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Ausgabe:

1982

Spalte:

435

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Smend, Rudolf

Titel/Untertitel:

Gesetz 1982

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Seite 1

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435

Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

436

und was an Paulus (von dem Verschwiegenen oder Nichtverschwiegenen
) so wichtig ist. Wie D. diese Dinge sieht, sei am Beispiel einer
seiner eigenen Formulierungen gezeigt: „In den echten Paulusbriefen
ist ein wesentliches Moment der Christusbotschaft getroffen und eine
Nähe zur Mitte der Schrift sichergestellt - wenn auch nicht in Ausschließlichkeit
. Eine Exklusivität und Allgegenwärtigkeit, wie sie die
reformatorische Theologie für Paulus gefordert hat, stimmt mit der
frühkirchlichen Wirklichkeit nicht überein. Für sie bleibt die pauli-
nische Theologie ,ein - zeitweilig obendrein auffallend zurücktretender
- Faktor unter anderen'" (S. 20; die letzten Worte in Anlehnung
an Kuß).'

Berlin Hans-Martin Schenke

Smend, Rudolf, und Ulrich Luz: Gesetz. Stuttgart-Berlin-Köln-
Mainz: Kohlhammer 1981. 156 S. kl. 8' = Kohlhammer Taschenbücher
, 1015: Biblische Konfrontation. Kart. DM 18,-.

Dieses Bändchen darf wegen seines gesamtbiblisch grundlegenden
Begriffes mit besonderer Beachtung rechnen. Dabei ist in neuester
Zeit die Initiative von den neutestamentlichen Exegeten ausgegangen,
die Diskussion über das Gesetzesverständnis erneut in Gang zu
bringen. Diese Tatsache spiegelt sich auch am Umfang der Beiträge
wider: I. Das Alte Testament (S. 9-44), II. Das Gesetz im Frühjudentum
(S. 45-57), III. Das Neue Testament (S. 58-139). Freilich
ist der Neutestamentier eben gehalten, die verschiedenen Problemfelder
abzuschreiten, was in Fragen des Gesetzes nicht ganz einfach
ist, weil das zur Debatte gestellte Material sehr reichlich fließt.
Demgegenüber merkt man dem alttestamentlichen Teil an, daß es
gegenwärtig offensichtlich schwierig ist, der neutestamentlichen
Exegese entsprechende Fortschritte aufzeigen zu können. Das ist aber
nicht dem Alttestamentler anzulasten. Insgesamt ist es eine hilfreiche
und schnell orientierende Darstellung.

M. P.

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Beyschlag, Karlmann: Evangelium als Schicksal. Fünf Studien zur
Geschichte der Alten Kirche. München: Claudius Verlag 1979.
139 S. 8'.

Beyschlag will die Alte Kirche als auch unsere „Schicksalsgemeinschaft
" spürbar machen. Eine theologische Sicht von Kontinuität
in der ganzen Kirchengeschichte wird an einzelnen ausgewählten
patristischen Themen exemplifiziert, wie sie unlängst Carl
Andresen in seinem Werk über die „Kirchen der Alten Christenheit"
(1971) eher in Zweifel gezogen hat. Unter dem Titel „In der Welt -
nicht von der Welt" wird die Weltoffenheit der Alten Kirche am Beispiel
ihrer Übernahme der Antike als eine von höchster Verantwortung
getragene christliche Entscheidung gewürdigt. Der Gefahr
einer Verweltlichung steht entgegen die altkirchliche Mentalität der
„Fremdlingsschaft", von der Kirche der Märtyrer an. Mehrmals wird
an den 1. Petrusbrief erinnert, wie an eine altkirchliche Programmschrift
. Darum gibt es keinen „Alltag": „Der sogenannte ,Alltag' -
lassen wir Alltagsfanatiker von heute uns das von der alten Kirche
sagen - ist nicht die Mitte des Gemeindelebens gewesen, sondern
allenfalls seine Peripherie". Darum auch braucht das Problem der
Parusieverzögerung seit den frühesten „katholischen" Quellen keine
Christenseele zu beunruhigen. Der kleinasiatische Montanismus
wirkt „wie ein verspäteter sektenhafter Protest". Weltoffenheit und
Weltmission wird an Entstehung des Bischofsamtes, an Bekehrungsgeschichten
, an der altkirchlichen Einstellung zu Umwelt, Beruf und
akademischer Bildung verdeutlicht. Aber die Paradoxie des evangelischen
„Nicht von der Welt" bleibt eben immer virulent. Das ist in der
Tat eine zentrale, in vielen Kirchengeschichten zu kurz kommende
altkirchliche Geisteshaltung, die sich auch an der altkirchlichen

Auferstehungsfrömmigkeit, vom Vf. leider in allen Beiträgen unterbewertet
, beschreiben ließe. Vf. will keine Apologetik altkirchlicher
Katholizität treiben - die theologische Fragwürdigkeit gerade der
„Apologeten" wird herausgestellt - aber er geht dann doch so weit, in
der Synthese von Antike und Christentum bei Clemens AI. eine echte
theologische Aufgabe zu erkennen. Die Entscheidung zwischen Gottsuche
und ewiger Seligkeit zugunsten der Gottsuche, deren frappante
Analogie zu Lessing entdeckt wurde, ist m. E. eher griechisch-platonischer
Geist in christlicher Verklärung als das Umgekehrte. Ein
Abriß der Gnosis als Urbild christlicher Häresie beschließt das Kapitel
, wobei die echte Anziehungskraft der Gnosis (Christozentrik,
Paulusrezeption) hervortritt.

Das Kapitel „Kirche und Gesellschaft bei den frühen Christen"
setzt sich mit Troeltschs immer noch aktuellen „Soziallehren" (1912)
auseinander. Dessen These vom sozialkonservativen Charakter der
Alten Kirche wird vor allem an der Sklavenfrage noch einmal geprüft
und bestätigt. Andererseits meint Vf. mit Rostovtzeffs „Gesellschaft
und Wirtschaft im römischen Kaiserreich" (1931), die Kirche habe
mit der gesamten Spätantike im gleichen Schiff gesessen, das heißt, sie
habe als hauptsächlich „religiöse Größe" gar kein „social gospel"
predigen können. Jedoch allein schon mit der Perspektive von außen,
die eindrucksvoll mit Celsus geboten wird, zeigt sich ja, wie zersetzend
die Alte Kirche auf die Polis-Ordnung wirkte, und wenn nun
auch mit einer Perspektive von innen altkirchliche Institutionen wie
u. a. Ehe, kirchliche Finanzwirtschaft und Sozialarbeit berücksichtigt
werden, sollte die praktische und theoretische Veränderung der
antiken Gesellschaft und Ethik durch die Alte Kirche m. E. nicht so
gering veranschlagt werden. Die vom Vf. herausgestellte „Schuld der
Kirche an der Gesellschaft" (Ketzer- und Judenverfolgung) ist ja die
Kehrseite eben dieser Medaille.

Der Beitrag „Zur Geschichte der Bergpredigt in der Alten Kirche"
(vollständig in ZThK 74, 1977, 291-322) schildert in der Hauptsache
die Wirkungsgeschichte der Seligpreisung der Herzensreinen
(Mt. 5,8), ein Wort, „das zum Inbegriff aller christlichen Mystik und
Askese geworden ist". Die These, daß vom messalianischen Stufenbuch
an ein Weg in die geistliche Psychosomatik führt, „wie sie heute
im Zeichen der Meditationswelle wieder an unsere Türen klopft"
(84), wäre marginal zu korrigieren. Denn herausragende Theo-
logumena in jenem „Liber graduum" (die „Kirche des Herzens" im
Unterschied zur sichtbaren, aber auch zur himmlischen Kirche) sind
noch nicht typisch messalianisch, auch wäre vor Symeon dem Neuen
Theologen die Herzensmystik des tatsächlich messalianischen Maka-
rios-Symeon und besonders auch Cassians zu nennen gewesen. Der
Aufsatz bringt schließlich eine Korrektur an Gerhard Ebelings auslegungsgeschichtlicher
Begründung der Kirchengeschichte; es gehe
der Alten Kirche immer auch um ein „geschichtliches Ergriffensein
der Kirche durch ihren Herrn" und um „die Ganzheit der biblischen
Wahrheit". - Ein eigenes Gewicht hat der Versuch, in einem Streifzug
durch ein Jahrtausend antiker Geistesgeschichte „das Problem
des Leidens" in seinen drei Dimensionen, Heilung, Sinngebung und
Überwindung zu erfassen. In Gegenüberstellung mit nichtchristlichen
antiken Texten kommt das Fazit für die altchristliche Literatur um so
klarer heraus: die Stellen, wo der leidende Mensch thematisiert ist,
sind zu zählen, sie sind zahllos, wo von der Überwindung der Welt,
nicht nur des Leidens, durch Christus die Rede ist. - Der letzte Beitrag
sucht in Abgrenzung von einem dezidierten Nein zur Mystik
(Harnack, Lutherforschung) ein vorsichtiges lutherisches Ja zu einer
auch mystisch zu nennenden religiösen Erfahrung. Der Vergleich der
Lichtmystik des Euagrios mit derjenigen Symeons des Neuen Theologen
ist hier der Kontext, aus dem eine mystische Erfahrung hervortritt
, die auch dem Lutheraner in Treue zum kirchlichen Glauben
(CAV), in Treue zum „sola fide" annehmbar sein könnte. Vorbild
dürfte Dag Hammarskjöld als Mystiker sein.

So vermittelt das kleine Buch selbst dem Kenner der Alten Kirche
manche Anregung, und sei es zum Widerspruch. Mag der Nicht-
fachmann keine ganz leichte Lektüre vorfinden, dem Autor ist doch