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Ausgabe:

1982

Spalte:

428-429

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Gott nach Auschwitz 1982

Rezensent:

Dexinger, Ferdinand

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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seleucide relative au temple de Jerusalem» (S. 86-104)4, d. i. Jos ant
12, 145f, sodann «Un document relatif a la persecution d'Antiochos
IV Epiphane» (S. 105-135)5, Jos ant 12, 258-264. Sie erweisen sich
insgesamt als echt, wie auch 2 Makk 1,1-9, „Ein jüdischer Festbrief
vom Jahre 124 v. Chr." (S. 136-158)6. Dabei verbinden sich die formalen
Untersuchungen jeweils mit aus den historischen Zusammenhängen
erhellenden Erläuterungen des Inhaltes.

Eine kritische Analyse von 2 Makk 3 (massive Darstellung
V. 24f.27f.30, mehr rationalistisch V. 26.29.31-36) und eine religionsgeschichtliche
Einordnung des ganzen Berichtes gibt «Heliodore
au temple de Jerusalem» (S. 159-191 )7. - Die Notiz über die Makka-
bäer in Malalas' Chronographie (Buch 8) versteht B. als Echo einer
seleukidischen Darstellung des Aufstandes der Makkabäer
(S. 192-209)". - "The Date of the Testaments of the Twelve Pat-
riarchs" (S. 1-23)9 ist nicht zuletzt angesichts der gegenwärtig etwas
festgefahrenen Debatte über test XII bemerkenswert, zumal durch
einen Nachtrag10 (S. 19-23): Die Funde von Qumran bestärken B.
darin, daß das hebräische Original zu test patr "was written in the
Hellenistic Age" (S. 23), wobei es möglich ist, daß test Lev, test Jud,
test Jos zunächst als separate works existierten (S. 22)".

Zu einer dritten Gruppe lassen sich die vier Beiträge S. 256-323 zusammenfügen
. In «La Chaine de la tradition pharisienne»
(S. 256-269)12 werden auch außerjüdische Parallelen zu Traditionsprinzip
und -verfahren vorgeführt; ,die ganze Welt hing diesem geschichtlichen
und aristokratischen Prinzip an' (S. 267). In "The
Maxim of Antigonus of Socho"" (S. 270-289) werden eine Sentenz
und ihr Autor in geistes- und sozialgeschichtliche Zusammenhänge
eingeordnet (S. 282-289 Nachtrag über die Traditionskette Abot
1,1-13, vgl. S. 256-269). Das Achtzehn-Gebet als "The Civic Prayer
for Jerusalem"14 (S. 290-312) wird überlieferungsgeschichtlich befragt
. In «Benediction et priere» (S. 313-323)15 wird das Spezifische
besonders der ersteren herausgestellt. In die Diaspora führt "The
Altars of Gentiles. A Note on the Jewish ,ius sacrum'" (S. 324-346)16;
Heiden, die dem Glauben an den Gott der Judenschaft zuneigten,
durften ihn daheim an einem Altar verehren" (B. verweist abschließend
auf Act 17,23 [S. 345f]). - Schließlich fügt "The Jewish Histo-
rian Demetrios" (S. 347-3 58)18 den ersten bekannten hellenistischjüdischen
Schriftausleger in den großen Rahmen antiker Geschichtsschreibung
und Chronographie ein. ,Die Aufstellung eines Systems
biblischer [Zeit-]Rechnung war Demetrius' wesentliche Leistung'
(S. 353).

B. konnte die Gelegenheit des Neusatzes der Abhandlungen dazu
benutzen, sie gründlich durchzusehen. Die Anmerkungen wurden ergänzt
durch zahlreiche Hinweise auf neuere Veröffentlichungen und
durch inhaltliche Zusätze. Nachträge zum Text waren oben mehrfach
anzuführen. Insgesamt zeigt sich aber nun. in der Zusammenstellung
der Studien, deren Entstehen sich überwiegend auf einen Zeitraum
von etwa drei Jahrzehnten verteilt, wie sich allmählich aus verschiedenen
Zügen ein wenn nicht einheitliches (Wandlungen im Judentum
werden verschiedentlich erkennbar), so doch zusammenhängendes
Bild des antiken Judentums ergab. - Gerade im vorliegenden Band
wird sodann immer wieder sichtbar, wie das Fachwissen des Altertumskundlers
für das Erfassen und Einordnen jüdischer Texte bzw.
Gegebenheiten reiche Hilfe gewähren kann". Es ist z. T. frappant,
was B. an entsprechenden oder zumindest vergleichbaren Tatbeständen
aus der griechischen (bzw. römischen) Umwelt des Judentums für
das Verständnis des palästinischen fruchtbar zu machen vermag.

Auch wo Probleme der Form behandelt werden, sind sie (wie oben
angedeutet) mit den sachlichen vielfach verbunden. Insbesondere
weiß B. Gegebenheiten lebendiger jüdischer Frömmigkeit in oder
hinter den Texten aufleuchten zu lassen. - Nicht selten kommt B. im
Anschluß an Einzelbeobachtungen zu Sätzen, deren Gültigkeit und
Gewicht über den speziellen Kontext und seinen Sachzusammenhang
hinausreicht. Daß er in allen drei verwendeten Sprachen20 meisterlich
zu formulieren weiß, bleibe nicht unerwähnt.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Dazu s.ThLZ 103, 1978 Sp. 261 f.

2 Aus Melanges Isidore Levy, Brüssel 1955, S. 11-34.

5 RevEUuiv 100, 1935, 4-35; Deutsch in: Abr. Schalit, Zur Josephus-
Forschung, Darmstadt 1973, S. 205-240, cf. OLZ95, 1974 Sp. 351. Zur Beurteilung
der Politik Antiochos' III. und IV. gegenüber Jerusalem vgl. Christian
Habicht, Hellenismus und Judentum in der Zeit des Judas Makkabäus, Jahrbuch
der Heidelberger Akad. d. Wiss. 1974, Heidelberg 1975, S. 97-110.

4 Syria25, 1946-48, S. 67-85.

5 RevHistRel 115, 1937, 188-223, deutsch in Schalit (s. o. A. 3)
S. 241-277.

6 ZNW32, 1933, S. 233-254.

' Annuaire de l'Inst. de Philol. et d'Hist. Orientales et Slaves 7, 1939-44,
S. 5-40.

8 Byzantion21, 1951, S. 63-83.
' JBL69, 1950,245-260.

10 Der AnhangS. 15-19 bemüht sich um eine präzisere Einordnung der Gattung
der „Testamente"; es handelt sich in Wirklichkeit um Death-bed Speechs
o. ä.

" Vgl. K. H. Rengstorf in W. C. van Unnik, La litterature juive entre Te-
nach et Mischna, Leiden 1974, S. 29-47, s. ThLZ 100,1975 Sp. 902 f.
12 Nachtrag S. 268 f. Sonst aus RB 59, 1952, S. 44-54.
" Anfg. 2. Jh. vC. - HThR 44, 1951, S. 153-165.

14 HThR 55, 1962, S. 163-185.

15 Nachtrags. 322f; sonst aus RB 69, 1962, S. 524-532.

16 Revue internationale des droits de l'Antiquite, 3e serie, 5, 1958,
S. 137-164.

Man könnte m. E. zumal an Räucheropfer denken; der Altar in Perga-
mon, auf den sich B. S. 341 f bezieht, ist 48 cm hoch.

18 Aus: Christianity, Judaism and Other Greco-Roman Cults, Studies for
Morton Smith 3, Leiden 1975, S. 72-84. Vgl. N.Walter, JSHRZ III 2,
S. 280-292, s. ThLZ 103, 1978 Sp419f.

" Zugleich reicht B.s Quellenkunde erheblich in die Schriften der Kirchenväter
hinein.

20 Vgl. dazu seine Vita, s. ThLZ 103, 1978 Sp. 261.

Gott nach Auschwitz. Dimensionen des Massenmords am jüdischen
Volk. Eugen Kogon, J. B. Metz, E. Wiesel, L. S. Dawidowicz,
D. Rabinowitz, R. M. Brown. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1979.
144 S. 8". Kart. DM 14,80.

Das Herder-Taschenbuch gibt Vorlesungen wieder, die Elie Wiesel
, Lucy S. Dawidowicz, Dorothy Rabinowitz und Robert McAfee
Brown an der Northwestern University in Evanston (Illinois, USA)
gehalten haben, die 1977 in englischer Sprache und 1979 in deutscher
Übersetzung bei Herder erschienen sind. Dieser deutschen Ausgabe
ist ein Vortrag von J. B. Metz, gehalten bei einer Veranstaltung des
Deutschen Koordinierungsrates für christlich-jüdische Zusammenarbeit
beim Katholikentag in Freiburg beigefügt. Eugen Kogon
schrieb eine Einführung in die deutsche Ausgabe.

Das engagierte Bändchen will der Vergangenheitsbewältigung dienen
, wie E. Kogon betont. Es richtet sich nicht nur an jene, die die
Massenvernichtung der Juden, das Holocaust, miterlebt haben, sondern
an die nächste Generation, die, in die Ereignisse selbst nicht verstrickt
, das „unbefangenere Urteil" haben kann. Es will Gläubige wie
Ungläubige dazu führen, die Konsequenz aus dem Geschehen zu
ziehen.

In den sehr eindringlichen persönlichen Stellungnahmen von
E. Wiesel, L. Dawidowicz und D. Rabinowitz ist ein gemeinsames
Element im Hinblick auf den theologischen Stellenwert der Rede
vom Holocaust hervorzuheben. „In jedem Getto und in jedem Lager
waren, wie sich herausstellte, ,Chronisten' am Werk" (Wiesel 31).
Die „Chronik" zu führen war „heilige Aufgabe" (Dawidowicz 56). Es
ging darum, Zeugnis zu geben, „damit die Toten nicht ihrer Stimme
beraubt würden" (Rabinowitz 79). Dieses Zeugnis entfaltet dann
seine eigene Dynamik, der sich niemand entziehen kann. „Auschwitz
betrifft uns alle" (Metz 122).

Es geht dem Bändchen nicht um eine Darstellung der Wirkungsgeschichte
des Holocaust im jüdischen theologischen Denken, die es
natürlich auch gibt, sondern um die Aufarbeitung des lebendigen