstehend besonders folgende hervorgehoben:

1. Dem Kundigen am ehesten bewußt, enthält dieses Buch eine
ganze Fülle bislang unbekannten, noch nicht aufgearbeiteten Materials
, wie sich z. B. in den Darstellungen von Apostelamt Juda,
Apostelamt Jesu Christi, Reformiert-Apostolischer Gemeindebund
und auch sonst häufig genug herausstellt. Überhaupt zeigt der Vf.
eine Kenntnis an Details, die einerseits die guten Kontakte zu den
einzelnen Gemeinschaften belegt, andererseits aber auch nahelegt,
daß man künftig nicht mehr nur im „Hutten" (Kurt Hutten:
Seher-Grübler-Enthusiasten. Sekten und religiöse Sondergemeinschaften
der Gegenwart, Stuttgart "1968) und etwa im Handbuch
Religiöse Gemeinschaften, hrsg. von Horst Reiler, Gütersloh 21979,
nachsieht, sondern nun wohl auch im „Obst". Man kann das um so

mehr, weil darin neben den eigenen intensiven Studien des Vf. zahlreich
die klassische und auch zeitgenössische Literatur eingearbeitet
ist; auch das Buch von Hans-Diether Reimer/Oswald Eggenberger:
... neben den Kirchen. Gemeinschaften, die ihren Glauben auf
besondere Weise leben wollen, Konstanz 1979, wurde noch einbezogen
.

2. Anregend ist aber auch die Art, wie das Material dargeboten
wird. An gute Traditionen des 19. Jahrhunderts anschließend, sind
jeweils nach aktuellem Vorspann, Primär- und Sekundärliteratur und
der Darstellung (die gesondert auch Lehreigentümlichkeiten behandelt
) Textbeilagen angefügt. Sie legen Quellen vor, die sonst nicht
ohne weiteres erreichbar sind, die im ganzen - zumindest den Rezensenten
- beeindrucken durch die Frömmigkeit, die aus ihnen
spricht, und die nicht, wie sonst zuweilen zu verfolgen, präsentiert
sind mit einer linden Lust am Kuriosen. Dankbar nimmt man auch
an, mit der Hilfe zahlreicher Abbildungen (insgesamt 55) einmal in
die Gesichter derer schauen zu können, die gewöhnlich nur geschmäht
oder belacht wurden. Vor allem in den Dienst der Sache
gestellt ist aber auch die Sprache des Autors. Sie ist auffällig durch die
Prägnanz und Einfachheit der Sätze. Lediglich objektive Fakten
sollen aus ihnen sprechen. Dabei macht dieser Versuch, das Selbst
gleichsam auszulöschen, keineswegs einen irgendwie neutralen oder
liberalen Eindruck. Man spürt vielmehr auf jeder Seite, daß es starkes
Engagement ist, welches jene klare Sprache formuliert.

3. Natürlich steht hinter dieser Art der Darbietung ein Programm.
Und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, wenn man hier ein
Verständnis von Ökumene am Werke sieht, das sich deutlich von
dem herkömmlichen und zumeist praktizierten abhebt. Ökumene ist
offenbar für den Vf. nicht einfach identisch mit den „Großkirchen"
und „Freikirchen", die sie repräsentieren. Das heißt nicht zugleich,
daß darum jede Begrenzung aufgegeben wird. Aber man erahnt doch
immer wieder, wie sehr um die Bereitschaft geworben wird, den Kreis
der Etablierten zu diskutieren. Begreiflicherweise geht dieses nicht
ohne eine allgemeine Entspannung (Entkrampfung?) und wesentlich
bessere gegenseitige Kenntnis. Und eben damit ist wohl auch der
Anlaß geortet, aus dem heraus dieses Buch geschrieben wurde.
(Tatsächlich ist dann auch die 1. Auflage von Mitgliedern religiöser
Gemeinschafte*n nicht weniger rasch aufgekauft worden als von
kirchlich Interessierten.)

4. Auch wem dieses Programm theologisch n cht behagen sollte,
der kann doch viel Nutzen haben im Umgang mit diesem Buch. Es
wird darin, wie ja bereits der Titel indiziert, ebenso häufig wie
variabel zu Themen wie Amt, Amt und Gemeinde, Amt und Charisma
und zu Fragen wie Prophetie und Enthusiasmus referiert. Und
gleichfalls viel lernen kann man wohl, wenn man einmal genauer die
Struktur und das Sozialverhalten der vorgestellten Religionsgemeinschaften
analysiert oder auch das weite Feld entdeckt, das sich
zu religionspädagogischen und -psychologischen Erhebungen anbietet
. Recht nachdenkenswert sind schließlich die Mitteilungen über
das Erfahren von Transzendenz und die Predigt des Eschatons, die
gestaltend (!) in das Leben eingreift.

5. Man hat sich sehr daran gewöhnt, davon zu sprechen, daß die
religiösen Gemeinschaften in ihrem Erscheinungsbild den Kirchen
oft einen Spiegel vorhalten. Der Vf. bringt dazu in seinem Buch eine
Bestätigung, die sogar die Überlegung zuläßt, ob die Rezension statt
unter der Rubrik Konfessionskunde nicht besser unter "jener der
Kirchengeschichte einzurücken sei. Der Zeitgeschichtler wie auch der
Kirchenhistoriker, der sich mit dem 19. Jahrhundert befaßt, erhält
jedenfalls hier einen sachlichen Kontrapunkt für seine Arbeit, der
sich wahrhaft sehen lassen kann. Wie sehr ist man oft verlegen um
Gegenentwürfe zu der verflachten und undeutlichen Staatskirche vor
allem dann des Wilhelminischen Zeitalters. In diesem Buch hat man
sie in ganz verschiedenen Ansätzen. Und ohne jetzt die bekannte
These Gottfried Arnolds wiederholen zu wollen - doch ist beispielsweise
Julius Fischer nicht eine markante Erscheinung im
Rahmen der Ä7rc/iengeschichte? Zumindest im ganzen aber ist es