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Ausgabe:

1982

Spalte:

421-423

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Jobling, David

Titel/Untertitel:

The sense of biblical narrative 1982

Rezensent:

Wallis, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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dige, aber bislang durch kein besseres Gesamtbild ersetzte Julius
Wellhausens durch ein anderes, ebenso in sich stimmiges und umfassendes
abzulösen, und sich statt dessen auf die Auslegung der Texte in
ihrem jetzigen Zusammenhang zurückzuziehen, einen Schritt auf
dem Wege in eine geschichtslose Neoorthodoxie sehen, die so sicherlich
nicht den Intentionen Houtmans entspricht.

Bleibt nachzutragen, daß das Buch eine Einleitung besitzt, die den
Namen und die Bücher des Pentateuchs behandelt, daß es in 119 Paragraphen
eingeteilt ist und seine Anmerkungen und Register in
einem gleich ausgestatteten Beiheft untergebracht sind. - Treten wir
von dem an vielen Einzelbeobachtungen und Mutmaßungen reichen
Werk zurück, können wir seinem Vf. bescheinigen, daß er eine
kleine, aus den Quellen gearbeitete Forschungsgeschichte des Alten
Testaments am Beispiel des Pentateuchs vorgelegt hat, wie er es in
seinem Vorwort auf S. 11 selbst in Aussicht gestellt hat. Und als
solche wird sie auch der dankbar benutzen, der am Ende im Blick auf
die Möglichkeiten literarkritischer Arbeit optimistischer als ihr Vf.
ist.

Marburg (Lahn) Otto Kaiser

' Die nichtpriesterliche Josephsgeschichte. Ein Beitrag zur neuesten Penta-
teuchkritik, BZAW 154, Berlin - New York 1980.

2 Trotz der großen, auf die Korrektur gewandten Sorgfalt ist auf S. 84 die
letzte Zeile von S. 83 wiederholt. Unklar blieben mir S. 221 Zeilen 9 und 10.
AufS. 227 hat Houtman irrtümlich einen Gegensatz zwischen Kaiser, Einleitung1
, S. 91, und Westermann, BK I, 1, S. 775 konstruiert: K. schreibt hier die
Anthropomorphismen keineswegs J selbst zu.

Jobling, David: The Sense of Biblical Narrative: Three Structural
Analyses in the Old Testament (I Samuel 13-31, Numbers 11-12,1
Kings 17-18), Sheffield: Department of Biblical Studies 1978,
102 S. 8' = Journal for the Study of the Old Testament, Supplement
Series7. Kart. £ 3.-.; Lw. £ 6.85.

Dem Untertitel dieses Bandes entsprechend, haben wir hier wie in
etlichen Titeln seiner Bibliographie und in früheren Studien dieser
Reihe eine „structural analysis" vor uns, die drei ausgewählte und in
ihrer Art sehr unterschiedliche Texte des Alten Testaments zum
Gegenstand hat, deren beide erstere jedoch bereits in früherer Gestalt
m den Seminar Papers der Society of Biblical Literature der Öffentlichkeit
vorgelegt worden sind. Die strukturalistische Analyse soll die
historisch-kritische, literarkritische und traditionsgeschichtliche
Methode nicht ablösen, sondern bereichern (S. 870- Sie nimmt
jedoch den Text in der jetzt vorliegenden Gestalt an und versucht, ihn
so auf Grund von Strukturformen zu erhellen. Dabei werden strukturelle
Typen sichtbar, die auch sonst außerhalb der alttestamentlichen
Literatur zu beobachten sind und damit gewisse Allgemeingültigkeit
des Erzählens für sich in Anspruch nehmen können.

Dies nimmt sich nun so aus, daß erzählende Literatur sich gemeinhin
aus unterschiedlichen Elementen zusammensetzt, die jeweils ihre
eigenen Strukturen aufweisen, im Zusammenklang aber mit den
anderen zu neuen, vertieften Aussagen gelangen. Die Analyse der
Einzelelemente hat „semantischen", die der Komposition dagegen
»paradigmatischen" Charakter. Die gegenseitige Verschmelzung
jedoch ist als „syntagmatischer" Vorgang zu bezeichnen. Bedauerlicherweise
entgehen bei der gebotenen Darstellung dem uneingeweihten
und mit der Terminologie nicht vertrauten Leser nicht wenige
Nuancen, da der Autor seine Prinzipien erst in den Appendices
(S. 81-88) und vor allem im Postscript (S. 88-92) vollends enthüllt.

Aufs Ganze gesehen, handelt es sich hier um eine Methode, die
offenbar in Frankreich während der sechziger und von da aus in
Amerika während der siebziger Jahre aufgenommen und ausgestaltet
Worden ist. Dem deutschen Leser wird hier zunächst die historische,
literarisch-literarkritische Differenzierung fehlen. Aber die Struktu-
ralisten gehen von der geschlossenen literarischen Komposition aus,
welche einen nicht nur zufälligen, sondern komplexen Aussagewillen

repräsentiert. Es nimmt angesichts dieses Unterfangens und auch der
Entfaltungszeit dieser Methode nicht wunder, daß die hier verarbeiteten
und im Literaturverzeichnis aufgeführten Titel in der zeitgenössischen
deutschen Einleitungswissenschaft und in der exegetischen Literatur
noch keinen Stellenwert gefunden haben.

J. versucht, seine Gedanken an den drei genannten disparaten Themen
zu konkretisieren. Zunächst: Jonathan: A Structaral Study in 1
Samuel (S. 4-25), wobei er die Beobachtung zu Grunde legt, daß im

I. Samuelis-Buch (Kap. 13-31) alternierend Perikopen über Sauls
Auseinandersetzung mit David, in denen Jonathan nicht erwähnt
wird, wechseln mit solchen, in denen Jonathan als Sohn Sauls eine
Prinzenfunktion wahrnimmt und gleichzeitig als Davids vertrauter
Freund begegnet. Jonathan, der geborene Thronanwärter, der jedoch
nie Sauls Nachfolger werden soll, gerät in die Rolle des Helfers
Davids, der jenem gewissermaßen den Platz freihält. Damit nimmt
Jonathan eine figurative, zeichenhafte Rolle als Sekundant Davids
wahr. Das ist durchaus sinnvoll, ob aber von den Tradenten gewollt?

Anders liegen die Dinge in: A Structural Analysis of Numbers
11-12 (S. 26-62). Auch hier wird, völlig abgesehen von der quellenkritischen
Situation, die vorhandene Gestalt des Textes behandelt. Es
finden sich verschiedene Elemente: Story A 11,1-3, das Feuer zu
Tabera; Story B 11,4-9.31-34, Mana und Wachteln; Story C

II, 10-30, die Geistausgießung auf die Ältesten; Story D 12, Mirjams
und Aarons Aufbegehren gegen Mose. Alle Erzählungen sind trotz
ihres unterschiedlichen Inhalts und ihrer differenten Quellenlage
nach verwandten Grundstrukturen aufgebaut, so nämlich, daß das
main program (MP) die Grundsituation darstellt, aus der eine Problematik
erwächst, die die Erzählung überhaupt begründet. Dagegen
wird nun ein contra program (CP) eingeführt, das belastend den Umstand
verändern will. Dagegen jedoch wird ein contra contra program
(CCP) wirksam, das das CP aufheben und zum Status quo zurückführen
soll. In ihrer Unterschiedlichkeit beeinträchtigen sich die einzelnen
Berichte derart, daß sie sich gegenseitig erweitern und eine tiefere
Deutung zulassen. Abgesehen davon, wieweit man dieser Methode
noch das Prädikat „Exegese" zubilligen kann, wird die Struktural-
untersuchung von Num 11-12 so kompliziert, daß sie schon fast die
Überschaubarkeit einbüßt und darum hier nicht im einzelnen gewürdigt
werden kann. Selbst durch die scharfsinnigen Modellskizzen wird
es nicht leichter, dem Gedankengang zu folgen, noch weniger, als das
Ganze nun in den Exodus-Verlauf eingefügt werden soll.

Schließlich wird in: Ahab's Quest of Rain: Text and Context in 1
Kings 17-18 (S. 63-88), wiederum eine Komposition von Einzelerzählungen
behandelt: Elias Vorhersage der Trockenheit, Elias Aufenthalt
am Bache Krit, Elia und die Witwe von Zarpat, die Begegnung
zwischen Elia und Obadja, zwischen Elia und Ahab, das Gottesurteil
auf dem Karmel und schließlich das Ende der Dürrezeit, der
neue Regen. Eine jede Erzählung hat ihre eigene Struktur, wenngleich
sie sich alle dem Thema „Trockenheit" unterordnen. Alle zeigen den
Grundtypos, daß eine Ausgangssituation gekennzeichnet, ein Vorgang
in Bewegung gesetzt wird, die durch irgendeine Einwirkung
(einen Widersacher: villainy/lack) verfälscht, dann jedoch durch Gegenwirkung
wieder aufgehoben und zum Status quo zurückgeführt
wird. Das gleiche zeigt sich dann auch in der gesamten Komposition,
von der Zurückhaltung des Regens bis zur Wiederherstellung des natürlichen
Niederschlages. Dabei stehen alle Erzählungen unter der
Spannung von Essen, Trinken / Hunger, Durst, Leben / Tod, Israeliten
/ Fremde, Mann / Frau und dergl.; Einzelheiten vorzutragen,
würde auch hier den gegebenen Rahmen sprengen.

Die Untersuchungen werden wohl gewisses Interesse beanspruchen
dürfen. Man wird dem Autor, wie überhaupt den Strukturalisten das
Recht nicht absprechen können, auch auf diese Weise die Tiefe des
Textes ausloten zu helfen, vielleicht als gesundes Gegengewicht zu
einer vereinseitigten literarkritischen oder form- bzw. traditionsgeschichtlich
-analytischen Interpretation. Dennoch dürfte man,
selbst wenn man diese Methoden nicht ersetzen möchte, nicht so
gänzlich auf ihre Ergebnisse verzichten. Auf jeden Fall stellen diese