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Ausgabe:

1982

Spalte:

416-417

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Unterwegs zur Einheit 1982

Rezensent:

Petzoldt, Martin

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 6

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Der Art. „Geschwätzigkeit" stammt von Heinz Gerd Ingenkamp
(Sp. 829-837). Er formuliert für die griech. und röm. Antike: „Die G.
beruht auf einer Krankheit der Seele." Bibel und Kirchenväter betrachten
den Kampf gegen die G. als Auftrag diesseitiger Sittlichkeit
und als Gebot Gottes. Ob sich in dieses Bild alttestamentliche Stellen
(z.B. Prov 13,3; 18,7 für Geheimnisverrat) gut einfügen, bleibt
fraglich.

Zum Thema „Gesundheit" äußert sich Fridolf Kudlien
(Sp. 902-945). Für die griech.-röm. Welt und den christlichen Bereich
entwirft er ein relativ einheitliches Bild, das er mit Informationen
über gesundheitserhaltende Maßnahmen, Opfer, Gebete und
Grußformeln veranschaulicht. Was der Vf. Anregungen L. Köhlers
und H. Friedenwalds folgend zu israelitisch-jüdischen Vorstellungen
ausführt, muß kritisch hinterfragt werden: „Das althebr. G.konzept
ist... statisch, äußerlich und ästhetisch" und „Der statische G.begriff
läßt keine aktiven Bemühungen um G.erhaltung erwarten"
(Sp. 931 f). Dynamische Ganzheitsbegriffe wie ,Leben', .Unversehrtheit
', ,Kraft' (hierher gehörte auch i/w) kennzeichnen die alttestamentliche
Auffassung von Gesundheit, die im Rahmen eines nichtstatischen
, ganzheitlichen religiösen Denkens interpretiert werden
müßte und auch eine Trennung zwischen religiös-kathartischen und
hygienischen Maßnahmen, wie sie der Vf. durchführt, kaum möglich
erscheinen läßt. Außerdem wäre die Kenntnisnahme neuerer Literatur
etwa zum Thema „Krankheit/Heilung" (z. B. Seybold, Das Gebet
des Kranken im AT, 1973 mit ausführl. Literaturangaben) von Nutzen
gewesen.

Gerhard Delling ist mit den Art. „Geschlechtstrieb" (Sp. 803-812)
und „Geschlechtsverkehr" (Sp. 812-829) beteiligt. Für die griech.-
röm. Welt gelte, daß der Geschlechtstrieb als der „mächtigste und
insbesondere als der verderblichste der menschlichen Triebe"
(Sp. 803) angesehen werden müsse. Als angemessene Lebenshaltung
seien daher von Plato bis zu den Neupythagoräern Beherrschung und
Verzicht empfohlen worden. Von Warnung bis Abstinenz ist die Stellung
des frühen Christentums bis zur Zeit Augustins geprägt. Dazwischen
wirkt etwas verloren der Abschnitt über das AT und Judentum.
Gen 1,28 und selbst Lev 18 und 20 zeigen ein anderes Verständnis,
das der Vf. aber nicht weiter ausführt, da sein Hauptinteresse der apokryphen
Literatur und dem Schrifttum der heilenist.-röm. Zeit gilt.
Ähnliches kann auch vom Art. „Geschlechtsverkehr" gesagt werden,
in dem der Vf. einen guten Überblick über die Bedeutung und Beurteilung
des G. in der griech.-röm. Antike (Kult und Geschlechtsverkehr
, außerkultische Beurteilung) und im Christentum (Frühchristliche
Zeit, Osten, Westen) gibt. Dem AT und dem Judentum sind nur
zwei Spalten gewidmet.

Der kultur- und religionsgeschichtliche Bereich ist durch drei Artikel
repräsentiert. Zum Stichwort „Gesellschaft" möchte Klaus
Thraede informieren (Sp. 837-847). Das erweist sich in Ansatz und
Durchführung problemreich. In einer Vorbemerkung weist der Vf.
darauf hin, daß dieser Begriff dem Altertum fremd gewesen sei und
daß Überschneidungen mit anderen Art. (z. B. Gemeinschaft, Kultur)
vermieden werden müßten. So bleibt der Art. auf Stich worte und allgemeine
Informationen beschränkt und räumt den Literaturangaben
den gleichen Raum wie dem Text ein. Eine Auseinandersetzung mit
gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen im Hinblick auf antike
Gesellschaftsformen und -Ordnungen findet nicht statt. Das ist
schade, da sich hier die marxistische Gesellschaftswissenschaft dezi-
diert zu Wort meldet.

Von Siegfried Mendner wird man über „Gesellschaftsspiele" ausführlich
und sachkundig unterrichtet (Sp. 847-895), wenn man den
Abschnitt jüdisch' ausnimmt. Würfel-, Brett-, Ballspiele und sonstige
Spiele bei Griechen und Römern sowie die verschiedensten Spiele
und ihre Bedeutung im christlichen Bereich werden beschrieben (gehörte
der Tanz nicht dazu?). Im Abschnitt jüdisch' stammen die
archäologischen Belege für Brettspiele aus der Umwelt Altisraels
(Ägypten, Zweistromland, kanaan. Palästina) und lassen höchstens
für Altisrael Analogieschlüsse zu. Eine Zuordnung zum Judentum ist

kaum möglich. Kritische Anfragen sind an die Deutung von Jes 22,18
und Ex 32,6 zu richten (Sp. 871 muß es Sach. 8,5 heißen).

Mit dem Art. „Gigant" von Wolfgang Speyer (Sp. 1247-1276)
schließt Bd. X des RAC. Erfreulich ist die Verarbeitung des aram.
Henoch im Abschnitt ,AT und frühes Judentum'.

Überblickt man alle Artikel, so fragt man sich, ob die Aufteilung in
,nichtchristlich' und .christlich' sachgemäß und hilfreich ist, da z. B.
jüdische Schriften der hellenist.-röm. Zeit häufig in christlicher Überarbeitung
vorliegen (vgl. Test XII, ApcEl, Sib).

Leipzig Hans Seidel

ICross, Frank Moore:] Traditions in Transformation. Turning Points
in Biblical Faith. Festschrift honouring Frank Moore Cross. Ed. by
Baruch Halpern and Jon D. Levenson. Winona Lake, Ind.: Eisenbrauns
1981. XIV, 445 S., 1 Taf.gr. 8'. Lw. $22.50.

Die Frank Moore Cross, Professor an der Harvard-Universität, aus
Anlaß seines 60. Geburtstages gewidmete Festschrift unterscheidet
sich in inhaltlicher Hinsicht bemerkenswert von den bei solchen
Gelegenheiten üblichen Sammelwerken. Schüler von F. M. Cross
haben sich gemeinsam bemüht, Erkenntnisse und Methoden ihres
verehrten Lehrers anzuwenden und weiterzuführen. Dabei wird ein
populärwissenschaftlicher Zweck verfolgt. Angesprochen ist der
„intelligent non-specialist", insbesondere auch die Studentenschaft.
Allerdings sind dann doch einige der Beiträge für dieses Ziel wohl
etwas zu anspruchsvoll geraten.

Im einzelnen werden - dem Laufe der biblischen Geschichte gemäß angeordnet
- folgende Themen behandelt: B. Halpern, The Uneasy Compromise:
Israel between League and Monarchy (59-96); W. J a n z e n , Withholding
the Word (97-114); R.B. Coote, Yahweh Recalls Elijah (115-120); R. J.
C 1 i f f o r d , In Zion and David A New Beginning: An Interpretation of Psalm
78 (121-142); J. D. Levenson, From Temple to Synagogue: I Kings 8
(143-166); R. E. Friedman, From Egypt to Egypt: Dtr' and'Dtr2
(167-192); R. Polzin, Reporting Speech in the Book of Deuteronomy: To-
ward A Compositional Analysis «f the Deuteronomic History (193-212); J. S.
Ackerman, Satire and Symbolism in the Song of Jonah (213-246); L. J.
Greenspoon, The Origin of the Idea of Resurrection (247-322); J. D.
P u r v i s , The Samaritan Problem: A Case Study in Jewish Sectarianism in
the Roman Era (323-350); J. J. C o 11 i n s , Patterns of Eschatology at Qum-
ran (351-376); Adela Y. C o 11 i n s, Myth and History In The Book of Reve-
lation: The Problem of Its Date (377-403).

Besonders hingewiesen sei auf die beiden einführenden Beiträge
J. A. M i 1 e s , J r ., Radical Editing: Redaktionsgeschichte and the
Aesthetic of Willed Confusion (9-32); C. E. l'Heureux, Search-
ing for the Origins of God (33-58). Ihre Autoren bemühen sich um
eine Positionsbestimmung der Bibelwissenschaft in der ,post-kriti-
schen' Phase ihrer Geschichte. Speziell der einleitende Aufsatz von
J. A. Miles führt interessanterweise im wesentlichen zu J. G. Herders
Bibelverständnis als Alternative zur unbefriedigenden historischkritischen
Interpretation zurück.

Dem anregenden Bande angefügt sind eine chronologisch geordnete
Bibliographie des Jubilars (405-415) und verschiedene Indices
(417-446).

K.-H. B.

IStirnimann, Heinrich:] Unterwegs zur Einheit. Festschrift für Heinrich
Stirnimann. Hrsg. v. Johannes Brantschen und Pietro Selva-
tico. Freiburg/Schweiz: Universitätsverlag und Freiburg-Wien:
Herder 1980. 942 S. gr. 8'. Lw. DM 92,-.

Diese Festschrift ist in doppeltem Sinn ein „viel-seitiges Buch".
Darin spiegelt sich die große Weite des Engagements des Geehrten. Es
würde jetzt zu weit führen, wollte man das Tätigkeitsfeld von H. Stirnimann
abschreiten. Die beiden Herausgeber versuchen die Vielfalt
einzufangen unter dem Bild verschiedener Wegbedingungen: 1. Teil -
Auf profanen Straßen; 2. Teil - Auf theologischen Wegen; 3. Teil -